Jugendliche verschicken Fotos oder Textnachrichten sexuellen Inhaltes über Nachrichtenkanäle wie WhatsApp. Über den Missbrauch der intimen Informationen und die rechtlichen Konsequenzen machen sie sich zu wenig Gedanken, sagt Niklas Haberkamm.
Ein 14-Jähriger hat sich mit seiner Ex-Freundin auf die Zahlung von Schadensersatz geeinigt, weil er intime Fotos von ihr über den Nachrichtendienst WhatsApp verbreitet hatte. Vor dem Amtsgericht (AG) Charlottenburg verglichen sich der jungen Mann und die Gymnasiastin (Vergl. v. 15.01.2015, Az. 239 C 225/14), der Vergleich liegt LTO vor. Der Schüler hatte offensichtlich nur vor seinen Freunden mit den Bildern protzen wollen. Insgesamt verglichen sich die Schüler auf die Zahlung von 1837 Euro, davon müssen 500 Euro durch eigenständigen Verdienst von dem 14-Jährigen erwirtschaftet werden. Eine letzte Rate über 500 Euro sowie die Zinsen können ihm erlassen werden, wenn er die anderen Beträge fristgerecht zahlt.
Während der Beziehung hatte die damals noch 13-jährige Schülerin ihrem - zum Zeitpunkt der Verbreitung der Fotos ebenfalls erst 13 Jahre alten - Freund bereitwillig intime Selbstportraits über WhatsApp geschickt. Ihr Freund behielt diese Fotos aber nicht für sich, sondern schickte sie weiter an seine Freunde.
Unbefugte Verbreitung ist immer Persönlichkeitsverletzung
Bereits im Mai 2014 hat das Landgericht (LG) Frankfurt a. M. (Urt. v. 20.05.2015, Az. 2-03 O 189/13) über einen ähnlichen Fall entschieden, in welchem intime Fotos der Betroffenen und ihres Freundes von einer Freundin weiterverbreitet wurden. Die Betroffene hatte die Bilder versehentlich über ihr Handy auf den Computer der Freundin geladen. Die zu zahlende Geldentschädigung lag in diesem Fall bei 1000 Euro.
Die Verbreitung von Nacktbildern gegen den Willen des Abgebildeten stellt immer einen rechtswidrigen Eingriff in die Intimsphäre des Abgebildeten und damit eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Nach den Vorgaben der bekannten Herrenreiter-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 14.02.1958, Az. I ZR 151/56) sind in solchen Fällen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung neben dem jeweiligen Unterlassungsanspruch auch immer Geldentschädigungsansprüche nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gegeben.
Neben den kostenintensiven zivilrechtlichen Ansprüchen drohen aber auch massive strafrechtliche Konsequenzen. Nach § 184 Strafgesetzbuch (StGB) droht für die Verbreitung pornographischer Schriften, unter welche das sogenannte "Sexting" fällt, eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Der Gesetzgeber sieht mit § 33 Kunsturhebergesetz (KUG) aber auch eine konkret persönlichkeitsrechtlich relevante Norm vor, nach der die Verbreitung eines Bildnisses des Betroffenen gegen seinen Willen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft wird.
Jugendliche müssen Gefahren der sozialen Medien einschätzen können
Sowohl die Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs als auch eine mögliche strafrechtliche Sanktion sind dabei immer von den konkreten Umständen abhängig. Im aktuellen Fall vor dem AG Charlottenburg war der Täter zur Zeit des Verbreitens der Bilder noch nicht strafmündig. Allerdings wurde er aus zivilrechtlicher Sicht schon durch das Landgericht (LG) Berlin als voll einsichtsfähig im Sinne des nach § 828 Abs. 3 BGB eingestuft. Dort war zunächst Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt worden mit einer deutlich höheren Schadensersatzforderung. In dem Beschluss zur nur teilweisen Bewilligung der PKH, der LTO vorliegt, teilte das Gericht mit, "dass der seinerzeit 13-jährige Beklagte aufgrund der heute in der Regel umfangreichen Erfahrung von Jugendlichen im Umgang mit Sozialnetzwerken, mit Medien und mit deren Gefahren deliktsrechtlich voll einsichtsfähig gewesen sein dürfte".
Wenn man diesen Ansatz des Gerichts weiterdenkt, könnte man zu der Annahme kommen, dass auch den Opfern die Gefahr einer Weiterverbreitung klar sein muss, wenn sie intime Fotos über soziale Medien im Internet verschicken. Aus rechtlicher Sicht ist dieser Punkt bei der Prüfung einer möglichen Einwilligung nach § 22 KUG relevant. Das AG Charlottenburg ist aber diesbezüglich zutreffend davon ausgegangen, dass das Versenden solch intimer Informationen an eine bestimmte Person noch lange keine Einwilligung in das Weiterverbreiten an Dritte beinhaltet.
Das sogenannte "Sexting" birgt damit für alle Beteiligten durch die Möglichkeit der unkontrollierbaren Weiterverbreitung massive Risiken, die man sich vor dem jeweiligen Druck auf die Taste "Versenden" durchaus noch einmal vor Augen führen sollte.
Der Autor Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts.
*Korrektur 3.9.15: hier stand zunächst: Von dort aus gelangten sie an immer mehr Personen, bis die Nacktbilder schließlich auch an der gesamten Schule der Betroffenen bekannt waren.
Die Bilder waren gerade nicht sehr weit verbreitet worden.
Niklas Haberkamm, Nacktfotos über WhatsApp: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16799 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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