"O2 can’t do" – der Werbeslogan erweist sich für die Telekom als unzulässige, weil herabsetzende Werbung. Der blaue Konkurrent hat offenbar eine einstweilige Verfügung gegen den magentafarbenen Riesen erwirkt. Grundsätzlich erlaubt, muss vergleichende Werbung wettbewerbsrechtliche Grenzen einhalten. Die Frage nach "can oder can’t?" in der Werbung beantwortet Ingo Jung.
"Wer nicht vergleicht ist blöd." So lautet schon der berühmte Slogan eines bekannten Elektronikdiscounters. Das gilt bei Computern & Co. genauso wie bei dem Mobilfunkanbieter des Vertrauens. Der Markt ist heiß umkämpft, so dass viele Mittel recht zu sein scheinen. Die Telekom hatte O2 aufs Korn genommen und die zunehmenden Netzprobleme ihres Mitbewerbers in einer provokanten Werbekampagne thematisiert. Dabei hatte die Telekom insbesondere den bekannte Werbeslogan von O2 umgedichtet und mit dem Claim "O2 can´t do" gegen den Konkurrenten selbst gerichtet.
So etwas kommt beim Verbraucher an. Doch die vergleichende Werbung trägt im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht ein sehr enges Korsett. Neben der Objektivität und Nachprüfbarkeit des Vergleiches stellt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) weitere unabdingbare Voraussetzungen für einen zulässigen Werbevergleich auf. Unternehmen und Agenturen versuchen daher gerne, Werbevergleiche mit humorvollen Untertönen oder ironischen Darstellungen aus diesen Zwängen zu befreien. Hiermit bewegen sich die Werbeleute auf dünnem Eis, denn sie laufen Gefahr, mit pointierten Überspitzungen oder Pauschalisierungen die Grenze zur unzulässigen Herabsetzung des betroffenen Mitbewerbers zu überschreiten.
Die Telekom scheint zu weit gegangen zu sein: Zwar hatte O2 zwischenzeitlich in entsprechenden Informationsforen insbesondere Kapazitätsengpässe aufgrund von Netzüberlastungen eingeräumt. Andererseits aber hatte der Mobilfunkanbieter Medienberichten zufolge zugleich im Verfügungswege die Kampagne der Telekom gerichtlich gestoppt.
Kritik ist der vergleichenden Werbung immanent
Es ist davon auszugehen, das O2 das gerichtliche Verbot mit Blick auf das Vorliegen einer unzulässig herabsetzenden oder verunglimpfenden vergleichenden Werbung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG erzielt hat.
Vergleichende Werbung liegt immer dann vor, wenn eine Äußerung auf einen Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen Bezug nimmt. Werbung erfüllt aber nur dann ihren Zweck, wenn sie die Leistungen des werbenden Unternehmens anpreisend herausstellt. Es liegt in der Natur der Sache, dass damit zwangsläufig eine Abgrenzung gegenüber dem Angebot der Mitbewerber verbunden ist. Die Rechtsprechung weist daher immer wieder darauf hin, dass für einen kritischen Werbevergleich die Gegenüberstellung der Vorteile und Nachteile der verglichenen Produkte typisch ist.
Reklame ist immer dann zulässig, wenn sich die angegriffene Werbeaussage noch in den Grenzen einer sachlich gebotenen Erörterung hält. Angreifbar wird sie erst, wenn sie die fremden Erzeugnisse pauschal abwertet. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt hierzu, dass zu den mit Vergleichen zwangsläufig verbundenen negativen Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die die Werbung als unangemessen abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen (Urt. v. 12.7.2001, Az. I ZR 89/99 - Preisgegenüberstellung im Schaufenster; Urt. v. 17.1.2002, Az. I ZR 161/99 - Hormonersatztherapie).
"Gib mal Zeitung!"
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Werbung zu einem nicht unerheblichen Teil von Humor und Ironie lebt und begleitet wird. Wo genau dabei die Grenze zu der nicht hinnehmbaren Herabsetzung verläuft, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
Der BGH hatte im Jahr 2009 insofern seine Rechtsprechung zu den Grenzen humorvoller Werbevergleiche konkretisiert. In einem Kino-Spot hatte "die tageszeitung" (taz) die BILD-Zeitung und Ihre Leser karikiert, indem Sie einen in Unterhemd und Jogginghose gekleideten Zeitungskäufer und einen Kioskinhaber in einer Verkaufssituation zeigten, die ironisch auf den Unterschied zwischen dem klassischen BILD-Zeitungsleser und dem anspruchsvolleren taz-Leser anspielte.
Die BILD-Zeitung sah in diesem Werbespot eine nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG unlautere vergleichende Werbung. Die Karlsruher Richter erkannten in der beanstandeten Werbung hingegen lediglich eine humorvolle Überspitzung, mit der die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten geweckt und nicht die BILD-Zeitung oder deren Leserschaft pauschal abgewertet werden solle (Urt. v. 01.10.2009, Az. I ZR 134/07 – Gib mal Zeitung).
Um die Zulässigkeit eines Werbevergleichs beurteilen zu können, muss nach Ansicht des BGH auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers" abgestellt werden. Dieser sei zunehmend an pointierte Aussagen in der Werbung gewöhnt. Eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte stelle daher erst dann eine unzulässige Herabsetzung dar, wenn sie den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgebe oder von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und als Abwertung verstanden werde.
Mehr Ironie in der Werbung – aber bitte mit Augenmaß
Solange das Unternehmen also mit ironischen Anklängen lediglich Aufmerksamkeit und Schmunzeln erzielt, mit ihnen aber - weil der Verkehr die Aussage nicht wörtlich und damit ernst nimmt - keine Abwertung des Mitbewerbers oder des konkurrierenden Angebots verbunden ist, ist alles in Ordnung.
Genau diese Grenze dürfte die Telekom jedoch mit Ihrer Werbekampagne "O2 can´t do" überschritten haben. Der Konkurrent wurde recht plakativ und ganz pauschal aufgrund einer konkreten Schwäche bezüglich seiner Leistungsfähigkeit herabgesetzt. Dies gilt umso mehr, als hierbei der bekannte und mit erheblichen Investitionen im Markt platzierte Claim des Mitbewerbers instrumentalisiert worden ist, wofür kaum ein Gericht Verständnis zeigen dürfte. Im Ergebnis vermischt sich dabei nämlich untrennbar ein humorvoller Teil mit einer sachbezogenen Aussage. Das hat zur Folge, dass sich – trotz des erkennbaren leichten Augenzwinkerns - für den Betrachter eine allgemeine Abwertung der Konkurrenzprodukte von O2 ergibt.
Für den Werbenden dürfte es sich allerdings gerade im Lichte der jüngeren BGH-Rechtsprechung unverändert lohnen, mit Augenmaß die Grenzen zwischen Humor und Herabsetzung zu strapazieren, da sich eine solche Werbung – auch wenn Sie nur kurz am Markt ist – dem Betrachter gut einprägt. Zudem gilt der bekannte Grundsatz hier einmal umgekehrt, dass derjenigen, der den Spott hat, für den Schaden erst gar nicht sorgen muss. Dem Betroffenen dürfte es nämlich kaum gelingen, einen Schadensersatzanspruch gegen den Werbenden durchzusetzen, da hier meist nur ein so genannter Marktverwirrungsschaden in Rede steht, der schwerlich zu beziffern ist.
Scherz und Ironie gehören in die oftmals triste deutsche Werbelandschaft. Allerdings sollte man sich dabei von den zum Teil auch markenrechtlich geschützten Besitzständen (Slogans etc.) des Mitbewerbers fernhalten und stattdessen auf wirklich humorvolle Anspielungen und Übertreibungen setzen. Oder auch einmal mutig das Stilmittel der Selbstironie nutzen.
Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln.
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Ingo Jung, Telekom-Werbung vs. O2: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5108 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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