Den schönsten Tag im Leben kann es trüben, wenn sich herausstellt, dass der angemietete Saal für die Hochzeitsgesellschaft nicht ausreicht. Richtig bitter wird es, wenn deshalb nicht nur Gäste, sondern auch Geschenke ausbleiben. Ob das Brautpaar den Veranstalter dann wegen einer "Geschenkerwartung" haftbar machen kann, steht auf einem anderen Blatt. Von Roland Schimmel.
Der Sachverhalt kommt mitten aus dem Leben, aber er liest sich, als sei er für ein Schuldrechtskolloquium erdacht worden: Für ihre Hochzeitsfeier hatten die Brautleute einen Saal für 620 Gäste gemietet. Weil dieser nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde, legte der Vermieter das Fest in einen Raum für 400 Personen um. Das Paar mußte 220 Gäste wieder ausladen. Vom Vermieter verlangten sie anschließend Schadensersatz, unter anderem wegen der so ausgebliebenen Hochzeitsgeschenke in Geld und Gold.
Die Situation der Brautleute war wenig beneidenswert: Wer möchte schon gern 220 Gästen erklären, daß sie die am leichtesten entbehrlichen sind? Gesellschaftlich betrachtet kann so etwas leicht ins Auge gehen.
Rechtlich besehen ist die Sache ebenfalls nicht ganz einfach. Im Ergebnis wurde das Hochzeitspaar auch vor Gericht enttäuscht: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt verneinte den Schadensersatzanspruch in einer jüngst ergangenen Entscheidung (Beschl. v. 16.05.2011, Az. 19 W 29/11).
Probleme: Schwarzgeldabrede und Schutzbereich des Mietvertrags
Das Gericht hätte sich die Begründung leicht machen können. Der Vertrag zwischen den Brautleuten und dem Gastwirt enthielt eine Schwarzgeldabrede: Die Hälfte des vereinbarten Betrags sollte unversteuert an den Vermieter fließen. Damit ließ sich die Nichtigkeit des gesamten Vertrags wegen Gesetzes- und Sittenwidrigkeit begründen, §§ 134, 138, 139 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Gleichwohl ging das OLG Frankfurt auf die Frage nach der Ersatzfähigkeit der entgangenen Geschenke ein.
Unterstellt man also den Vertrag als wirksam geschlossen, lägen dem Gericht zufolge alle Voraussetzungen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs (der entweder auf § 311a II 1 oder auf §§ 280 I, III, 281/283 BGB zu stützen wäre) vor – bis auf einen dem Vertragspartner zurechenbaren Schaden.
Zwar ist ein Vermögensnachteil feststellbar und mit etwas Aufwand auch zu quantifizieren. Auch an der Ursächlichkeitsbeziehung zwischen dem pflichtwidrigen Fehlverhalten des Vermieters und dem Ausbleiben der Geschenke scheitert der Anspruch nicht. Bei wertender Betrachtung sei dem Vermieter der Schaden aber nicht zurechenbar, weil er, so das Gericht, vom Schutzzweck der verletzten Norm nicht erfaßt sei: Der Vertrag bezwecke nicht die Sicherung von Gewinnerwartungen aus dem die Kosten der Feier übersteigenden Wert von Hochzeitsgeschenken.
Wörtlich begründen die Frankfurter Richter: "Der Zweck einer Hochzeitsfeier ist aber nicht darauf gerichtet, wie bei einer gewerblichen Veranstaltung Gewinne zu erzielen."
Wie kommerziell darf eine Hochzeit kalkuliert sein?
Auf den ersten Blick überzeugt das, auf den zweiten vielleicht nicht mehr ganz. Zum einen ist die Gefahr gering, dass die Hochzeitsfeier für die Brautleute zum Vehikel dauerhafter erwerbswirtschaftlicher Pläne wird. Dazu heiratet man einfach zu selten – und im Wiederholungsfall spielen irgendwann auch die Gäste nicht mehr mit.
Zum anderen bekommt diese Argumentation überhaupt nicht in den Blick, daß es – übrigens nicht nur in der Türkei – auch ganz andere Traditionen und Verständnisse von Hochzeitsfeiern gibt als die deutsche Kleinbürgerhochzeit.
Welche finanziellen Dimensionen ein Fest mit über 600 Gästen annehmen kann, ist mit Schulmathematik leicht überschlägig zu berechnen. Der erforderliche Betrag wird ein junges Hochzeitspaar leicht an den Rand der Insolvenz bringen, vielleicht auch die jeweiligen Eltern, wenn sie nicht ausgesprochen vermögend sind.
Weil es aber in manchen Kulturen oder sozialen Milieus zwingend und geradezu selbstverständlich ist, zahlreiche Gäste einzuladen, liegt es für diese nahe, großzügige Geldgeschenke als Ausgleich für die aufwendige Einladung mitzubringen. Damit mag zwar "nur" das Fest bezahlt oder darüber hinaus die finanzielle Erstausstattung des Hochzeitspaars bewirkt werden.
Jedenfalls erhält die Hochzeitsfeier dadurch aber eine feste ökonomische Komponente, die man übersieht, wenn man die Eheschließung und deren Feier als Teil einer romantischen Liebesheirat wahrnimmt. Und während man zuerst vielleicht das Schadensersatzverlangen der Brautleute als unangemessen oder gar gierig empfindet (etliche Kommentare in Internetforen zeugen davon), erscheint es vor diesem Hintergrund ganz legitim und letztlich nur konsequent.
Dass auf ein Hochzeitsgeschenk kein Rechtsanspruch besteht (schon gar nicht in einer bestimmten Höhe), müsste einem Ersatzanspruch nicht im Wege stehen. Gleiches gilt für die zu befürchtenden Beweisschwierigkeiten, wenn in einem gerichtlichen Verfahren die genaue Höhe des entgehenden Geschenkgewinns streitig wird – man denke nur an die 220 Zeugenaussagen der ausgeladenen Gäste.
Es ginge auch anders
Mag also der Beschluß des OLG Frankfurt dogmatisch ganz stimmig begründet sein, bleibt doch das Gerechtigkeitsgefühl irritiert. Es mutet seltsam an, dass den Vermieter der Vorwurf eines pflichtwidrigen zu vertretenden Fehlverhaltens trifft und gleichwohl das mietende Paar auf den geldwerten enttäuschten Erwartungen sitzenbleiben soll. Zudem ist es dem Vermieter bei einer Hochzeitsfeier ebenso zumutbar wie etwa bei einer Fortbildungsveranstaltung oder einer Messe, für den entgehenden Gewinn seines Vertragspartners im Fall einer Vertragsverletzung Rückstellungen zu bilden oder eben Versicherungsschutz zu beschaffen. Man hätte den Streit also mit erwägenswerten Gründen auch anders entscheiden können.
Immerhin läßt die Begründung des Gerichts Raum für den Ersatz weiterer Schadenspositionen, beispielsweise der Kosten für die Benachrichtigung sowohl der auszuladenden Gäste als auch der verbliebenen 400, die über einen neuen Veranstaltungsort zu informieren waren.
Als Erkenntnis für die Eheleute bleibt übrig: Hätten sie anderswo einen ausreichend großen Saal gemietet und so die Geschenke aller Gäste erhalten, stünde einem Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter wegen der Mehrkosten wohl nichts im Wege. Sich auf einen kleineren Raum einzulassen war also ein Fehler.
Dass es sich bei der entschiedenen Rechtsfrage nicht um ein Luxusproblem handelt, zeigt ein Detail des Verfahrens: Der Beschluß des OLG Frankfurt ist im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergangen. So kommerziell, dass das Paar durchs Feiern steinreich geworden wäre, war das Hochzeitsfest also wohl auch wieder nicht.
Der Autor Prof. Dr. Roland Schimmel ist Rechtsanwalt und lehrt an der Fachhochschule Frankfurt am Main.
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Roland Schimmel, Schadensersatz bei Hochzeit: . In: Legal Tribune Online, 08.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3463 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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