LG Gera muss neuen Zschächner-Fehler beseitigen: Natur­f­reund statt PKK-Sym­pa­thi­sant durch­sucht

von Dr. Markus Sehl

26.04.2019

Der umstrittene Geraer Staatsanwalt hat rechtswidrig die Privatwohnung eines Erfurters durchsuchen lassen – wegen Terrorpropaganda für die PKK. Dabei war der verfolgte Mann nur Vorsitzender der Naturfreundejugend.

Die Reihe der Verfahren, in denen der Geraer Staatsanwalt Martin Zschächner tendenziös entschieden haben soll, ist lang. Er soll immer wieder Rechte und AfD-Politiker geschont und Linke eifrig verfolgt haben. Den Höhepunkt markierte das mittlerweile durch die Generalstaatsanwaltschaft eingestellte Verfahren gegen die Aktionskünstler vom Zentrum für politische Schönheit. Nun kommt offenbar ein weiterer Fall dazu.

Anfang März 2018 ließ Zschächner die Privatwohnung eines Erfurters durchsuchen. Der Verdacht damals: Der Mann gehöre zum Verein "Linksjugend solid Erfurt", einer Gruppe, die als Jugendorganisation der Partei Die Linke nahesteht. Die Polizisten stellten bei der Durchsuchung Handy, Laptop, externe Festplatten und USB-Sticks sicher.

Der Beschuldigte soll Ende Oktober 2017 mit einem bebilderten Beitrag über Facebook für eine Demo der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK geworben haben. Ihm wurde deshalb ein Verstoß gegen § 20 Vereinsgesetz (VereinsG) vorgeworfen. Nach der Vorschrift macht sich strafbar, wer sich für einen verbotenen Verein in Deutschland betätigt.

Das Landgericht (LG) Gera hat nun mit Beschluss vom 11. April 2019 festgestellt, dass die Durchsuchung rechtswidrig war. Der ganze Vorgang soll ein klares Missverständnis gewesen sein: Es sei "zu keinem Zeitpunkt erkennbar geworden", dass der Beschuldigte als Verantwortlicher der 'Linksjugend Solid' oder persönlich zu der Teilnahme an der Veranstaltung aufgerufen hätte, heißt es in dem 12-seitigen Beschluss, der LTO vorliegt.

Weder die Aktenlage noch die der Dursuchung folgenden Ermittlungen hätten Entsprechendes ergeben. Der beschuldigte Mann aus Erfurt, dessen Wohnung auf Geheiß Zschächners durchsucht wurde, war offenbar kein Mitglied der "Linksjugend solid Erfurt"- Er hatte für sie auch keine Website betrieben oder über Facebook Propaganda für die PKK gemacht. Der Mann war Vorsitzender des Vereins "Naturfreundejugend Erfurt".

Ein offensichtlicher Fehler, den niemand bemerkte

Überhaupt auf ihn aufmerksam geworden waren die Ermittler offenbar über die Website des Stadtjugendrings. In zahlreichen deutschen Städten organisieren sich die lokalen Jugendverbände in einem solchen Ring, das reicht von den Pfadfindern bis zur AIDS-Hilfe. Dort taucht auch der Name des Beschuldigten auf, allerdings nur als Vorsitzender der "Naturfreundejugend".

Die Beamten hatten die Internetseite also offenbar nicht sorgfältig genug gelesen. Ihre Screenshots der Website wurden zu den Ermittlungsakten gegeben. Der Fehler lag offen auf dem Papier, der Umfang der Akten war mit nur einigen Seiten äußerst übersichtlich – und dennoch fertigte die Staatsanwaltschaft Gera einen Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses an. Unterschrieben ist der von Martin Zschächner, der nach Recherchen von LTO für die Aktenbearbeitung auch allein zuständig war.

Der Vorgang lässt aber auch die Kontrollinstanzen in der thüringischen Justiz schlecht dastehen. Durchsuchungen kann ein Staatsanwalt grundsätzlich nicht im Alleingang anordnen, er braucht den Beschluss eines Richters. Und den bekam Zschächner. Auch auf eine spätere Beschwerde des Beschuldigten hin hielt die Staatsanwaltschaft an ihrer Position fest. Und das Amtsgericht Gera bekam ebenfalls eine zweite Chance, half aber der Beschwerde gegen die Durchsuchung im Oktober 2018 nicht ab.

"So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt der Göttinger Strafverteidiger Rasmus Kahlen, der den Beschuldigten vertritt. "Der Fehler war von Anfang an in den Akten ersichtlich", so Kahlen. "Dass der Fehler weder den Kriminalbeamten noch der Staatsanwaltschaft und zuletzt zumindest dem Ermittlungsrichter aufgefallen ist, ist schon sehr befremdlich."

"Kontakte des Vereins und von Untergliederungen gewinnen"

Die Durchsuchung in Erfurt zielte laut Dursuchungsbeschluss ausdrücklich darauf, "Kontakte des Vereins 'Linksjugend ['solid'] SDS Erfurt … und deren Untergliederungen" zu gewinnen".

Dem Staatsanwalt Zschächner wird seit Wochen vorgeworfen, dass er mit einem besonderen Eifer linke Projekte und Gruppen ins Visier nahm. Das Verfahren gegen das Zentrum für politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung hielt er über 16 Monate am Laufen, offenbar aber, ohne nennenswerte Ermittlungen angestellt zu haben.

Mittlerweile ist Zschächner von der Zuständigkeit für politische Straftaten abgezogen worden. Wie das Thüringer Justizministerium auf Anfrage von LTO am Freitag mitteilte, bearbeitet er bei der Staatsanwaltschaft Gera nun unter anderem Branddelikte und allgemeine Strafsachen.

Zitiervorschlag

LG Gera muss neuen Zschächner-Fehler beseitigen: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35079 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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