Harsche Worte auf seiner Facebook-Seite, deutliche Kritik in Interviews: Polizeirechtler Dieter Müller hat eine Abmahnung aus dem Innenministerium kassiert. Ein Gütetermin blieb am Montag erfolglos. Und es ist nicht der erste Streit.
Dieter Müller hat eine Abmahnung bekommen. Das wäre nichts allzu Besonderes - wenn sie nicht direkt aus dem Sächsischen Innenministerium käme und Müller nicht Professor an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg wäre. So aber schreibt die Abmahnung ein weiteres Kapitel in einer schon langen Geschichte. So scheint es weniger um eine arbeitsrechtliche Standardmaßnahme zu gehen als vielmehr um eine persönliche Fehde zwischen Landesinnenminister Markus Ulbig (CDU) und einem Juristen, der für seine Kritik auch die Medien nutzt.
Der geborene Niedersachse Müller war 1994 für die Gründung der Polizeihochschule nach Sachsen berufen worden. Der Polizei- und Verkehrsrechtler kennt dieses Gebiet nicht nur aus dem Jurastudium: Er begann bereits 1978 seinen Dienst bei der Bereitschaftspolizei, studierte, nachdem er den Dienst quittiert hatte, zunächst Theologie, dann Jura. Wenn er etwas zu kritisieren hat, tut er es – und das im Zweifel laut und in den Medien. Auch, wenn es um seinen Dienstherren geht, den seit 2009 amtierenden sächsischen Staatsminister des Innern, Markus Ulbig. In dessen Wikipedia-Eintrag nimmt der Punkt "Kontroversen" den längsten Teil ein. A In der jüngeren Vergangenheit wurde er vor allem für seinen Umgang mit Pegida, den fremdenfeindlichen Protesten in Dresden und Freital und den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Heidenau kritisiert.
Auf seiner Facebook-Seite hat Rechtswissenschaftler Müller geschrieben, es gebe bessere Innenminister als Ulbig. Beim Rücktritt des Hamburger Innenministers merkte er an, wie leicht ein Rücktritt doch sein könne – er lebe nur im falschen Bundesland. Zudem äußerte Müller Kritik in einem Radio-Interview und bewertete die von Ulbig eingesetzte Kommission zur Überprüfung der sächsischen Polizeireform mit den Worten: "Wäre es eine Bachelorarbeit, ich würde eine glatte Fünf geben." Auf diese drei Aspekte stützt sich die Abmahnung..
Streit schwelt seit Jahren
Müller kann kaum sagen, er hätte das nicht kommen sehen. Schon im Dezember 2011 war dem 57-Jährigen verboten worden, "im Namen der Hochschule zu publizieren". Und so musste unter seinen Artikeln stehen, dass diese "nicht dienstlich veranlasst" sind und "ausschließlich die private Meinung des Autors wiedergeben" – so auch unter seinen Beiträgen auf LTO.
Um Müller zu stoppen, reichte das nicht aus. aus. Im Mai 2015 sagte er zu seinen Studenten: "Vielen Ihrer Vorgesetzten wird es künftig nur um die Bilanz gehen, damit sie vor dem Innenministerium gut dastehen". Daraufhin wurde eine Missbilligung ausgesprochen. "Diese Art Vorstufe zur Abmahnung wurde per Brief übermittelt und sollte zur Personalakte genommen werden", sagt Florian Berthold, seit Jahren Müllers Anwalt. "Es war klar, dass wir dagegen ganz grundsätzlich vorgehen müssen." So geschah es, der Streit endete mit einem Vergleich. Die Missbilligung wurde aufgehoben, Müller verpflichtet sich, "ab sofort in Presseinterviews im Rahmen seiner Möglichkeiten die Belange des Arbeitgebers zu berücksichtigen".
Ulbig meint offenbar, dass Müller das nicht tut, wenn er sich auf Facebook zu seiner Qualität als Innenminister und im Radio zur Polizeiarbeit äußert. Mit der Abmahnung vom 4. Februar, ausgehändigt vom Landespolizeipräsidenten Jürgen Georgie, soll Müller unter Androhung der fristlosen Kündigung verboten werden, sich zur sächsischen Polizeiarbeit und Innenpolitik zu äußern.
2/2: Gütetermin gescheitert – Hausaufgaben für das Ministerium
Der Professor klagt gegen die Abmahnung: Der aktuelle Streit mündete am Montag in dem Gütetermin vor dem ehemaligen Arbeitsgericht (AG) Görlitz, das seine Rechtsantragstelle zwar noch in Görlitz hat, mittlerweile aber zum Bautzner AG gehört. Dabei waren zwei Volljuristen aus dem Innenministerium und dem Landesamt für Finanzen zugegen, einem Vergleich sollten sie ausdrücklich nicht zustimmen. "Aber wie hätte der auch aussehen sollen?", fragt Berthold.
Nun wird es zum Kammertermin kommen, der für den 23. Juni angesetzt ist. Bis dahin muss er Freistaat aber erst einmal weiter vortragen: Die zuständige Richterin hat dazu aufgefordert, detailliert darzulegen, welche Äußerung konkret welche Dienstpflicht verletzt haben soll und wie diese Äußerungen im Spiegel der Grundrechte eine Verletzung darstellen könnten. Außerdem muss das Innenministerium gefordert, zur Verhältnismäßigkeit der Abmahnung vorzutragen. Abstrakt denkbar wäre eine wirksame Abmahnung schon – die Hinweise der Richterin lassen indes darauf schließen, dass die Voraussetzungen bisher jedoch nicht vorgetragen sind.
Danach ist Berthold noch mal dran mit schriftlichem Vortrag. Er hält die Abmahnung für unwirksam. Für den Anwalt sind die Facebook-Äußerungen des Professors rein privater Natur – auch, wenn sie öffentlich einsehbar seien. Müller habe die Kommentare in einem privaten Raum getätigt und es stelle sich ohnehin die Frage, warum das Innenministerium die private Facebook-Seite von Müller untersuche. Die anderen Aussagen des Polizei- und Verkehrsrechtlers seien ohnehin wissenschaftlicher Art und damit von den Grundrechten gedeckt. Dass ein Professor und Experte sich äußere, liege in der Natur der Sache.
Abzuwägen sind also die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber mit der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit des Juristen. Müller ist, anders als manch anderer Professor an der sächsischen Hochschule, nicht verbeamtet. Er steht in einem ganz normalen Angestelltenverhältnis zu der Hochschule, die allerdings dem Innenministerium unterstellt ist.
Müller Spitzenkandidat für Personalrat
Der Verhaltenskodex ergebe sich gleichwohl aus der VwV-Dienstordnung, teilt Dr. Harald Kogel, Rektor der Hochschule der Sächsischen Polizei mit. In Nummer 41 ist dort zu lesen: "In privaten Abhandlungen und privaten Vorträgen über Themen aus einem dienstlichen Aufgabengebiet darf nicht der Eindruck erweckt werden, die vom Verfasser vertretene Auffassung sei eine amtliche Stellungnahme." Darüber hinaus soll es keine Vorschriften zum Umgang mit Medien geben.
Einiges von dem Streit könnte nach den Plänen der Polizeigewerkschaft Sachsen (DPolG) ohnehin bald in weite Ferne rücken. Die hat Müller nämlich als Spitzenkandidaten auf die Liste der Arbeitnehmer bei den in diesem Jahr anstehenden Personalratswahlen gesetzt. Müller ist seit Jahren Autor für den Bundes- und Landesteil des Polizeispiegels der DPolG. Nach dem Führungswechsel in der DPolG Sachsen Mitte 2015 wurde er Mitglied. "Herr Prof. Müller ist ein sehr fähiger, durchaus kritischer und dennoch sehr geachteter Lehrer der Fachhochschule Rothenburg", sagt Cathleen Martin , Landesvorsitzende DPolG Sachsen. " Er steht für unsere Angestellten ein, wenn deren Anliegen an den Hauptpersonalrat gerechtfertigt sind. Er wird diese dabei würdig vertreten." Müller wäre für die Aufgabe bereit, sagen Weggefährten. Unkündbar wäre er zwar auch als Personalratsmitglied nicht. Aber es wäre noch schwieriger, ihn loszuwerden.
Das sächsische Innenministerium äußert sich inhaltlich nicht zum Fall. Nur so viel: "Wir bitten Sie um Verständnis, des es uns aufgrund unserer arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht gegenüber Prof. Dr. Müller und unserer damit im Zusammenhang stehenden Pflicht zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte leider nicht möglich ist, Ihre Fragen konkret zu beantworten und Ihnen in diesem Zusammenhang auch mitzuteilen, ob gegen Prof. Dr. Müller aufgrund von ihm getätigter Äußerungen arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen wurden oder nicht."
Tanja Podolski, Zu viel Kritik an seiner Politik: Innenminister in Sachsen mahnt Juraprofessor ab . In: Legal Tribune Online, 05.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18981/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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