Keine Ermittlungen gegen AfD-Politiker: Vom "Neger" und seinen Krank­heiten

von Maximilian Amos

12.02.2019

Die StA Traunstein ermittelt nicht gegen den AfD-Politiker und Bayerns MdL Andreas Winhart. Der war in die öffentliche Kritik geraten, weil er auf einer Wahlkampfveranstaltung "Neger" mit Krankheiten in Verbindung brachte.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft (StA) in Traunstein ist das Wort "Neger" und die Zuschreibung von Krankheiten an dunkelhäutige Menschen im politischen Meinungskampf keineswegs tabu. Die Strafverfolger aus der Kleinstadt im Regierungsbezirk Oberbayern verzichten daher auf ein Ermittlungsverfahren gegen den AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Winhart.

Wie die Behörde am Dienstag mitteilte, habe man mehrere Strafanzeigen gegen den Politiker geprüft, allerdings kein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. Stein des Anstoßes für die Anzeigen offenbar gleich mehrerer Mitbürger war eine Äußerung Winharts auf einer Wahlkampfveranstaltung am 30. September vergangenen Jahres in Willing bei Bad Aibling.

"Wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger [...] anhustet, dann muss ich wissen, ist er krank oder ist er nicht krank", hatte der Politiker damals gesagt. Außerdem erklärte er, wer in Zukunft nicht wolle, dass Albaner und Kosovaren als Pflegekräfte ins Haus kämen und dann "die Bude ausräumen", müsse statt der CDU die AfD wählen.

Der Tatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Relevant ist in diesem Fall vor allem Abs. 1 Nr. 2, der vorgibt: "Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,  [...] die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe (u. a. ethnische Gruppen, Anm. d. Red.), Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

BVerfG fordert meinungsfreundlichste Auslegung

Während dunkelhäutige Personen wohl unschwer als ethnische Gruppe auszumachen sein dürften, kann auch die Insinuierung, dass diese ansteckende Krankheiten hätten, durchaus als tatbestandsmäßig gelten. Ein Beschimpfen setzt eine nach Inhalt und Form besonders verletzende Kundgabe der Missachtung voraus, während Verleumden das "bewusst wahrheitswidrige Aufstellen unwahrer Tatsachenbehauptungen" meint, welches das Ansehen der Betroffenen herabzuwürdigen geeignet ist (Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB 2016). In subjektiver Hinsicht genügt, wie gewöhnlich, das billigende Inkaufnehmen der Tatbestandsverwirklichung.

Die Norm ist, wie schon die Voraussetzung der Störung des öffentlichen Friedens andeutet, durchaus auslegungsfähig und auch -bedürftig. Die grundrechtlich garantierte Meinungsfreiheit spielt hier eine große Rolle, gerade in der politischen Auseinandersetzung. Darauf rekurrierten denn auch die Traunsteiner Behörde, die erklärte, polemische Zuspitzungen und bewusste Provokationen seien im politischen Meinungskampf besonders geschützt. "Der Umstand, dass die Äußerungen beleidigend und beschimpfend gegenüber Bevölkerungsgruppen sind, genügt alleine aber nicht, um den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen", so die StA in ihrer Pressemitteilung.

Und in der Tat: Die Meinungsfreiheit, so entschied es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und so lernt man es im Jurastudium, gebietet eine besonders meinungsfreundliche Auslegung des Gesagten. Ist auch eine Auslegung einer Äußerung denkbar, die den Tatbestand nicht erfüllen würde, so ist die Äußerung nicht strafbar (u. a. BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991, Az. 1 BvR 1555/88).

Die Aussagen Winharts in Bezug auf schwarzafrikanische Flüchtlinge stünden im Zusammenhang mit weiteren Äußerungen zur Gesundheitspolitik, argumentiert die StA Traunstein. Es könne daher "nicht ausgeschlossen werden, dass sich Andreas Winhart für eine gesundheitspolitische Maßnahme aussprechen wollte".

Rechtsprechung im politischen Meinungskampf großzügig

"Nach der Rechtsprechung des BVerfG gelten im politischen Meinungskampf sehr großzügige Regeln", erläutert Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel von der Universität Augsburg gegenüber LTO. Und zur "Neger"-Bezeichnung speziell meint er: "Das ist eine tumbe und abstoßende Äußerung. Aber nicht alles, was tumb und abstoßend ist, ist auch strafwürdig". Es sei gut möglich, findet Kubiciel, dass sich die Entscheidung der StA in Einklang mit der Verfassungsrechtsprechung bringen lasse.

Anders könnte der Fall möglicherweise gelagert sein, wenn man in Winharts Äußerung über die Krankheiten von dunkelhäutigen Menschen eine Tatsachenbehauptung erkennen möchte. Denn eine solche ist bei der verfassungsrechtlichen Abwägung zu allererst an ihrem Wahrheitsgehalt zu messen. Falsche Tatsachenbehauptungen unterfallen nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschl. v. 12.11.2002, Az. 1 BvR 232/97).

StA: "Die Bude ausräumen" muss keine Straftat meinen

Auch die Äußerung des bayerischen Abgeordneten über Albaner und Kosovaren sei nicht tatbestandsmäßig, findet die StA. So sei zu berücksichtigen, teilt die Behörde mit, dass diese auf einer Wahlkampfveranstaltung getroffen wurde und "keine ausdrückliche Bezeichnung dieser Personen als Straftäter" erfolgt sei. "Die Bude ausräumen" könne demnach auch als nicht strafbar interpretiert werden.

Im weiteren Verlauf seiner Auslassungen brachte Winhart auch die Möglichkeit ins Spiel, Seenotrettungsschiffe zu versenken. Auch hierin wollte die StA keine strafbare Handlung sehen. Eine Strafbarkeit wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sei mit dieser Äußerung "nicht belegbar", teilte sie mit. "Seine Äußerung muss nicht zwingend dahingehend verstanden werden, dass er tatsächlich zum Versenken von Schiffen aufrufen wollte. Aufgrund des Gesamtzusammenhangs kommt auch eine Interpretation der Passage als Aufruf zur Änderung der Flüchtlingspolitik dahingehend, dass weniger Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden, in Betracht."

Maßstab ist - wie so häufig - dabei der Horizont des objektiven Dritten: Entscheidend für die Auslegung des Gesagten ist vor allem, wie es von einem Durchschnittsmenschen verstanden werden muss, dem die politische Einstellung des Erklärenden bekannt ist (BGH, Urt. v. 20.09.2011, Az. 4 StR 129/11).

Zitiervorschlag

Keine Ermittlungen gegen AfD-Politiker: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33819 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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