Vor allem auf kommunaler Ebene kommt es immer wieder zur Wahlprüfungsverfahren, die das Verhalten des kandidierenden Bürgermeisters zum Gegenstand haben. In Bad Homburg, Hiddensee oder Bischofswerda wurden Kommunalwahlen bereits für ungültig erklärt, aktuell ist ein Verfahren in Dortmund anhängig. Stein des Anstoßes ist die amtliche Neutralitätspflicht.
Spektakuläre und öffentlichkeitswirksame Wahlprüfungsverfahren, die teilweise die Ungültigkeitserklärung von Kommunalwahlen wie in Bad Homburg, Hiddensee oder Bischofswerda zur Folge haben, führen zu der rechtlichen Frage, welche Grenzen im Wahlkampf für den kandidierenden Bürgermeister bestehen.
Die Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl gebieten, dass hoheitliche Stellen (Amtsträger) nicht in amtlicher Eigenschaft parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens einwirken. Wird die amtliche Neutralitätspflicht verletzt, fehlt der Wahl die demokratische Legitimation mit der Folge, dass sie für ungültig zu erklären ist.
In Bad Homburg hatte der amtierende Oberbürgermeister kurz vor der Kommunalwahl entgegen dem Beschluss der Gemeindevertretung ein den Wahlbewerber belastendes Gutachten nicht offenbart und dieses sogar aktiv aus einer Akte entfernt, in die ein Akteneinsichtsausschuss Einsicht nehmen wollte.
Im Fall der Kommunalwahl in der Gemeinde Seebad auf der Insel Hiddensee erklärte der amtierende Bürgermeister in dieser Funktion vor der Wahl öffentlich, dass er die Kosten für den Linienbus, mit dem Wähler am Wahltag zum Wählen fahren, aus eigener Tasche bezahlen werde. Und in der sächsischen Kreisstadt Bischofswerda hatte der amtierende Oberbürgermeister öffentlich versprochen, im Falle seiner Wiederwahl für jede erhaltene Stimme einen Euro für die Vereine der Stadt zu spenden.
Verschwundene Gutachten, Bustickets und Spenden für Vereine
Im Fall der Bad Homburger Oberbürgermeisterwahl erklärten der Hessische Verwaltungsgerichtshof und ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht die Wahl für ungültig. Es liege eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung vor, die auch durch pflichtwidrige amtliche Verhaltensweisen wie die Verletzung der amtlichen Neutralitätspflicht begangen werden könne. Maßgeblich sei, dass die gesetzeswidrige Unterdrückung des Gutachtens dazu bestimmt und geeignet gewesen sei, die Wählerwillensbildung parteiergreifend und chancenbeeinträchtigend zu beeinflussen.
Angesichts der Verhältnisse im Einzelfall (knappes Stimmenergebnis, keine Wahlempfehlung der anderen Parteien im Falle des Bekanntwerdens des Gutachtens) sei es nicht fernliegend, dass das Bekanntwerden der unterdrückten Tatsache das Wahlergebnis beeinflusst hätte.
Auch die Wahlanfechtung des Ergebnisses der Bürgermeisterwahl auf Hiddensee war erfolgreich. Mit seiner amtlichen Äußerung, die Kosten für den Linienbus für die Wähler aus eigener Tasche zu bezahlen, hat der Bürgermeister nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Greifswald gegen die sich aus seinem Amt ergebene Neutralitätspflicht verstoßen. Die Wahl wurde für ungültig erklärt, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich Wähler durch die Aussage des Bürgermeisters bei ihrer Wahlentscheidung haben beeinflussen lassen.
In dem Wahlversprechen des amtierenden Oberbürgermeisters der Kreisstadt Bischofswerda, für jede erhaltene Stimme einen Euro zu zahlen, sah das Verwaltungsgericht Dresden zwar noch keine strafbare Wählerbestechung. Allerdings liege eine zur Ungültigkeit der Wahl führende Wählerbeeinflussung vor, denn es sei Wahlwerbern nicht erlaubt, die Stimmabgabe mit einer in Aussicht gestellten Geldzahlung zu verknüpfen. Dies gelte auch dann, wenn die Spende nicht den Wählern selbst, sondern ortsansässigen Vereinen zu Gute kommen sollte. Angesichts des knappen Wahlausgangs (28 Stimmen Differenz) sei nicht auszuschließen, dass sich diese Unregelmäßigkeit auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat.
Auch Unterlassen kann anfechtungsrelevant sein
Die Entscheidungen zeigen, dass der amtierende Bürgermeister im Falle seiner Kandidatur als Amtsträger dem Gebot strikter Neutralität unterliegt. Er darf insbesondere keine Wahlempfehlungen aussprechen – und zwar weder für sich noch für andere, weder ausdrücklich noch versteckt.
Im Falle eines Verstoßes besteht das Risiko der Ungültigkeitserklärung der Wahl, sofern der Wahlfehler für das Wahlergebnis erheblich gewesen sein könnte. Sofern der amtierende Bürgermeister sich nicht in amtlicher Eigenschaft ausdrücklich in parteiergreifender Weise äußert, kann ausnahmsweise auch ein pflichtwidriges (gesetzeswidriges) Unterlassen anfechtungsrelevant sein.
So wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit angerufen, weil die Oberbürgermeister einer nordrhein-westfälischen Großstadt (Dortmund) angeblich Haushaltsschwierigkeiten (haushalts-)rechtwidrig nicht offenbart hätten. Auch auf diese Entscheidungen darf man sehr gespannt sein.
Prof. Dr. Frank Bätge ist Hochschullehrer an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung sowie Lehrbeauftragter an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und der NRW School of Governance. Im gesamten Wahlrecht sowie im Kommunalrecht ist er auch von Parlamenten als Sachverständiger für Gesetzgebungsvorhaben hinzugezogen worden. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zu wahl- und kommunalrechtlichen Fragen.
Frank Bätge, Wahlbeeinflussung: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/399 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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