Aggressive Werbung mit Bußgeldern ahnden, aber eine sachliche Diskussion ermöglichen: 23 Strafrechtsprofessoren haben sich für eine moderate Reform des umstrittenen § 219a StGB ausgesprochen.
Strafrechtsprofessoren des "Kriminalpolitischen Kreises" fordern eine Reform des umstrittenen § 219a StGB, um sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren.
"Man sollte das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf einen akzeptablen Kern zurückführen", so die Kölner Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven. "Ein aggressives Anpreisen kann man untersagen, aber wenn schon der bloße Hinweis auf einen an sich nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruch unter Strafe gestellt wird, ist das widersprüchlich."
Hoven gehört dem "Kriminalpolitischen Kreis" an, einem Zusammenschluss deutscher Strafrechtsprofessoren, der sich mit aktuellen kriminalpolitischen Fragen befasst. Die Gruppe hat nun eine Stellungnahme verabschiedet und sich für eine moderate Reform des § 219a StGB ausgesprochen. Unterzeichnet haben 23 der 35 Mitglieder.
Die Strafrechtler schlagen vor, das Verbot auf das Anbieten und Ankündigen strafbarer Schwangerschaftsabbrüche zu beschränken. Bisher gilt das Verbot sowohl für eine strafbare Abtreibung als auch für einen Schwangerschaftsabbruch, der aus medizinischen Gründen gerechtfertigt ist und auch für straffreie Abbrüche, die innerhalb von zwölf Wochen und nach der vorgesehenen Beratung erfolgen.
Besonders aggressive Werbung sollte in allen Fällen als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Dafür spreche auch, dass andere Fälle unerlaubter Werbung – etwa für Alkohol und Tabak – ebenfalls nicht als Straftatbestände, sondern als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet sind.
Die Union sperrt sich bisher gegen Reformen
Erst im November war die Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Webseite unter dem Begriff "Schwangerschaftsabbruch" einen Link mit Informationen zu Ablauf, Möglichkeiten und Risiken von Schwangerschaftsabbrüchen angeboten hatte.
Der Fall hatte für viel Aufsehen gesorgt. SPD, FDP, Grüne und Linke haben sich bereits für Reformen ausgesprochen – umstritten ist allerdings, ob das Werbeverbot komplett gestrichen werden soll. Die Länder Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen haben in einer Bundesratsinitiative vorgeschlagen, § 219a StGB komplett aufzuheben. Insbesondere die SPD ringt jedoch um eine Verständigung mit der Union als möglichem Koalitionspartner.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will das Werbeverbot dagegen unverändert beibehalten. Die Vorsitzende der Frauengruppe, Karin Maag, erklärte, das sei "ein wichtiger und konsequenter Bestandteil des guten Kompromisses zum Schwangerschaftsabbruch, den wir nach langem Ringen mit der Beratungslösung gefunden haben."
Es sei deshalb auch richtig, dass betroffene Frauen die Information, welche Ärzte überhaupt einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, weiterhin erst im Beratungsgespräch erhalten.
Handlungsbedarf ergibt sich allerdings nicht nur aus der aktuellen politischen Debatte. Das Verbot, selbst sachliche Informationen weiterzugeben, könne auch in Konflikt mit der EU-rechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit geraten, so der Kriminalpolitische Kreis.
Eine Kompromisslösung auch beim Werbeverbot?
Auch Hoven betont, es handele sich um ein "heikles und politisch schwieriges" Thema. "Die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch sind eine Kompromisslösung und es bietet sich an, auch beim Werbeverbot einen Kompromiss zu finden. " Es sei deshalb nicht notwendig, den Straftatbestand komplett zu streichen.
Mit der Regelung des §219a StGB wollte der Gesetzgeber auch verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als "etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird", so die Gesetzesbegründung von 1981.
Es sei allerdings nicht richtig, die öffentliche Diskussion übe Schwangerschaftsabbrüche völlig zu untersagen. "Es ist keine legitime Aufgabe des Gesetzgebers, zu bestimmen, worüber man reden darf und worüber nicht", kritisiert Hoven. "Das ist zutiefst illiberal. Und es ist auch unrealistisch, das Thema wird im Internet, in sozialen Netzwerken und Foren diskutiert."
"Mit den Gegnern von Schwangerschaftsabbrüchen ist man schon sehr großzügig und gewährt ihnen eine weitgehende Meinungsfreiheit", so Hoven. "Wenn andererseits Ärzte nicht einmal sachliche Informationen bereitstellen dürfen, wird die öffentliche Diskussion einseitig verschoben."
Annelie Kaufmann, Werbung für Schwangerschaftsabbruch: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26125 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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