Über das geplante EU-USA-Freihandelsabkommen wird zwar viel diskutiert. Die Frage, ob die EU überhaupt die nötige Rechtsetzungskompetenz hat, bleibt jedoch meist unberücksichtigt. Felix Ekardt meint, dass neben den Organen der EU auch die nationalen Parlamente in die Ratifikation einbezogen werden müssten. Darüber allerdings könnte das Abkommen kippen.
Die zwischen der EU und den USA geplante Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) wird immer breiter kritisiert, trotz oder gerade wegen der öffentlich nicht zugänglichen Verhandlungstexte. Manche bezweifeln bereits, dass durch das Abkommen überhaupt nennenswerte ökonomische Vorteile erzielt werden können. Andere fürchten eine Unterminierung des Umweltschutzes, wenn etwa die Beachtung des jeweils geringsten Schutzstandards eines der Abkommenspartner für alle Partner als ausreichend gelten sollte. Auch ein Eingriff in die demokratischen Entscheidungsspielräume kann sich ergeben, wenn Unternehmen die Möglichkeit erhalten, vor Schiedsgerichten Schadensersatz gegen Nationalstaaten auf Grund von politischen Entscheidungen einzuklagen.
Wenig beachtet wird bisher hingegen die juristische Frage, ob die EU überhaupt die Rechtsetzungskompetenz für ein solches Abkommen hat. Würde es ihr daran mangeln, müssten in die Ratifikation des Abkommens auch die nationalen Gesetzgeber einbezogen werden. Bekanntlich sind damit in der EU insgesamt 28 nationale Parlamente angesprochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Abkommen abgesegnet wird, dürfte dann angesichts des öffentlichen Widerstandes auf ein Minimum sinken.
Grundlagen der EU-Gesetzgebungskompetenzen
Ob die EU die Kompetenz für ein Freihandelsabkommen hat, beurteilt sich nach ihrer eigenen "Verfassung", insoweit also nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Euro-päischen Union (AEUV). Gemäß Art. 216 AEUV kann die EU – allein – völkerrechtliche Verträge schließen, wenn sie für die betroffenen Sachmaterien die Gesetzgebungskompetenz hat. Das konkrete Rechtsetzungsverfahren unter Einbeziehung von Europaparlament, Rat und Kommission ergibt sich aus Art. 218 AEUV.
Welche konkreten Gesetzgebungsmaterien der EU zugewiesen sind, beurteilt sich wegen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EU-Vertrag) ausschließlich danach, ob der EU im AEUV die jeweilige Kompetenz ausdrücklich zugewiesen ist. Art. 4, 26 und 114 AEUV enthalten insoweit die zentrale EU-Kompetenz für das Funktionieren und den weiteren Ausbau des Binnenmarktes. Da ein Freihandelsabkommen mit den USA den Binnenmarkt und die mit ihm verfolgten Ziele voranbringen soll, könnte schon dies ein Anhaltspunkt für die Kompetenz der EU sein. Ferner erteilt ihr Art. 212 AEUV eine Kompetenz für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Drittländern. Vor allem aber geben Art. 206, 207 AEUV der EU explizit eine Kompetenz für Fragen der gemeinsamen Handelspolitik.
EU-Kompetenz für Freihandelsabkommen?
Letztlich ist ohne Kenntnis des konkret geplanten – noch geheimen – TTIP-Textes nicht abschließend zu beurteilen, ob diese Normen als Grundlage für eine alleinige EU-Kompetenz ausreichen. Dennoch ist eine vorläufige Einschätzung möglich. Grundsätz-lich erklären die genannten Normen die EU gerade für Fragen des Freihandels für zu-ständig. Allerdings ergibt sich aus dem AEUV keine umfassende Kompetenz, bei-spielsweise über die Rahmenbedingungen für die öffentliche Daseinsfürsorge in den Mitgliedstaaten zu entscheiden. Sollte deren Zulässigkeit durch das TTIP direkt oder indirekt reguliert werden, könnte eine Zustimmung der Mitgliedstaaten erforderlich sein. Gleiches gilt für Regelungen zum Bereich Kultur, in dem die EU nach Art. 6 und 167 AEUV nur eine ergänzende, aber keine originäre und umfassende Gesetzgebungs-kompetenz hat.
Bis hierher erscheint die EU-Kompetenz also in Teilen zweifelhaft und damit eine Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an der Ratifikation des TTIP zwingend angeraten, allein schon um die nötige Rechtssicherheit herzustellen. Dieses Bild verfestigt sich, wenn man zwei weitere Anhaltspunkte einbezieht. Gemäß Art. 207 AEUV sind "ausländische Direktinvestitionen" und eine Vereinheitlichung von "Liberalisierungsmaßnahmen" gerade ein zulässiger Gegenstand der EU-Gesetzgebung. Beides dürfte wesentlich für das TTIP sein, wobei die Begriffe möglicherweise so weit auszulegen sein könnten, dass sie auch den Dienstleistungsbereich einschließlich der Daseinsfürsorge abdecken.
Felix Ekardt, Europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11412 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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