Unternehmenstransaktionen: Die schwierige Frage des fairen Preises

Stefan Herrmann

22.12.2010

Der Erwerb der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB ist nur einer der prominentesten Fälle: Viele Unternehmenskäufe in den Boomjahren 2006 und 2007 liefen zu Preisen ab, die womöglich überteuert waren. Diesem Verdacht wird nun vielerorts nachgegangen. Dabei steht vor allem die Frage im Raum, ob das jeweilige Management seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.

Im Mittelpunkt einer Unternehmenstransaktion steht die zentrale Frage nach der Angemessenheit des Kauf- oder Verkaufspreises: Diese kann durch eine Stellungnahme eines unabhängigen Experten, wie beispielsweise Accuracy, in Form einer so genannten Fairness Opinion beantwortet werden.

Neben der Ermittlung der Angemessenheit erbringt sie zudem den Nachweis, dass die Unternehmensleitung zum Wohle des Unternehmens gehandelt und ihre Transaktionsentscheidung auf Grundlage angemessener Informationen getroffen hat.

Dabei beschränkt sich die Relevanz der Fairness Opinion nicht nur auf Transaktionen und öffentliche Erwerbs- und Übernahmeangebote börsennotierter Unternehmen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG). Sie umfasst auch andere wesentliche unternehmerische Initiativen wie beispielsweise Finanzierungsentscheidungen oder Restrukturierungsmaßnahmen – immer öfter auch bei mittelständischen Unternehmen. Des Weiteren werden Fairness Opinions zunehmend auch rückwirkend als Unterstützung der Argumentationslinie bei gerichtlichen Auseinandersetzungen herangezogen.

Unabhängigkeit entscheidender Punkt bei Vergabe von Fairness Opinion

Für eine Fairness Opinion außerhalb börsennotierter Unternehmen gibt es eine Vielzahl an Anwendungsbeispielen: So kann der Verkauf wesentlicher Vermögenswerte kurz vor einer drohenden Insolvenz oder eine Transaktion innerhalb eines Familienunternehmens mit zahlreichen Anteilseignern eine unabhängige Beurteilung der finanziellen Angemessenheit erfordern.

Aber auch der Kauf eines Unternehmens aus Stiftungsvermögen oder eine Transaktion zwischen einem Joint Venture Unternehmen und einem der Joint Venture Partner sind Beispiele für die Erfordernis einer Fairness Opinion.

Um ein ausreichendes Maß an Objektivität sicherzustellen und das Vertrauen in dieses Instrument zu steigern, wird die Erstellung der Fairness Opinion in Deutschland durch zwei Standards reglementiert. Die "Grundsätze für Fairness Opinions" der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse & Asset Management (DVFA) sowie die "Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions – IDW ES8" des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) sind gleichermaßen anerkannt und bei der Erstellung einer Fairness Opinion anzuwenden.

Fair oder unfair – welche Kriterien werden zugrundegelegt?

Die Fairness Opinion ist demnach die Stellungnahme eines unabhängigen, sachverständigen Dritten zur Angemessenheit der finanziellen Parameter einer Unternehmenstransaktion oder anderer unternehmerischer Entscheidungen im Sinne der Anteilseigner.

Aufgrund ihrer außerordentlichen Bedeutung im Rahmen einer unternehmerischen Initiative sind die Anforderungen an die Unabhängigkeit des Erstellers der Fairness Opinion sehr hoch. So sind Berater, die über eine erfolgsabhängige Vergütungsstruktur an der Begleitung von Transaktionen beteiligt sind, oftmals nicht frei von Interessenskonflikten.

Als Kriterien zur Beurteilung der Fairness wird stets eine unabhängige Bewertung des Transaktionsobjekts unter "stand alone" Gesichtspunkten zu Grunde gelegt. Hierbei werden Discounted Cash Flow-Verfahren angewandt und durch weitere Methoden wie Börsen- oder Transaktionsmultiplikatoren ergänzt. Je nach Perspektive der Fairness Opinion – ob für Käufer oder Verkäufer – sind bei dem Wert des Transaktionsobjektes echte beziehungsweise unechte Synergien zusätzlich zu berücksichtigen.

Entscheidungshilfe, aber keine verbindliche Empfehlung

Diese können sehr vielfältig sein: So ist beim Kauf eines Zulieferunternehmens aus einem insolvenznahen Unternehmen zum Beispiel untersucht worden, in welcher Höhe etwaige Strafzahlungen des Käufers an dessen Kunden anfallen würden, da sich durch die Insolvenz die Lieferung von Produkten des Käufers verzögert hätte. Nur durch den Erwerb des Lieferanten konnte die Bereitstellung kritischer Bauteile sichergestellt und die Zahlung von Pönalen verhindert werden.

Neben Synergien sind im Sinne des IDW ES8 jedoch keine weiteren Faktoren einzubeziehen. Letztere sollten allerdings zur Beurteilung der Angemessenheit ebenso mit herangezogen werden: Ob beispielsweise der Kaufpreis im Rahmen eines Bieterprozesses mit mehreren Teilnehmern und konkurrierenden Geboten zustande kam.

Eine unabhängige Fairness Opinion kann ein wichtiges Element in der Entscheidungsfindung und Absicherung der Unternehmensführung sein. Dabei liefert sie wertvolle Informationen hinsichtlich der Angemessenheit der Transaktion. Darüber hinaus kann sie zur Minimierung des Haftungsrisikos sowie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht beitragen.

Eine Fairness Opinion stellt jedoch keine bindende Empfehlung dar, eine Transaktion tatsächlich durchzuführen. Die finale Entscheidung, ob die Transaktion tatsächlich durchgeführt werden soll, obliegt letztendlich der Unternehmensführung. Ob im Falle der Akquisition der Hypo Alpe Adria durch die Bayern LB eine Fairness Opinion beauftragt wurde, ist öffentlich nicht bekannt. In jedem Fall könnte das damalige Management heute ruhiger schlafen, hätte es eine Fairness Opinion eingeholt.

Stefan Herrmann, Leiter des Bereichs Unternehmensbewertung bei der Corporate Finance Beratung Accuracy, und Michael Borszik beschäftigen sich im Rahmen Ihrer Tätigkeit mit Fragestellungen rund um die Unternehmensbewertung und insbesondere mit Fairness Opinions.

Zitiervorschlag

Stefan Herrmann, Unternehmenstransaktionen: . In: Legal Tribune Online, 22.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2209 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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