Verbraucherzentralen wollen Kompetenzen bündeln: "Datenschutz systematisch durchsetzen"

Interview mit Wolfgang Schuldzinski

07.07.2014

In Schleswig-Holstein kämpft der Datenschützer Thilo Weichert sehr engagiert gegen Facebooks Umgang mit persönlichen Daten. Das hat sich der neue Leiter der NRW-Verbraucherzentrale, Wolfang Schuldzinski, offenbar zum Vorbild genommen. Gemeinsam mit seinen Kollegen will er ein Kompetenzzentrum gegen Datenschutzverstöße und unlautere Geschäftspraktiken im Internet aufbauen.

LTO: Herr Schuldzinski, Sie wollen gemeinsam mit den anderen Verbraucherzentralen ein Kompetenzzentrum für Datenschutz und fragwürdige Geschäfte im Internet aufbauen. Was haben Sie da vor?

Schuldzinski: Wir beobachten seit einigen Jahren, dass die wirtschaftliche Bedeutung von digitalen Inhalten immer größer wird und in unseren Beratungsstellen auch immer häufiger eine Rolle spielt. Im vergangenen Jahr hatten wir in allen Verbraucherzentralen über 300.000 Beschwerden, bei denen es um diesen Themenbereich ging – von Telekommunikation bis Datenschutz.

Das wollen wir nun gebündelter und dadurch schlagkräftiger angehen als bisher, wo jede Verbraucherzentrale im Grunde für sich berät und immer noch sehr vereinzelt gegen unseriöse Machenschaften von Anbietern bei der Nutzung privater Daten und krummer Multimedia-Geschäfte vorgeht. Wir haben der Bundesregierung deshalb ein neues Projekt vorgeschlagen, das sich "Marktwächter" nennt.

LTO: Warum brauchen Sie dafür die Bundesregierung?

Schuldzinski: Für die Finanzierung. Denn unsere Absicht, etwa dem Datenschutz von Verbrauchern bei ihren Geschäften und ihrer Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu mehr Recht und Durchsetzung zu verhelfen, trifft bei den politischen Entscheidungsträgern auf breite Zustimmung.

LTO: Das Projekt klingt nach Konkurrenz für den Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert aus Schleswig-Holstein, der sich recht engagiert gegen Konzerne wie Facebook einsetzt. Wie soll sich das Kompetenzzentrum von der Arbeit der Datenschutzbeauftragten abgrenzen?

Schuldzinski: Es geht es ja nicht nur um Datenschutz, sondern auch um Dinge wie die Drossel-Pläne der Telekom. Wir agieren auch nicht in Konkurrenz zu den Datenschutzbehörden und der Bundesnetzagentur, sondern verstehen unsere Arbeit als sinnvolle Ergänzung für die Bewahrung und Durchsetzung des Datenschutzes. Wolfgang SchuldzinskiWir wollen die Behörden in die Arbeit des Kompetenzzentrums einbeziehen, etwa dadurch, dass sie von uns Informationen und Hinweise für ihre Arbeit bekommen. Denn zu uns kommen die Verbraucher mit allen möglichen Alltagsfragen und vor allem wenn sie sich beim Abschluss von Verträgen rund um ihren Konsum über den Tisch gezogen fühlen, um sich beraten und rechtlich helfen zu lassen. Aus diesen Anfragen können wir weitergehende Erkenntnisse ableiten und mit Abmahnungen und Klagen gegen die Unternehmen vorgehen. Die Datenschutzbehörden haben eher verwaltungsrechtliche Möglichkeiten. Sie überprüfen Abläufe in Unternehmen und gehen gegen Missstände ordnungsrechtlich vor. Ein Kompetenzzentrum der Verbraucherzentralen soll diesen Schutz aus der Zivilgesellschaft heraus erweitern.

"Verbände brauchen Klagerecht bei Datenschutzverstößen"

LTO: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil zum Recht auf Vergessenwerden festgestellt, dass sich internationale Unternehmen wie Facebook oder Google, die in EU-Staaten agieren, an das hiesige Recht zu halten haben. Die Luxemburger Richter formulierten aber auch einen Anspruch auf Löschung von bestimmten Sucheinträgen. Sollten an der Prüfung der Lösch-Anträge Verbraucherverbände oder Datenschutzbehörden beteiligt werden?

Schuldzinski: Das ist eine schwierige gesellschaftspolitische Debatte. Da besteht natürlich eine Missbrauchsgefahr. Der Eine oder Andere kann durchaus ein Interesse daran haben, dass Daten verschwinden, die kein so gutes Licht auf sein Unternehmen oder seine politische Karriere werfen. Google ist aber ein privater Konzern, den man zu nichts anderem als zur Einhaltung des Datenschutzrechts verpflichten kann. Das heißt, wie der Suchmaschinen-Konzern im Rahmen der Gesetze mit den Daten umgeht, liegt in seiner eigenen Verantwortung. Wenngleich es wünschenswert wäre, wenn Google für die Prüfung der Lösch-Anfragen einen Beirat einrichten würde, an dem auch die Zivilgesellschaft beteiligt ist. Zwingen kann man Google dazu leider nicht.

LTO: Der Gesetzgeber könnte aber doch entsprechende Regelungen treffen?

Schuldzinski: Das wäre eine Überlegung, allerdings müsste das im europäischen Rahmen erfolgen.

Das Erfreuliche an dem Urteil ist auch, dass der EuGH klargestellt hat, dass sich ein Unternehmen, das in Europa Dienste an Verbraucher anbietet, an europäische Datenschutzstandards halten muss. Wenn es jetzt in einem nächsten Schritt darum geht, die Rechte der Verbraucher durchzusetzen, dann wird man sich natürlich nicht allein auf das jeweilige Unternehmen, sei es Google, sei es Facebook, verlassen können. Da braucht es dann auch wirkungsvolle übergeordnete Eingriffsmöglichkeiten. Wir als Verbraucherzentralen fordern deshalb seit langem bessere Klagerechte.

LTO: Die sollen Sie nun ja auch bekommen. Das BMJ hat vor kurzem einen Referentenentwurf vorgestellt, der Verbraucherschutzverbänden ein neues Klagerecht einräumt, um Datenschutzverstöße gerichtlich geltend machen zu können. Sollen private Verbände nun richten, was die Datenschutzbehörden nicht mehr schaffen?

Schuldzinski: Es ist in Deutschland gute Tradition und entspricht dem allgemeinen Demokratieempfinden, dass wir als Vertreter der Zivilgesellschaft auch mit darauf schauen, ob das Wirtschaftsleben gut funktioniert. Insofern ist die Klagebefugnis bei Datenschutzverstößen eine konsequente Weiterentwicklung. Natürlich könnte man auch den anderen Weg gehen und die Befugnisse der Datenschutzbehörden immer weiter ausbauen. Aber bei den Verbandsklagerechten zu AGB- und Wettbewerbsverstößen funktioniert unser rechtliches Gegensteuern ja auch ganz gut. Wir machen das seit vielen Jahren erfolgreich, also spricht nichts dagegen, unsere Klagerechte auf den digitalen Markt auszuweiten, wo sich inzwischen ja ein großer Teil des Wirtschaftslebens abspielt. Bei uns häufen sich die Fälle, in denen Verbraucher mitbekommen, dass ihre Daten ohne ihre Zustimmung verkauft wurden. Dagegen können wir im Moment noch nicht vorgehen, und die Verbraucher selbst schrecken meist vor dem Aufwand aus Unsicherheit zurück, zumal der materielle Wert eines solchen Anspruchs schwierig zu fassen ist. Wenn wir klagen, dann gilt die Entscheidung zudem allgemein und nicht nur im Einzelfall.

"Wir sind kein Abmahnverein"

LTO: Neben dem Datenschutz wollen Sie den E-Commerce zum Thema machen. Gerade erst ist wieder eine Reform in Kraft getreten. Sind Verbraucher nun besser geschützt?

Schuldzinski: Teils, teils. Dass Verbraucher jetzt vom Grundsatz her die Rücksendekosten zu tragen haben, wenn der Anbieter dies verlangt, ist natürlich nicht unbedingt eine Verbesserung. Dass es jetzt wesentlich klarere Regelungen gibt, was die Preisgestaltung und die Präzisierung von Lieferfristen betrifft, das sind positive Entwicklungen.

LTO: Für Shop-Betreiber bedeutet das, dass sie unter anderem ihre Widerrufsbelehrungen anpassen müssen. Haben Sie schon untersucht, inwieweit Händler die neuen Vorschriften umsetzen?

Schuldzinski: Wir sind kein Abmahnverein. Wir haben nicht am Tag nach Inkrafttreten der Reform losgelegt, um zu sehen, wer seine Webseite an die neue Rechtsprechung angepasst hat. Wir wissen selbst, dass die Umstellung nicht ganz einfach ist. Sobald uns jedoch begründete Verbraucherbeschwerden vorliegen, werden wir selbstverständlich dagegen vorgehen.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Wolfgang Schuldzinski leitet seit dem 1. Juli 2014 die Verbraucherzentrale NRW.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Verbraucherzentralen wollen Kompetenzen bündeln: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12468 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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