In Zeiten der Coronakrise verlagert sich vieles in den digitalen Raum – auch Messen werden virtuell durchgeführt. Wo das eine Herausforderung für das Markenrecht darstellt und was Markeninhaber beachten sollten, erklären Louisa Wagner und Nico Kuhlmann.
Was nur geht, erledigen Juristen zurzeit online. Statt Schriftsätze zu stempeln werden immer mehr beA-Nachrichten digital signiert und versendet, Fortbildungen werden als Webinare angeboten und ein Großteil der Besprechungen findet mittlerweile als Videokonferenz statt. Die Coronakrise beschleunigt die digitale Transformation in vielen Bereichen.
Das gilt auch für Messen, Ausstellungen und Konferenzen. Bereits vor der Coronakrise wurde mit virtuellen Konzepten experimentiert. In Zeiten von pandemie-bedingten Mindestabständen und Kontaktbeschränkungen erfreut sich dieses Konzept aber neuer Beliebtheit.
Eine virtuelle Messe findet nicht auf einem Messegelände statt, sondern im Internet. Sie ist die digitale Alternative zur Präsenzveranstaltung. Die Besucher bewegen sich durch virtuelle Messehallen mit virtuellen Messeständen. Und die Interaktion an den Ständen unterscheidet sich nicht wesentlich von denen auf einer klassischen Messe. Ein herkömmlicher Übersichtsplan zu den Hallen sorgt für Orientierung im virtuellen Raum und um den Charakter einer Messe aufrechtzuerhalten, sind diese Online-Veranstaltungen regelmäßig zeitlich begrenzt.
Wenn Avatare an der digitalen Champagnerbar Geschäfte abschließen
Die Aussteller auf einer virtuellen Messe betreiben jeder einen eigenen virtuellen Messestand. Im Rahmen dieser virtuellen Messestände wird der normale Unternehmensauftritt präsentiert. An dem virtuellen Messestand können beispielsweise digitale Werbebroschüren und Werbevideos zur Verfügung gestellt werden. Zudem werden die Fragen von Besuchern über eine Chat-Funktion oder Video-Telefonie beantwortet. Schließlich gibt es oft auch virtuelle Bühnen, auf denen Präsentationen gehalten werden. Manche Produkte oder Dienstleistungsangebote – insbesondere komplexe Maschinen oder vielschichtige Dienstleistungen - sind vielleicht virtuell am Bildschirm sogar besser darstellbar als bei konventionellen Messen.
Als Messebesucher kann man sich bequem zuhause vor dem Laptop virtuell von Stand zu Stand bewegen, Broschüren am Bildschirm durchblättern, mit den Unternehmensvertretern chatten und Vorträge streamen. Möglich, aber nicht zwingend erforderlich, ist auch, dass ein Messebesucher als Avatar dargestellt wird, um so unter anderem weitere Interaktionen zwischen den Messebesuchern zu ermöglichen - und das alles ganz ohne Ansteckungsgefahr. Wer will kann also beispielsweise ohne Mindestabstand an der digitalen Champagnerbar Verträge abschließen.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil einer virtuellen Messe ist unter anderem die weltweite Reichweite. Wer ein internetfähiges Endgerät besitzt, kann unabhängig vom Aufenthaltsort an einer virtuellen Messe teilnehmen – ganz ohne Kosten für Anreise und Hotel für die Besucher, und ohne klassische Kapazitätsgrenzen für den Veranstalter.
Die virtuelle Messe als Herausforderung für das Markenrecht
Auf Messen treffen auch Wettbewerber unmittelbar aufeinander. Neben den Messebesuchern erfährt auch die Konkurrenz, welche neuen Waren und Dienstleistungen angeboten werden sollen und wie diese beworben und gekennzeichnet werden. Viele Rechtsstreitigkeiten um Markenrechte nehmen ihren Ausgangspunkt darum oft auf Messen.
Eine Marke verleiht dem Markeninhaber das absolute Recht, eine bestimmte Bezeichnung oder ein bestimmtes Logo exklusiv zur Kennzeichnung der eigenen Waren und Dienstleistungen zu benutzen. Damit dient das Markenrecht der Markttransparenz. Im Interesse der Kunden soll es nicht zu Verwechslungen kommen. Wenn beispielsweise irgendwo ein angebissener Apfel drauf abgebildet ist, dann soll auch ein angebissener Apfel drin sein - im übertragenen Sinn.
Für das Markenrecht ist es grundsätzlich unerheblich, ob eine Markenverletzung im Rahmen einer konventionellen oder virtuellen Messe stattfindet. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Allerdings bestehen bei einer Markenrechtsverletzung auf einer virtuellen Messe einige Besonderheiten.
Inlandsbezug, Auslandsbezug & Abmahnung auf virtuellen Messen
Deutsches Markenrecht muss zuerst überhaupt anwendbar sein. Dies ist der Fall, wenn die virtuelle Messe im Internet einen ausreichenden Bezug zur deutschen Rechtsordnung aufweist. Dieser Inlandsbezug wird regelmäßig vorliegen, wenn sich die Messe auch an deutsche Besucher richtet, in Deutschland beworben wird und relevante Aspekte der Messe in deutscher Sprache stattfinden. Für einen Inlandsbezug dürfte auch sprechen, wenn der analoge Veranstaltungsort der Messe bisher in Deutschland lag. Anders könnte es aber für internationale Messen aussehen, die vollständig auf Englisch durchgeführt werden und bislang eher zufällig auf deutschem Boden stattgefunden haben.
Ein weiteres Problem kann dann aufkommen, wenn sich die virtuelle Messe zusätzlich auch gezielt an ein weiteres Land richtet. Hat beispielsweise eine deutsche Messe ein Partnerland, wird die virtuelle Messe in diesem Partnerland intensiv beworben und können die ausländischen Besucher aus diesem Land beim Besuch der virtuellen Messe auch die eigene Sprache verwenden, dann wird regelmäßig zusätzlich auch ein rechtlich relevanter Bezug zu diesem Land bestehen. Ein solcher Auslandsbezug hat zur Folge, dass auch das ausländische Markenrecht anwendbar ist. Um Konflikte zu vermeiden, müssen Aussteller in diesem Fall also darauf achten, dass nicht nur deutsche, sondern gegebenenfalls auch ausländische Markenrechte zu beachten sind.
Wenn es auf einer Messe zu einer Markenrechtsverletzung kommt, dann wird der Markeninhaber den entsprechenden Aussteller regelmäßig abmahnen und zur Unterlassung der rechtsverletzenden Handlung auffordern. Üblicherweise wird eine schriftliche Abmahnung am Messestand einem Vertreter des Ausstellers übergeben. Bei virtuellen Messen entfällt eine solche Übergabe vor Ort. Stattdessen kann die Abmahnung aber auch durch eine E-Mail übersandt werden. Ein Schriftformerfordernis im Sinne des § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht nicht. Die Abmahnung sollte für ein sich später gegebenenfalls anschließendes Gerichtsverfahren aber hinreichend dokumentiert werden. Von einer Abmahnung per Telefon ist somit grundsätzlich abzuraten.
Bundesweite Zuständigkeit der Gerichte, aber keine Zustellung vor Ort
Sollte ein Aussteller die Markenrechtsverletzung nicht abstellen, dann bleibt dem Markeninhaber nur die Beantragung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht. Örtlich zuständig ist nach § 32 Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich das Gericht in dessen Bezirk die rechtsverletzende Handlung begangen wird. Bei konventionellen Messen ist der Ort der Verletzung das Messegelände, sodass das Gericht vor Ort zuständig ist. Da sich bei virtuellen Messen die Besucher von überall einwählen können, findet die Verletzung aber überall in Deutschland statt, so dass der Rechteinhaber bundesweit ein Gericht frei auswählen kann.
Der größte praktische Nachteil bei virtuellen Messen ist die fehlende Möglichkeit der einfachen und schnellen Zustellung einer einstweiligen Verfügung vor Ort. Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung erfolgt bei Messen meistens durch den Gerichtsvollzieher nach den Vorgaben der § 192 ff. ZPO. In der Praxis wird die einstweilige Verfügung vom Gerichtsvollzieher einem Vertreter des Ausstellers auf der Messe am Messestand übergeben. Möglich ist auch eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach § 195 ZPO. Wenn sich aber kein Anwalt legitimiert hat, dann bleibt bei virtuellen Messen für eine einstweilige Verfügung nur die Zustellung am Sitz des Ausstellers. Dies kann zeit- und kostenintensiv sein, insbesondere wenn der Aussteller den Unternehmenssitz im außereuropäischen Ausland hat.
Notice-and-Take-Down-Verfahren bei virtuellen Messen?
Denkbar scheint zudem, dass sich ein "Notice-and-Take-Down"-Verfahren durchsetzen könnte, weil bei Markenverletzungen durch Aussteller die Anbieter von virtuellen Messen als Störer eingeordnet werden. Als Störer kann nach gefestigter Rechtsprechung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absoluten Rechts beiträgt.
Diese Störerhaftung ist beispielsweise bei Online-Marktplätzen und Internetforen anerkannt. Da die Anbieter von virtuellen Messen ebenfalls eine Plattform für Dritte zur Verfügung stellen, liegt eine Erstreckung der aus der Störerhaftung bekannten Pflichten nahe. Im Ergebnis müssten die Anbieter von virtuellen Messen dann nach dem Hinweis des Markeninhabers auf eine konkrete Markenverletzung hin aktiv werden und gegebenenfalls die rechtsverletzenden Broschüren und Werbevideos vom virtuellen Messegelände entfernen oder sogar den gesamten virtuellen Messestand abschalten.
Virtuelle Messen: Kein Ersatz, aber vielleicht eine Ergänzung
Virtuelle Messen werden konventionelle Messen wohl nicht ersetzen. In Zeiten von Corona bietet dieses Konzept aber die Möglichkeit, geplante Veranstaltungen trotzdem durchzuführen und den Austausch mit Kunden und Konkurrenten aufrechtzuerhalten. In Zukunft ist auch vorstellbar, dass virtuelle Messen zeitgleich zu den konventionellen Messen durchgeführt werden, um ortsabwesenden Besuchern die Möglichkeit zu eröffnen, sich ebenfalls zu informieren.
Für das Markenrecht zumindest stellt das alles keine unüberwindbaren Herausforderungen dar, insbesondere wenn die Eigenarten virtueller Messen beachtet werden, die sich daraus ergeben, dass alles im Internet stattfindet (#Neuland).
Die Autorin Louisa Wagner ist Rechtsreferendarin am OLG Düsseldorf und absolviert gegenwärtig die Wahlstation bei Hogan Lovells Int. LLP in Hamburg.
Der Autor Nico Kuhlmann ist Anwalt bei Hogan Lovells Int. LLP in Hamburg im Bereich Intellectual Property, Media & Technology.
Herausforderungen fürs Markenrecht auf virtuellen Messen: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41907 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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