Regulierung der Suizidhilfe: Diese Gesetz­ent­würfe sind im Bun­destag

von Thomas Reintke

27.06.2022

Am Freitag hat der Bundestag über drei Gesetzesvorschläge zur Regulierung der Suizidhilfe debattiert. Eine Neuregelung ist notwendig, weil das BVerfG das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig hält.

Es war ein ziemlicher Kracher, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nach § 217 Strafgesetzbuch (StGB) für verfassungswidrig erklärte. In einem äußerst umfangreichen Urteil zerlegten die Richter:innen die Norm und machten eine klare Ansage an den Gesetzgeber: Menschen, die sterben möchten — ganz gleich aus welchen Beweggründen —, haben ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das gegenwärtig auch die Inanspruchnahme von geschäftsmäßiger Hilfe durch Dritte umfasst.

Für eine neue Regelung hat das BVerfG zudem Leitplanken vorgegeben, die die die Gesetzesentwürfe beachten müssen, die am Freitag im Bundestag debattiert wurden.

So muss nach der BVerfG-Entscheidung als Grundvoraussetzung einer Suizidhilfe zum Schutz der autonomen Entscheidungsfindung die Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit des Sterbewunsches gesetzlich sichergestellt werden. Das dafür zu entwerfende Schutzkonzept darf aber eben nicht so restriktiv sein, dass es Sterbewilligen die Möglichkeit zur assistierten Selbsttötung faktisch verwehrt. Das war beim alten § 217 StGB mit dem Pauschalverbot der geschäftsmäßigen Förderung der Fall. Welche Vorschläge kommen nun aus den Reihen des Bundestags?

Erster Entwurf: Suizidhilfe innerhalb von elf Tagen

Eine interfraktionelle Gruppe von 68 Abgeordneten um Katrin Helling-Plahr (FDP) hat einen Entwurf vorgelegt, wonach qualifizierte Ärzt:innen letal wirkende Medikamente verschreiben können, wenn sie von einer freien und dauerhaften Entscheidung ausgehen. Voraussetzung ist, dass sich die Sterbewilligen höchstens acht Wochen zuvor von einer unabhängigen Beratungsstelle haben beraten lassen, wo sie über Alternativen aufgeklärt und dazu befähigt werden sollen, eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Von einer Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches kann seitens der Ärzt:innen grundsätzlich erst ausgegangen werden, wenn seit der Beratung zehn Tage vergangen sind, so der Entwurf. Wenn alles glatt läuft, könnte man sich also binnen elf Tagen ein tödliches Medikament besorgen.

Zweiter Entwurf: Schnellere Hilfe bei medizinischen Notlagen

In einem zweiten Entwurf von einer Gruppe aus 45 Abgeordneten aus unterschiedlichen Fraktionen um Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) wird für die Ausgabe von tödlichen Medikamenten danach differenziert, ob eine medizinische Notlage vorliegt oder nicht. Wer nicht an einer schweren Erkrankung leidet, soll seinen Sterbewunsch schriftlich dokumentieren und sich von einer zugelassenen und unabhängigen Beratungsstelle zweimal im Abstand von mindestens zwei und höchstens zwölf Monaten beraten lassen.

Danach soll das Medikament dann — anders als beim ersten Entwurf — nicht durch Private, sondern durch eine Behörde verschrieben werden. Bei Patient:innen in medizinischen Notlagen sollen hingegen auch die direkt behandelnden Ärzt:innnen zuständig sein. Voraussetzung ist, dass der Wunsch schriftlich fixiert wurde, eine Aufklärung stattgefunden hat und aus ärztlicher Sicht feststeht, dass es sich um einen in absehbarer Zeit nicht mehr veränderlichen Sterbewunsch handelt.

Zur Vergewisserung muss eine zweite Ärzt:in diesen Eindruck mit einem Abstand von zwei Wochen bestätigen, wie dieser Entwurf es vorsieht.

Dritter Entwurf: Ein neuer § 217 StGB

Ein dritter Entwurf wurde von einer ebenfalls interfraktionellen Gruppe von 85 Abgeordneten um Lars Castellucci (SPD) eingebracht und sieht ein erneutes Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung durch einen neuen § 217 StGB vor. Anders als bei dem alten § 217 StGB soll es eine Ausnahmeregelung geben, wonach eine Förderungshandlung unter bestimmten (im Vergleich zu den Schutzkonzepten der anderen Gesetze recht engen) Voraussetzungen nicht rechtswidrig ist.

Dazu muss sich die suizidwillige Person vorher mindestens zwei Mal im Abstand von mindestens drei Monaten psychiatrisch untersuchen lassen und an einem Beratungsgespräch teilnehmen. Nach der letzten Untersuchung müssen mindestens zwei Wochen und dürfen maximal zwei Monate bis zur Selbsttötung vergehen. Flankiert werden soll das Verbot von einem § 217a StGB, der die Werbung für die Förderung der Selbsttötung verbieten soll (ähnlich wie § 219a StGB bei Schwangerschaftsabbrüchen, der am Freitag unmittelbar vor der Beratung zur Suizidhilfe vom Bundestag gestrichen wurde.

Jetzt geht's im Rechtsausschuss weiter

Der Bundestag hat im Anschluss an die Debatte den Rechtsausschuss für federführend erklärt. Dort wird man im Kern darüber diskutieren, ob ein neuer § 217 StGB die Möglichkeit zur assistierten Selbsttötung zu stark beschränkt bzw. ob die beiden liberaleren Entwürfe die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches hinreichend sicherstellen.

Man darf gespannt sein, in welcher Form die Entwürfe nach der Sommerpause zurück ins Plenum kommen. Zu einer Abstimmung unter Aufhebung des Fraktionszwangs wird es dann wohl erst im Herbst kommen.

Zitiervorschlag

Regulierung der Suizidhilfe: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48856 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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