Bahar Aslan hatte auf Twitter von "braunem Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden" gesprochen – und dafür ihren Lehrauftrag an der Polizeihochschule NRW verloren. Dagegen hat sie sich zunächst erfolgreich vor dem VG Gelsenkirchen gewehrt.
Ein Tweet der Lehrerin Bahar Aslan hatte im Mai für Aufsehen gesorgt: Darin schrieb sie, sie bekomme Herzrasen, wenn sie oder ihre Freund:innen in eine Polizeikontrolle gerieten. Der "ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden" mache ihr Angst. Die Reaktion der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein-Westfalen (NRW), an der sie als externe Lehrbeauftragte unterrichtet hatte, ließ nicht lange auf sich warten: Die HSPV widerrief den Lehrauftrag für das kommende Studienjahr.
Jetzt konnte Aslan einen Teilerfolg verbuchen: Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen gab ihrem Eilantrag statt (Beschl. v. 05.09.2023, Az. 4 L 1374/23), damit hat ihre Ende Juli in der Hauptsache erhobene Klage wieder aufschiebende Wirkung, das heißt: Bis zur Entscheidung in der Hauptsache darf sie grundsätzlich weiter unterrichten, der Lehrauftrag bleibt wirksam.
VG: Eilantrag ist zulässig und begründet
In den Jahren 2022 und 2023 hatte Aslan an verschiedenen Standorten der Hochschule das Fach "Interkulturelle Kompetenz" unterrichtet. Aufgrund eines weiterhin verfügbaren Tweets, in dem Aslan deutliche Kritik an der Polizei übt, wollte die HSPV für das kommende Studienjahr davon Abstand nehmen. In einer Pressemitteilung hieß es, die HSPV habe den Anspruch, "angehenden Polizistinnen und Polizisten sowie angehenden Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine differenzierte, vorurteilsfreie Sichtweise auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln". Das Präsidium der sei der Meinung, dass Frau Aslan "aus heutiger Perspektive nicht dafür geeignet ist, dies zukünftig hochschulgerecht sicherstellen zu können".
Gegen den Widerruf des Lehrauftrags zog Aslan – mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Rechtsanwalt Dr. Patrick Heinemann – vor das VG Gelsenkirchen. Mit Erfolg: Das VG sah den Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO als zulässig und begründet an.
Auf wen bezieht sich die Formulierung "ganzer brauner Dreck"?
Der auf § 49 Abs. 2 S.1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW gestützte Widerrufsbescheid sei bei der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig, so das VG.
Aufgrund verschiedener Äußerungen in den sozialen Medien sah die Hochschule Aslan entgegen § 21 des Gesetzes über die Fachhochschulen für den öffentlichen Dienst in NRW (FHGöD) als ungeeignet zur Wahrnehmung von Lehraufgaben an. An die Eignung von Bewerbern für Lehraufträge sei der Maßstab der sogenannten funktionsbezogenen Treuepflicht anzulegen, führt das VG im Beschluss aus, der LTO vorliegt. Lehrbeauftragte schuldeten "diejenige politische Loyalität, die für eine funktionsgemäße Amtsausübung unverzichtbar sei".
Bei der Beurteilung, ob eine Verletzung dieser funktionsbezogenen Treuepflicht vorliegt, kommt es maßgeblich auf die Auslegung des Tweets an: Darf man die Formulierung "ganzer brauner Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden" so verstehen, dass darin die Polizei generell als "brauner Dreck" bezeichnet wird? Aus Sicht des VG sei die Äußerung "aus dem Verständnis eines unvoreingenommenen Dritten jedenfalls mehrdeutig zu verstehen". Es sei also "nicht gänzlich abwegig", die Äußerung "als Diskreditierung großer Teile der Angehörigen des Polizeivollzugsdienstes" zu deuten.
Aslan dürfe zwar auf strukturelle Probleme in Bezug auf rassistische Polizeikontrollen und Polizeigewalt hinweisen, der Ausdruck "brauner Dreck" lasse allerdings "einen sachlichen Diskurs zu diesem Thema vermissen".
Es spreche also einiges dafür, dass Aslan Anlass für Zweifel an ihrer Eignung für den Lehrauftrag gegeben habe, so das VG. Die Ausdrucksweise lasse "jedenfalls die notwendige Sensibilität, die sie im Rahmen des ihr erteilten Lehrauftrags in dem Fach Interkulturelle Kompetenz gerade vermitteln soll, vermissen".
Hochschule hätte bisherige Leistungen einbeziehen müssen
Allerdings hätte die Hochschule in einer Gesamtbetrachtung, die für und gegen die Eignung Aslans sprechenden tatsächlichen und persönlichen Umstände gegeneinander abwägen müssen. Dies sei nicht rechtsfehlerfrei passiert. In dieser Hinsicht prüft das VG nur das Vorliegen von Ermessensfehlern.
Es sei schon zweifelhaft, ob die HSPV überhaupt erkannt habe, dass zur Feststellung der fehlenden Eignung eine Gesamtwürdigung erforderlich sei. Jedenfalls habe die HSPV aber Aspekte zugunsten Aslans überhaupt nicht berücksichtigt. Bislang waren alle mit ihrer Lehrtätigkeit zufrieden, das ergebe sich aus den übersandten Evaluierungsbögen. Auch habe es keinerlei Beanstandungen gegen ihre Lehrmethoden gegeben. Sie habe auch während ihrer früheren Lehrtätigkeiten kritische Äußerungen veröffentlicht – und das habe sich auch nicht negativ auf ihre Lehre ausgewirkt.
Die HSPV hatte Aslan als "pädagogisch ungeeignet" bezeichnet – gerade für diese Feststellung hätte man die bisherigen Lehrtätigkeiten einbeziehen müssen. Stattdessen habe die HSPV zur Begründung darauf verwiesen, aufgrund der Veröffentlichung im Internet habe es vermehrt Drohungen gegenüber der HSPV gegeben. Das VG hält es für "jedenfalls fraglich, ob man (strafrechtlich relevante) Drohungen Dritter Aslan zurechnen kann".
Auch berücksichtige das VG den Umstand, dass Aslan sich – nachdem sie erkannt hatte, was sie mit ihrem Tweet ausgelöst hatte – bei der HSPV gemeldet und ihre Wortwahl erklärt hatte. Aslan bekundet, mit der Bezeichnung "brauner Dreck" keinesfalls alle Polizistinnen und Polizisten gemeint zu haben, sondern ausschließlich "die Gesinnung von Beamten und Beamtinnen, die menschenverachtend und rassistisch unterwegs" seien. Diese aufgrund des Wortlauts des Tweets (“innerhalb der Sicherheitsbehörden”) nicht fernliegende Lesart hat die HSPV nicht in Erwägung gezogen.
GFF: "Signal an die Behörden, konstruktiver mit Kritik aus den eigenen Reihen umzugehen"
Die GFF zeigt sich gegenüber LTO erleichtert – und appelliert an die Behörden: "Der Beschluss macht deutlich, dass die Hochschule Bahar Aslan vorschnell loswerden wollte. Zu Unrecht hat sie die guten Leistungen und auch die frühe Gesprächsbereitschaft nicht gewürdigt und den zukünftigen Polizist:innen eine fähige Lehrerin entzogen. Dieser Tweet reicht nicht, um ihr die Eignung als Lehrkraft abzuerkennen. Ich hoffe, dass dies ein Signal an alle Behörden ist, sachlicher und konstruktiver mit Kritik aus den eigenen Reihen umzugehen und Grundrechte zu achten", so Projektkoordinatorin Laura Kuttler.
Aslan könnte jetzt grundsätzlich bis zur Entscheidung über die Klage wieder unterrichten. Dass das passieren wird, ist aber unwahrscheinlich: Der Lehrauftrag ist schon anderweitig vergeben. Zudem kann das Land NRW als Rechtsträger der Hochschule noch Beschwerde zum OVG NRW einlegen. Ob sie Rechtsmittel einlege, werde noch geprüft, teilte die HSPV auf Nachfrage mit.
Noch sind längst nicht alle Fragen geklärt. Offen ist auch noch, wann über die Anfechtungsklage in der Hauptsache entschieden wird.
Nach polizeikritischem Tweet: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52638 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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