Deutschland und die Schweiz haben sich auf ein Abkommen geeinigt. Danach bleibt das Schweizer Bankgeheimnis grundsätzlich unangetastet. Einer Durchsetzung von Steueransprüchen des deutschen Fiskus soll es künftig aber nicht mehr im Weg stehen.
Am 10. August 2011 haben in Bern die Unterhändler von Schweiz und Deutschland nach langen und zähen Verhandlungen das neue Steuerabkommen paraphiert. Bereits am 27. Oktober 2010 hatten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der schweizerische Bundesrat Hans-Rudolf Merz eine gemeinsame Erklärung zur Aufnahme von Verhandlungen im Steuerbereich zwischen beiden Ländern unterzeichnet.
Seitdem verhandelten beide Regierungen über die konkreten Inhalte eines gemeinsamen Abkommens, das zu einer fairen und dauerhaften Lösung im Interesse beider Staaten führen sollte: Die Schweizer forderten, den mit dem Bankgeheimnis gesetzlich festgeschriebenen Schutz der Privatsphäre ihrer Bankkunden zu respektieren, damit deutsche Kunden insbesondere auch zukünftig nicht davor zurückschrecken, ein Konto in der Schweiz zu halten. Die Deutschen hingegen verfolgten das Ziel, langfristig und nachhaltig die Durchsetzung von Steueransprüchen des deutschen Fiskus zu gewährleisten. Schätzungen zu Folge sollen deutsche Staatsbürger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro auf Schweizer Konten deponiert haben.
Verhandelt wurde über eine Regelung, nach der Kapitalerträge, die deutsche Staatsbürger in der Vergangenheit in der Schweiz erzielt hatten, versteuert und damit legalisiert werden sollten. Für die Zukunft sollten Schweizer Banken verpflichtet werden, für deutsche Steuerpflichtige die Steuer abzuführen und in anonymisierter Form an den deutschen Fiskus zu übermitteln. Damit wäre die Steuerpflicht in Deutschland erfüllt und bliebe der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt weiterhin anonym, falls er seine Kontoguthaben und Erträge in der Schweiz nicht ohnehin schon offengelegt hat.
Wahlrecht: Einmalige Steuerzahlung oder Offenlegung der Konten
Über die Details dieser geplanten "Steueramnestie", insbesondere zur Höhe des Steuersatzes, hatten die Regierungen bislang Stillschweigen gewahrt. Medienberichten zu Folge stand zunächst eine Nachzahlung von 30 Milliarden Euro im Raum sowie eine Abgeltungssteuer von 35 %. Zuletzt hatte sich die Höhe der Nachzahlungen auf insgesamt zwei Milliarden Schweizer Franken und der Prozentsatz der künftigen Abgeltungssteuer auf 26 % reduziert.
Seit vergangenem Dienstag haben Schweizer Banken und ihre deutschen Kunden Gewissheit darüber, was sie erwartet. Laut einer Pressemitteilung des deutschen Bundesfinanzministeriums sieht das Abkommen, das in den nächsten Wochen durch beide Regierungen unterzeichnet werden soll, Folgendes vor:
Das Abkommen stellt deutsche Kunden von Schweizer Banken vor die Alternative: Entweder leisten sie eine einmalige Steuerzahlung, deren Höhe zwischen 19 % und 34 % ihres in der Schweiz angelegten Vermögensbestands liegen soll und sich nach der Dauer der Kundenbeziehung sowie der Höhe ihres Kapitals bemisst, oder sie legen ihre Schweizer Konten und Guthaben gegenüber den deutschen Behörden offen.
Zusätzlich werden die Schweizer Banken zu einer pauschalen Abschlagszahlung in Höhe von zwei Milliarden Schweizer Franken verpflichtet.
Abgeltungsteuer auf zukünftige Erträge
Künftige Kapitalerträge deutscher Bankkunden in der Schweiz unterliegen, derzeitiger innerdeutscher Regelung entsprechend, einer Abgeltungsteuer in Höhe von rund 26 %, die von den Schweizer Banken ohne Namensnennung des Kunden abgeführt wird.
Darüber hinaus soll deutschen Steuerbehörden zukünftig die Möglichkeit eingeräumt werden, in begrenztem Umfang Auskunftsersuchen an die Schweizer Behörden zu richten. Um Ersuchen zu Ausforschungszwecken, so genannte "Fishing Expeditions", zu verhindern, sind diese aber zahlenmäßig beschränkt und bedürfen eines besonderen Anlasses. Weiter soll nach der Pressemitteilung des deutschen Bundesfinanzministeriums auch die Problematik des Kaufs steuererheblicher Daten und einer möglicher Strafverfolgung von Bankmitarbeitern gelöst worden sein. Was im Einzelnen genau darunter zu verstehen ist, bleibt nunmehr abzuwarten.
Das Armdrücken zwischen Deutschland und der Schweiz scheint damit vorüber zu sein. Für alle Seiten erscheint diese Regelung nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht ein vorteilhafter Kompromiss: Für die deutschen Kunden von Schweizer Banken, da sie nunmehr etwaiges Schwarzgeld legalisieren und dabei anonym bleiben können. Für die Schweizer Banken, da sie so künftig vom Pauschalverdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung deutscher Kunden befreit werden könnten. Die Schweiz hat noch einmal den Nimbus ihres Bankgeheimnisses erfolgreich verteidigt. Deutschland konnte neben der kürzlich in Kraft getretenen Beschneidung der Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige einen weiteren großen Schritt in der Verschärfung der Bekämpfung von Steuerhinterziehung gehen.
Dr. Heiner Hugger ist Partner, Dr. Beatrix Elsner ist Associate im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.
Mehr auf LTO.de:
Steuerdaten-CDs: Bundesregierung muss internes Gutachten herausgeben
Selbstanzeigen: Der Weg zurück in die Legalität
Heiner Hugger und Beatrix Elsner, Steuerabkommen mit der Schweiz: . In: Legal Tribune Online, 11.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4000 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag