Rüstungsexporte nach Tod des Journalisten Jamal Kashoggi: Beiß­hem­mung der Politik

Gastkommentar von Dr. Sebastian Roßner

30.10.2018

Nach der Ermordung Jamal Kashoggis flammt die Diskussion um Rüstungsexporte nach Saudi Arabien erneut auf. Die Politik muss entscheiden, wie sich das Rüstungsexportrecht weiterentwickeln soll, meint Sebastian Roßner.

Wie ein Blitz bei Nacht hat die Ermordung Jamal Kashoggis auf den Charakter des saudischen Regimes ein grelles Schlaglicht geworfen: Blut trieft von den Händen der Prinzen. Wer sich aber näher informiert – es ist mit geringem Aufwand möglich – der erfährt, dass die größte der Monarchien vom Persischen Golf seit langem in manche mörderischen Machenschaften verstrickt ist, allen voran in den Bürgerkrieg im Jemen. Auch die Bundesregierung weiß das natürlich. Aber der Mord an Kashoggi hat – anders als der Jemenkrieg – die Macht der öffentlichen Meinung entfesselt, der sich auch Regierungen zeitweise beugen müssen.

Dabei besteht längst auch ohne den Mord im saudischen Konsulat, der nach dem Strafrecht zu beurteilen ist, genügend Anlass, zu überlegen, wie die Rüstungsexportpolitik Deutschlands neu geregelt werden soll. Denn schon seit langem sind die Bundesregierungen jeder politischen Couleur in einem Zwiespalt gefangen: Sie versuchen, sich hindurch zu lavieren, und zwar zwischen dem im hohen Ton der Moralität vorgetragenen eigenen Anspruch, eine saubere Rüstungsexportpolitik zu treiben, und den Forderungen mancher Außen- oder Sicherheitspolitiker und zahlreicher Wirtschaftsvertreter, Rüstungsausfuhren zu genehmigen. Export sollen genehmigt werden, so wird von dieser Seite argumentiert, um politischen Einfluss auszuüben und um ökonomische Ziele zu erreichen. Damit ist das politische Spannungsfeld umrissen, in dem sich das Recht der Rüstungsexporte Geltung verschaffen muss.

Verschärfung der Sicherheitslage im Empfängerstaat?

Für die Mitgliedstaaten der EU existiert dieses Recht – abgesehen von völkerrechtlichen Vereinbarungen – auf zwei Ebenen: Die nationalen Regelungen – in Deutschland vor allem das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG), das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (Politische Grundsätze) – sind einbezogen in das Regelungssystem der Union.

Dieses zerfällt seinerseits in zwei Teile. Der eine betrifft hauptsächlich den unionsinternen Handel mit Rüstungsgütern, der als besonderes Element des gemeinsamen Marktes behandelt wird.

Dementsprechend dominiert hier das gesetzgeberische Motiv, die Abläufe des Handels zu vereinfachen. Der andere Teil der EU-Normen regelt die Ausfuhren in Drittstaaten, also etwa nach Saudi-Arabien, und ist im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 (Gemeinsamer Standpunkt) gebündelt.

Betrachtet man dieses Bündel an Regelungen näher, stellt man fest, dass die Normen an politisch zu verantwortender Beißhemmung leiden.

So enthält der Gemeinsame Standpunkt zwar mit Kriterium vier eine Regel, nach der ein Export von militärischen Gütern zu unterbleiben hat, falls er zu einer Verschärfung der Sicherheitslage in der Empfängerregion führt. Dies liegt angesichts des Jemenkrieges und der intensiven Rivalitäten Saudi-Arabiens mit Katar und dem Iran für die deutschen Rüstungsexporte nahe. Aber weder die Europäische Kommission noch der Europäische Gerichtshof sind dazu befugt, zu überwachen, ob der Gemeinsame Standpunkt auch eingehalten wird. Der Gemeinsame Standpunkt ist zwar rechtlich verbindlich, berechtigt oder verpflichtet aber nur die Mitgliedstaaten selbst. Lediglich ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag stünde zur Kontrolle offen, ist aber politisch kaum denkbar.

Keine Klagebefugnis gegen Ausfuhrgenehmigung

Das KrWaffKontrG enthält in § 6 Abs. 3 Nr. 1 gleichfalls ein Verbot, Ausfuhren zu genehmigen, falls "die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere einem Angriffskrieg, verwendet werden." Nur kann niemand darauf klagen, dass diese Regelung eingehalten wird, denn es dürfte bei allen Klagewilligen an der Klagebefugnis fehlen, also an der Möglichkeit, dass ein eigenes subjektives Recht durch eine rechtswidrige Genehmigung verletzt wurde. Gleiches gilt für die parallelen Vorschriften des AWG.

Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung schließlich, die, wie es dort eingangs heißt, dazu dienen, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu gestalten, enthalten zwar eine Reihe hehrer Ziele. Dabei ist vor allem bemerkenswert, dass beschäftigungspolitische Gründe für eine Genehmigung keine ausschlaggebende Rolle spielen dürfen. Aber die Politischen Grundsätze sind Teil des Geschäftsordnungsrechts der Bundesregierung. Sie gelten also nur innerhalb der Regierung, die zudem durch Beschluss von der eigenen Geschäftsordnung abweichen darf. Es gilt also: Wo kein Kläger, da auch kein Richter.

In diesem Zustand bleibt das Recht der Rüstungsexporte ein Torso. Immerhin könnte die Exekutive jetzt reagieren und rechtswidrige Genehmigungen für Ausfuhren an den Golf nach § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zurücknehmen oder Genehmigungen, die ursprünglich rechtmäßig waren, heute aber in der Form nicht mehr erteilt werden dürften, nach § 49 VwVfG widerrufen, falls der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Das kostet zwar Geld, denn die öffentliche Hand muss die Betroffenen entschädigen, aber die gute Sache mag das wert sein. Zudem: Die verhinderten Exporteure müssen gar nicht entschädigt werden, falls die Rüstungsgüter zu den ursprünglichen Konditionen an die Bundeswehr oder einen anderen Abnehmer verkauft werden können.

Rücknahme und Widerruf bleiben jedoch Flickwerk im Einzelfall. Was auf mittlere Sicht benötigt wird, ist eine Reform des Rüstungsexportrechts, die für zweierlei sorgt: Es muss sinnvolle Maßstäbe geben, nach denen über Rüstungsexporte entschieden wird. Die auf europäischer Ebene bereits verabschiedeten Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes bieten sich an und sollten ins deutsche Recht integriert werden. Und es muss eine unabhängige gerichtliche Kontrolle geben. Analog etwa zum Umweltschutzrecht sollte es daher für eine noch festzulegende Gruppe anerkannter Friedensorganisationen ein Verbandsklagerecht gegen Rüstungsexportgenehmigungen geben, um das Problem der Klagebefugnis zu lösen.

Dr. Sebastian Roßner arbeitet für die Kanzlei LLR in Köln und war bis vor kurzem an der Universität Düsseldorf tätig.

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Zitiervorschlag

Rüstungsexporte nach Tod des Journalisten Jamal Kashoggi: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31775 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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