Ausstiegsklauseln in Profifußballverträgen: Teure Zeilen, glück­liche Berater

Gastbeitrag von Stefan Schreiber

18.01.2020

Weil es im Profifußball um immer mehr Geld geht, werden Ausstiegsklauseln in Verträgen zwischen Vereinen und Spielern wieder beliebter. Stefan Schreiber erklärt das Recht hinter einem Phänomen, für das Clubs ihre Prinzipien über Bord werfen.

Dembélé, Coutinho, Bale, Messi – die Liste von Top-Fußballern mit sogenannten Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen ist lang. Auch bei Borussia Dortmunds aktuellem Neuzugang Erling Haaland wird gemunkelt, dass der Spieler den Verein für eine Summe X wieder verlassen kann. Immer mehr Spielerberater verhandeln mittlerweile erfolgreich und halten ihren Spielern so die Ausgangstür offen.

Die Höhe der Ablösesummen der Topspieler ist teils schwindelerregend, insbesondere wenn man den Blick nach Spanien richtet. Messi vom FC Barcelona hat angeblich eine Ausstiegsklausel mit einer darin festgelegten Ablösesumme in Höhe von 700 Millionen Euro. In Deutschland sind die Ablösesummen etwas moderater und bewegen sich bei Topspielern im Rahmen von "nur" circa 60 bis 100 Millionen Euro.

Was diese Ausstiegsklauseln eigentlich sind und wie sie funktionieren, soll dieser Beitrag beleuchten. Rechtlich kommt es dabei auch auf die kleinen, aber feinen Unterschiede in der Vertragsgestaltung an.

Warum es Ausstiegsklauseln überhaupt gibt

Um die Ausstiegsklauseln zu verstehen, muss man zunächst wissen, dass die Lizenzspielerverträge auf eine bestimmte Laufzeit befristet sind. Grundsätzlich kann der Spieler erst nach Ablauf dieser festen Vertragslaufzeit ein neues Vertragsverhältnis bei einem anderen Club eingehen. Dass der Spieler dies nach Ablauf der Vertragslaufzeit kann, wurde seinerzeit im Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Az. C-415/93) entschieden.

Will der Spieler jedoch vor Ablauf der Vertragslaufzeit den Verein wechseln und ist der Verein dazu bereit, den Spieler abzugeben, so muss der aufnehmende Verein eine Transferentschädigung – die sogenannte Ablösesumme – an den abgebenden Verein zahlen. Der abgebende Verein kann jedoch auch auf der Vertragserfüllung bestehen und muss den Spieler nicht gehen lassen. Die Transferentschädigung ist dann ein Betrag, der so hoch ist, dass der abgebende Verein im Gegenzug bereit ist, auf den Vertragserfüllungsanspruch zu verzichten.

Maßgebende Faktoren für die Höhe der Transferentschädigung ist zum einen der Marktwert des Spielers und zum anderen die verbleibende Restlaufzeit des Vertrages. Ist die Restlaufzeit des Vertrages noch relativ hoch (im Profisport etwa zwei bis drei Jahre), lässt sich in den Verhandlungen zwischen den Vereinen eine relative hohe Transferentschädigung erzielen. Ist die Restlaufzeit des Vertrages nur noch relativ gering, verringert sich die Transferentschädigung entsprechend. Dies ist auch der Grund, warum zum Beispiel Toni Kroos im Jahr 2014 als amtierender Weltmeister und einer der besten Mittelfeldspieler der Welt von Bayern München für einen gefühlt viel zu niedrigen Betrag von 30 Millionen Euro zu Real Madrid wechselte. Kroos hatte schlichtweg nur noch ein Jahr beim FC Bayern.

Hier kommt nun die Ausstiegsklausel ins Spiel: Sie regelt bereits verbindlich im Lizenzspielervertrag, zu welcher Transferentschädigung, zu welchen bestimmten Zeitpunkten und unter welchen Voraussetzungen der Spieler den Verein vor Vertragsende verlassen kann. Liegen alle Voraussetzungen vor, hat der Verein keine rechtliche Möglichkeit mehr, den Transfer zu verhindern. Die Ausstiegsklauseln sind also nichts anderes als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses antizipierte Transferentschädigungen beziehungsweise Ablösesummen für einen späteren Vereinswechsel vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit.

Interesse an solchen Klauseln haben alle

Zunächst dienen Ausstiegsklauseln dem Interesse des Spielers. Deren Beratern gelingt es vor allem bei jungen, sehr guten Talenten mit hervorragender sportlicher Perspektive Ausstiegsklauseln in die Lizenzspielerverträge zu verhandeln, da die Vereine an einer langfristigen Bindung des Topspielers interessiert sind. Entweder der Spieler bleibt möglichst lange im Verein oder er wirft bei seinem Abgang noch wenigstens eine hohe Ablösesumme ab, wenn er vor Vertragsende zu einem neuen Club wechselt. Spielerberater nutzen die Begehrlichkeiten des Vereins an einem Topspieler auch dazu, um mit Blick auf die Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Spielers feste Ausstiegsmöglichkeiten festzulegen.

Dabei geht es vor allem auch um eine schnellere Karriere, jünger werden auch Profisportler nicht. Denn wenn sich ein guter Spieler sportlich stark weiterentwickelt, steigt sein Marktwert und er weckt das Interesse von Vereinen, bei denen er mehr verdienen kann und ggf. auch eine sportlich bessere Perspektive hat. Die Ausstiegsklausel bietet ihm Gewähr dafür, dass er zu festgelegten Ablösesummen und festgelegten Zeitpunkten (innerhalb der Wechselperioden im Sommer oder Winter) zum nächstbesten Club wechseln kann.

Ausstiegsklauseln können aber auch im Interesse des Vereins sein – jedenfalls wenn sie hoch genug sind und der Spieler sich so gut entwickelt, dass er Begehrlichkeiten anderer Vereine weckt. Dann bieten sie dem Verein Jahr für Jahr die Gewähr, für den Fall, dass der Spieler geht,eine feststehende, zufriedenstellende Ablösesumme zu erhalten, wenn der andere Verein auch bereit ist, diese Summe zu zahlen. Zudem können die Vereine durch die Gewährung von Ausstiegsklauseln den Spieler davon überzeugen, eine möglichst lange Vertragslaufzeit zu vereinbaren (nach FIFA-Statuten maximal fünf Jahre). Der Spieler hat schließlich seine festen "Exitszenarien" im Vertrag.

Was für gewöhnlich geregelt wird

Was genau die Vertragsparteien aushandeln, ist individuell. In der Regel enthalten die Ausstiegsklauseln Verfahrensbestimmungen zur Ausübung dieses Rechts, wie die Erklärung des Spielers, von der Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen, und die Festlegung, bis wann diese Erklärung dem Verein zugehen muss. Inhaltlich regelt man meist, dass ein verbindliches Angebot des aufnehmenden Clubs zur Zahlung der festgelegten Transferentschädigung vorliegen muss, und gegebenenfalls die Abstufungen der Höhe der Transferentschädigung, gestaffelt nach sportbezogenen Voraussetzungen (z. B. erzielte Tore, Anzahl der Spiele, erreichter Tabellenplatz des Vereins oder Qualifikation für die UEFA Champions League, etc.).

Die Höhe der Transferentschädigung kann sich mit fortlaufender Zeit und Näherung zum Vertragsende Jahr für Jahr stückchenweise reduzieren. So wird auch das oben beschriebene Prinzip zur Ermittlung der Transferentschädigung – Marktwert des Spielers und Restlaufzeit des Vertrages – abgebildet.

Der Ablösesummen-Poker

Da es im Profifußball immer schneller um immer mehr Geld geht, liegt die Kunst eines erfolgreichen Clubs darin, die "richtige" Höhe der Transferentschädigung in der Ausstiegsklausel bei Vertragsschluss zu antizipieren. Dies ist eben nicht leicht, wenn man bedenkt, wie schnell sich die Transferentschädigungen in den letzten Jahren nach oben entwickelt haben. Manche Clubs mussten sich darüber ärgern, dass ein Topspieler aufgrund einer Ablösesumme für zu wenig Geld zu einem anderen Verein gewechselt ist. Bei freier Verhandelbarkeit wäre in diesen Fällen deutlich mehr möglich gewesen.

Am Ende entscheiden – wie immer im Markt – Angebot und Nachfrage. Will und braucht der Club diesen einen Spieler unbedingt, kann der Spielerberater entsprechende Ausstiegsklauseln gut durchsetzen. Dann werden auch Prinzipien über Bord geworfen: Im aktuellen Fall von Haaland hat Borussia Dortmund erstmals seit Jahren wieder einem Spieler eine Ausstiegsklausel eingeräumt. Die Dortmunder hatten Ausstiegsklauseln vor Jahren eigentlich ausgeschlossen, nachdem Mario Götze 2013 eine derartige Vereinbarung zum Wechsel zu Bayern München genutzt hatte.

Dass Borussia Dortmund wieder eine Ausstiegsklausel zulässt, liegt daran, dass der Verein dringend einen robusten und großen Mittelstürmer brauchte. Dieses Bedürfnis ist Haalands Spielerberater nicht verborgen geblieben.

Stefan Schreiber ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz am Leipziger Standort der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er ist forensisch und gutachterlich im Wettbewerbs-, Marken- und Urheberrecht tätig und auf sportrechtliche Themen, insbesondere Fußball, spezialisiert.

Zitiervorschlag

Ausstiegsklauseln in Profifußballverträgen: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39753 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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