Die Welt am Sonntag spürt den Machenschaften eines Netzwerks fragwürdiger Datingportale nach. Aufsichtsratsvorsitzender eines der beteiligten Unternehmen soll Staranwalt Ralf Höcker sein, auch weitere Anwälte sind involviert.
In einem ausführlichen Beitrag beschreibt die Welt am Sonntag die Praktiken von Flirt- und Datingseiten, deren Geschäftsmodell darin besteht, Kunden mit fragwürdigen Mitteln in kostenpflichtige Abos zu locken. So würde Besuchern von dateformore.de zunächst der Abschluss einer Testmitgliedschaft zum Preis von einem Euro* angeboten, ohne jedoch hinreichend klar darauf hinzuweisen, dass diese sich später automatisch in ein kostenpflichtiges Modell verwandelt. Auf das gesetzliche Widerrufsrecht müssten sie verzichten, Kündigungen würden weder per Mail noch per Fax entgegengenommen und etwaige Rückbuchungen durch eine Inkasso-Firma sanktioniert.Die Kündigung über das Online-Interface von dateformore.de ist allerdings möglich; der Ausschluss von Mail und Fax geschieht nach Erklärung der Betreiber aus Sicherheitsgründen*.
Die Seite ist bei den Verbraucherzentralen und in Internetforen für Geschädigte keine Unbekannte; nach Einschätzung von aboalarm.de soll sie zu einem ganzen Netzwerk vergleichbarer Angebote zählen. In rund 200 Fällen will Aboalarm für Kunden des Datingnetzwerks Anwälte eingeschaltet haben – und sei dabei, womöglich zur Vermeidung gerichtlicher Aufklärung und in deutlichem Kontrast zum vorherigen Vorgehen, plötzlich auf das größte Entgegenkommen gestoßen. Die Betreiberin von dateformore.de betont hingegen, dass gütliche Beilegungen von Streitigkeiten aus Kulanzgründen geschahen*.
Wer steckt hinter den Datingseiten?
Auch die Erreichbarkeit der Betreiber erweckt keinen unbedingt vertrauenserweckenden Eindruck. Das Impressum von Dateformore weist die Ideo Labs GmbH als Betreiberin aus, dies jedoch zunächst mit einer falschen Adresse, später mit einer solchen, an der Post lediglich entgegen genommen und an einen unbekannten Empfänger weiterverschickt wird. Auf Umwegen und über die teils eidesstattlichen Versicherungen mehrerer Mitarbeiter identifiziert der Bericht der Welt die Internetone AG als Beteiligte im Betrieb der Datingseiten; sie soll insbesondere für Programmierung und Marketing bei Dateformore und ähnlichen Plattformen gesorgt haben und unter der heimlichen Leitung eines Herren K. stehen.
Der Name dürfte nur bei Kennern der Dating-Szene einen Aha-Effekt erzeugen. Ganz anders hingegen derjenige des Aufsichtsratsvorsitzenden der Internetone AG: Prof. Dr. Ralf Höcker ist wohl einer der bekanntesten Anwälte des Landes, gern gesehener Gast in zahlreichen Talk-Runden und Rechtsbeistand für Prominente wie Heidi Klum oder Felix Magath. In ihrem Auftrag versucht der erfahrene Medienprofi, unliebsame Berichterstattung zu verhindern oder zu sanktionieren. Gegen die Bild-Zeitung, die ebenso wie die Welt beim Springer-Verlag erscheint, führt er aktuell vor dem Landgericht Köln eine Rekordklage in Millionenhöhe wegen ihrer Berichterstattung zum Fall von Jörg Kachelmann. Er ist zudem Autor diverser Rechtsratgeber – darunter das "Lexikon der Internetfallen: Was Ihnen im Internet blühen kann und was Sie dagegen tun können".
Zwei Firmen, drei Anwälte, viele offene Fragen
Zudem besitzen sowohl die Ideo Labs als auch die Internetone als auch K. denselben Rechtsbeistand: Einen Partner aus Höckers Kanzlei. Nach seiner Erklärung sei die Ideo Labs tatsächlich Betreiberin von Dateformore; die Internetone hingegen biete die Entwicklung von Online-Angeboten und Werbedienstleistungen an. Die Kündigungsregeln der Datingportale bewegten sich im rechtlich zulässigen und üblichen Rahmen, auch die Zahl von 200 gütlich beigelegten Streitigkeiten sei wohl zu hoch gegriffen.
Neben Höcker und seinem Partner taucht noch der Name eines dritten Anwalts auf, dessen Kanzlei ebenso wie diejenige Höckers und die Internetone AG in Köln ansässig ist. Laut Handelsregister ist er der Eigner der Internetone AG, bis vergangenen Monat gehörte seiner Kanzlei auch die Ideo Labs GmbH. Dies jedoch angeblich nur als Treuhänder für einen unbenannten Dritten; mit dem Betrieb der Datingseiten hätten er und seine Kanzlei nichts zu tun. Das erklärt er freilich nicht selbst, sondern vertreten durch? Genau: Höckers Kanzlei-Partner.
Manches bleibt dunkel im Sachverhalt. K., der laut Aussage diverser Ex-Mitarbeiter hinter den Angeboten stehen soll, hat sich nicht zu Wort gemeldet. Wie weit der Betrieb der Datingportale tatsächlich durch die Ideo Labs oder die Internetone organisiert wurde, ist unklar, ebenso der Grad der Kenntnis und die etwaige Beteiligung der Kölner Anwälte hieran. Besonders Höcker wird sich angesichts der dichten geographischen und (gesellschafts-)rechtlichen Verflechtungen und seiner Position als Aufsichtsratsvorsitzender eines der Unternehmen jedoch wohl manch kritisches Nachhaken gefallen lassen müssen. Der Welt hat er auf ihren Fragenkatalog übrigens geantwortet. Bloß was, ist unbekannt: Der gewiefte Medienrechtsexperte hat den Abdruck seiner Antwort verboten.
Update, 29.06.2015, 15:45: Offenbar hat Ralf Höcker als Reaktion auf die Berichterstattung der Welt sein Aufsichtsratsmandat bei der Internetone AG niedergelegt. Er sei dort lediglich als Medienrechtsexperte berufen gewesen und hätte mit dem operativen Geschäft nichts zu tun gehabt, erklärte er gegenüber Meedia.
* Update, 6.7.2015, 7:34: Die Hinweise darauf, dass die Testmitgliedschaft einen Euro kostet, dass man per Online-Formular kündigen kann, und dass die Betreiberin von Dateformore erklärt, Streitigkeiten seien aus Kulanz gütlich beigelegt worden, wurden nachträglich ergänzt. Näheres dazu finden Sie hier.
Constantin Baron van Lijnden, Recherche der Welt am Sonntag: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16020 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag