2/3: Medizinische Standards und freie Arztwahl
Die Kriminalisierung wirkt sich auch auf die medizinische Qualität des Schwangerschaftsabbruchs aus. In der ärztlichen Ausbildung oder auch nur der gynäkologischen Facharztausbildung kommen die verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs nicht vor. Für Notfälle gelehrt wird nicht selten nur die besonders belastende und risikobehaftete Ausschabung. Dabei haben sich schonendere Absaugmethoden selbst in Staaten ohne hoch entwickelte medizinische Infrastruktur weitgehend durchgesetzt.
Auffällig ist ferner die ausgesprochen geringe Quote medikamentöser Abbrüche in Deutschland. Die extrem aufwendige verwaltungstechnische Abwicklung dieser Methode ist nur eine mögliche Erklärung. Insgesamt scheint es wenig Bewusstsein dafür zu geben, dass auch die medizinische Dienstleistung des Schwangerschaftsabbruchs dem medizinischen Standard zu genügen hat.
Die betroffenen Frauen wissen aber nicht, welche Rechte sie in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch haben. Sie sind oft schon froh, wenn sie überhaupt eine Arztpraxis oder Klinik finden, denn das StGB verbietet auch jegliche Information über das entsprechende medizinische Angebot.
Noch 2013 hat das Oberlandesgericht Oldenburg geurteilt, es sei verbotene Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch, wenn ein Arzt einer zum Abbruch entschlossenen Patientin die im Internet mühelos ermittelbare Adresse einer niederländischen Abtreibungsklinik auf einen Zettel schreibt (Urt. v. 18.02.2013, Az. 1 Ss 185/12). Mit Blick auf die rechtliche Situation und den medizinischen Standard fahren nicht wenige ungewollt schwangere Frauen inzwischen aber (wie vor 50 Jahren) in die Niederlande, um einen Schwangerschaftsabbruch legal und sicher vornehmen zu lassen.
Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25679 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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