Popcorn Time ist tot, lang lebe Popcorn Time! So oder ähnlich denken dieser Tage viele Nutzer angesichts der Wiederauferstehung des stark gehypeten, dann für tot erklärten und nun doch wieder verfügbaren Videodienstes. Dessen Erschaffer betonen zwar, dass die Nutzer sich nicht strafbar machen würden, aber André Stämmler hat da so seine Zweifel.
Wer heute einen aktuellen Kinofilm sehen will, muss dazu nicht mehr vor die Tür gehen. Viel schneller und bequemer kann man sich den begehrten Blockbuster mittels Filesharing-Software aus dem Internet besorgen. Dass das Ganze illegal ist, sollte nicht weiter verwundern; dass das Filesharing entsprechend verfolgt wird und teure Abmahnungen drohen, dürfte auch nichts Neues sein. Als vergleichsweise sichere Alternative gilt es hingegen, den Film im Internet auf einschlägigen Portalen zu streamen, also einfach online anzuschauen. Zwar gab es auch hier Ende 2013 eine erste Abmahnwelle. Diese verlief jedoch im Sande und brachte ihren Initiatoren vor allem Ärger ein.
Streaming bewegt sich derzeit in einer rechtlichen Grauzone. Die einen argumentieren, dass es sich dabei lediglich um eine notwendige technische Zwischenspeicherung nach § 44 a Urheberrechtsgesetz (UrhG) handele, was einen Urheberrechtsverstoß ausscheiden lässt. Andere stellen auf das Recht zur Anfertigung einer Privatkopie nach § 53 UrhG ab. Letzteres setzt allerdings voraus, dass die Quelle, von der eine Privatkopie angefertigt wird, nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Bei über ein kostenloses Videoportal angebotenen, aktuellen Blockbustern wird diese Voraussetzung indes kaum erfüllt sein. Man wird nicht annehmen können, dass ein Film, der gerade im Kino läuft, parallel kostenlos und legal im Internet bereit steht.
Ein neuer Stern am Streaming-Himmel
Ungeachtet dessen hatte selbst das Justizministerium auf eine Anfrage der Linken im Zuge der Redtube-Abmahnwelle 2013 eine Urheberrechtsverletzung bei reinem Streaming verneint.
Auch ist die Gefahr, erwischt zu werden, bei Streaming sehr viel geringer als bei Filesharing. Denn beim Streaming kennt - anders als beim Filesharing - grundsätzlich nur der Plattformbetreiber die IP-Adresse des jeweiligen Nutzers. Und ohne IP-Adresse sind eine Identifizierung und Verfolgung kaum möglich.
Kurzum: Sowohl in rechtlicher, als auch in tatsächlicher Hinsicht gilt Streaming als relativ ungefährlich. Entsprechende Portale gibt es denn auch zu Hauf. Ein Neuzugang namens "Popcorn Time" hat in den vergangenen Tagen für besonders viel Aufmerksamkeit gesorgt: Die Plattform ist einfach aufgebaut und ähnelt einer Mediathek; sie hält unzählige Serien und Filme bereit, zum Teil auch aktuelle Blockbuster, die gerade erst im Kino anlaufen. Auf den ersten Blick erinnert sie an Seiten wie Kinox.to oder movie4k.to, verspricht jedoch schneller und einfacher als andere Portale zu funktionieren. Eine gute Alternative also, könnte man meinen. Doch vor allem eine riskante.
Bittorrent statt klassischem Streaming
Denn obwohl Popcorn Time oberflächlich nach den gleichen Prinzipien zu funktionieren scheint wie andere Streamingdienste, kommt im Hintergrund doch eine andere Technik zum Einsatz. Bei Portalen wie etwa kinox.to wird der Film nur in einem sogenannten Cache zwischengespeichert. Hier kann man das Argument der technisch notwendigen Zwischenspeicherung (§ 44 aUrHG) gut anbringen und eine Urheberrechtsverletzung bereits aus diesem Grund verneinen.
Anders sieht es aber bei Popcorn Time aus. Denn was dort im Gewand des reinen Streamings daherkommt, ist in Wahrheit eine Filesharingsoftware. Während der Nutzer meint, den Film nur "online anzuschauen", wird dieser tatsächlich in einem versteckten Verzeichnis auf der Festplatte gespeichert. Mehr noch: Er wird auch fortlaufend an andere Nutzer von Popcorn Time hochgeladen. Die Software verteilt somit die einzelnen Teile des Filme im Hintergrund unter den Nutzern und setzt diese zu einem Stream zusammen.
Dieses Verfahren entspricht technisch dem klassischen Filesharing, auch wenn es vordergründig wie ein Stream wirkt. § 44 UrhG und – zumindest bei aktuellen Filmen – auch § 53 UrhG scheiden somit als mögliche Rechtfertigung aus. Vielmehr liegt recht eindeutig ein Verstoß gegen das Urheberrecht vor, der entsprechend geahndet werden kann.
IP-Ermittlung einfach möglich
Und nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht droht den Nutzern Ungemach. Da technisch betrachtet ein klassisches Filesharing-Netzwerk via Bittorrent vorliegt, wird es für die Anwälte der Rechteinhaber unschwer möglich sein, an die IP-Adresse der einzelnen Nutzer zu gelangen und über die üblichen Wege (Auskunftsbeschluss und Auskunftsersuchen beim Provider) auch den Anschlussinhaber zu ermitteln. Die anschließende Abmahnung mit entsprechender Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung eines bestimmten Betrages wird dann nicht lange auf sich warten lassen.
Während sich beim klassischen Filesharing der Nutzer wohl zumeist im Klaren ist, was er gerade tut und welche Konsequenzen drohen, dürfte dies bei vielen Nutzern von Popcorn Time anders aussehen. Zwar weist das Portal ausdrücklich darauf hin, dass es sich um ein Torrentsystem handelt. Viele Nutzer werden diesen Hinweis aber wohl nicht verstehen oder ernst nehmen. Wer sich also nicht dem Risiko einer Abmahnung aussetzen will, für den gilt: Finger weg! Andernfalls könnte sich die neue Plattform als das teuerste Popcorn aller Zeiten erweisen.
Der Autor André Stämmler ist Rechtsanwalt für Urheberrecht und IT-Recht und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Öffentliches Recht an der Technischen Universität Ilmenau.
Videoplattform Popcorn Time : . In: Legal Tribune Online, 19.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11373 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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