Es fing an in der Schweiz mit einer Volksinitiative gegen die Abzocke, nun sollen auch in Deutschland neue Regeln für die Vergütung von Vorständen gelten. Das Bundeskabinett will den Aktionären mehr Rechte geben. Und nach dem aktuellen Corporate Governance Kodex soll der Aufsichtsrat die Vorstands-Boni deckeln müssen. Gerald Spindler erwartet dennoch nicht, dass sich wirklich etwas ändern wird.
Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung ist ein Dauerbrenner des deutschen Aktienrechts. Mehrfach hat der deutsche Gesetzgeber versucht, die aus Sicht der Politik explodierenden Vorstandsgehälter in den Griff zu bekommen. Nun geht die Bundesregierung den nächsten Schritt und will die Aktionäre verbindlich über das Vergütungssystem abstimmen lassen.
Ein richtiger und wichtiger Schritt – den man allerdings nicht überbewerten sollte. Eine gerechte Vergütung kann es in einem marktwirtschaftlichen System nicht geben, nur eine richtige Kompetenzverteilung und Korrekturen von Marktversagen.
Transparenz ließ Gehälter steigen
Seit den neunziger Jahren hat sich die Diskussion um angemessene Vorstandsgehälter verschärft. Sowohl national als auch international ist seitdem zu beobachten, dass die Vergütung von Vorständen im Verhältnis zur Entlohnung von Arbeitnehmern überproportional steigt. Hinzu kommen aus Sicht der Öffentlichkeit mitunter exorbitant hohe Abfindungszahlungen selbst für Vorstandsmitglieder, die offensichtlich mit ihren Entscheidungen Unternehmen in die Krise geführt haben.
Dabei hat der Gesetzgeber schon bei Verabschiedung des ersten Aktiengesetzes (AktG) 1937 eine Norm aufgenommen, die nicht zuletzt im Verhältnis zur Belegschaft Grundsätze für die Vorstandsvergütung vorsah. Danach blieb es lange Zeit ruhig um die Vorstandsgehälter, bis deren exponentielle Zunahme den Gesetzgeber wieder auf den Plan rief, nach dem Scheitern von Selbstregulierungen im Corporate-Governance-Kodex zunächst durch neue Transparenzregeln. Mit Hilfe der Publizität jedes Vorstandsgehaltes sollte eine Art Prangerwirkung erreicht werden – es trat jedoch das Gegenteil ein. Die verstärkte Publizität wirkte sich wie eine Art "Brandbeschleuniger" aus. Das generelle Niveau der Gehälter zog nur noch mehr an.
Der vorerst letzte Versuch datiert aus dem Jahr 2009 mit einem Gesetz, das für den Aufsichtsrat detaillierte Vorgaben für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung festlegte. Insbesondere die aus dem Ruder laufenden variablen Vergütungen ohne jegliche Beteiligung an Verlusten und mit kurzfristigen Anreizen standen nach den Erfahrungen mit Boni in der Finanzmarktkrise in der Kritik.
Parallel dazu führte der Gesetzgeber mit § 120 Abs. 4 AktG das aus Großbritannien bekannte Beispiel ein, die Hauptversammlung über das Vergütungssystem insgesamt abstimmen zu lassen, nicht aber über die einzelnen Vorstandsgehälter. Dieses Votum ist jedoch nur eine unverbindliche Meinungsäußerung. Das will die Bundesregierung mit der Aktienrechtsnovelle nun ändern.
Votum der Aktionäre soll verbindlich werden
Anfang Mai hat das Kabinett beschlossen, dass das in § 120 Abs. 4 AktG vorgesehene Votum der Hauptversammlung ("say-on-pay") nun verbindlich werden soll. Darüber hinaus soll der Aufsichtsrat der Hauptversammlung Angaben zu den höchstens erreichbaren Vergütungen machen, die nach Vorstandsmitglied aufgeschlüsselt werden müssen. Die Verträge der Vorstandmitglieder können Aktionäre allerdings nicht ändern.
Die Aktienrechtsnovelle muss noch vom Bundestag beschlossen werden. Die Bundesregierung reagiert damit auf die Diskussion, die nach der "Volksinitiative gegen die Abzockerei" in der Schweiz auch in Deutschland geführt worden ist. Am Ende sollen weder der Aufsichtsrat noch der Gesetzgeber über die Höhe der Vergütung der Vorstandsmitglieder entscheiden, sondern die Aktionäre selbst.
Auf den ersten Blick sprengt eine solche Zuständigkeit das herkömmliche Kompetenzsystem in der deutschen Aktiengesellschaft, da allein der Aufsichtsrat für die Vergütungsfragen zuständig ist. Sie bilden einen wichtigen Bestandteil seiner Personalkompetenz. Da sich der Gesetzentwurf aber auf ein Votum über das vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungssystem beschränkt, bleibt es im Prinzip bei der Verantwortung des Aufsichtsrats für die jeweils individuell ausgehandelten Vergütungen. Noch nicht geklärt ist allerdings, ob nicht auch aus der Mitte der Hauptversammlung alternative Vergütungssysteme vorgelegt und dann zur Abstimmung gestellt werden können.
Erfahrungen bisher eher ernüchternd
Die Regierungskommission Corporate Governance hatte schon im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie sich eingehend mit der Vorstandsvergütung beschäftigen werde. Sie empfiehlt nun, dass weiterhin der Aufsichtsrat die Höhe der Gehälter festlegt, dabei aber Obergrenzen für die Gesamtvergütung und die Boni gelten.
Den Kabinettsbeschluss sieht die Kommission kritisch. "Schon bisher haben die Hauptversammlungen aller DAX-30-Unternehmen über die Vorstandsvergütung abgestimmt, auch wenn das Votum bisher nicht bindend war", erläuterte der Kommissionsvorsitzende Klaus-Peter Müller. "Dabei hätte es aus unserer Sicht bleiben können, schließlich wird sich kein Aufsichtsrat gegen eine Mehrheitsentscheidung der Aktionäre stellen."
Die Vorschläge sind ohnehin kein Paukenschlag. Schon die praktischen Erfahrungen zum bisherigen say-on-pay-Votum sind eher ernüchternd: Die überwältigende Mehrheit der Hauptversammlungen stimmt für das vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungssystem, zu kritischen Auseinandersetzungen kommt es selten. Gerade der Einfluss von Investoren wird dazu führen, dass wichtige Fragen im Vorfeld einer Hauptversammlung abgesprochen werden.
Schon seit dem Mittelalter versuchen Juristen vergeblich, den gerechten Preis beziehungsweise die gerechte Entlohnung zu finden. Ein marktwirtschaftliches System kann das nicht leisten. Wenn Aktionäre für hohe Vorstandsgehälter stimmen, ist es ihre Sache, wie sie mit ihrem Geld umgehen. Der Staat kann da nur ein Marktversagen beseitigen, indem er Aktionärsklagen und den Schutz von Minderheiten verbessert. Ansonsten hat er dort nichts weiter zu suchen.
Der Autor Prof. Dr. Gerald Spindler ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Universität Göttingen und Mitherausgeber und Autor zahlreicher AktG-Kommentare.
Aktionäre sollen über Vorstandsgehälter entscheiden: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8733 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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