Von der Politik in die Wirtschaft: "Interessenkonflikte erwünscht"

Interview mit Prof. Dr. jur. Michael Kubiciel

06.01.2014

2/2: "Pofalla muss sein Bundestagsmandat nicht aufgeben"

LTO: Zurück zu Pofalla: Kann er weiter Bundestagsabgeordneter bleiben, wenn er tatsächlich in Zukunft im Vorstand der Deutschen Bahn sitzt?

Kubiciel: Rechtlich ist er nicht dazu verpflichtet, sein Amt aufzugeben. Im Gegensatz zu Ministern dürfen Abgeordnete Nebentätigkeiten nachgehen. Sie müssen diese nur der Bundestagsverwaltung anzeigen und dabei auch die Gehaltsstufe offenlegen. Ob Pofalla sein Bundestagsmandat aufgibt, ist ebenfalls eine Frage der politischen Ästhetik.

LTO: Gibt es Grenzen für Nebentätigkeiten von Abgeordneten?

Kubiciel: Nein, der Umfang ist zeitlich nicht begrenzt und die Höhe der Einnahmen ist nach oben offen. Faktisch ist es aber natürlich auch für Parlamentarier nicht möglich, ihren Abgeordnetenstatus zur Fassade werden zu lassen. Schließlich müssen sie ihre Aufgaben in den Ausschüssen oder im Wahlkreis wahrnehmen.

LTO: Reichen die Regelungen für die Nebentätigkeit von Abgeordneten aus?

Kubiciel: Die kürzlich in Kraft getretene Verbesserung der Transparenz bei den Nebeneinkünften geht in die richtige Richtung. Das System ist mittlerweile schon sehr fein ausdifferenziert. Sicherlich wäre es ideal, wenn Abgeordnete verpflichtet wären, die Höhe ihrer Nebeneinkommen auf Heller und Pfennig offenzulegen. Ich weiß, dass es da rechtliche Schwierigkeiten gibt bei Freiberuflern, insbesondere bei Rechtsanwälten. Aber ich denke, das wäre lösbar.

Allerdings gibt es das aktuelle System ja auch erst seit Kurzem. Das sollte man erst einmal wirken lassen.

"Deutsche Bahn wird Pofalla nicht als Dankeschön einstellen"

LTO: Was ist mit dem umgekehrten Wechsel, von der Wirtschaft in die Politik?

Kubiciel: In diesem Fall ist ein "Interessenkonflikt" sogar erwünscht. Wenn Personen aus der Wirtschaft in die Politik wechseln, dann sollen sie ja gerade ihre Expertise und ihre Erfahrung in den politischen Prozess einbringen. Wir wollen ja nicht nur Berufspolitiker, sondern auch Abgeordnete und Minister, die aus dem realen Leben kommen. Und eben weil unser politisches System keine reine politische Berufselite kennt, ist die Möglichkeit eines Interessenkonflikts angelegt.

LTO: Aus der Perspektive des Strafrechtlers: Wann ist die Grenze zur Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit überschritten?

Kubiciel: Im Fall von Roland Pofalla sicherlich nicht. Man wird nicht nachweisen können, dass das Jobangebot der Deutschen Bahn eine Gegenleistung ist, für eine Diensthandlung des ehemaligen Kanzleramtsministers. Das Unternehmen wird Pofalla nicht als Dankeschön einstellen, sondern um seine Expertise zu nutzen.

Bemerkenswert ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Vorteilsannahme sinkt, je enger der Bezug zwischen der späteren privaten Tätigkeit und der Tätigkeit im Amt ist. Umgekehrt heißt das: Ein klarer Fall der Vorteilsannahme läge vor, wenn ein Unternehmen einen ehemaligen Minister in einem Bereich einsetzt, für den er keinerlei Expertise hat. Letzteres lässt sich gerade bei den Herren Pofalla oder von Klaeden nicht sagen.

"Enquete-Kommission sollte Best-Practice-Regeln aufstellen"

LTO: Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD vorgenommen, angemessene Regelungen für scheidende Kabinettsmitglieder, Staatssekretäre und politische Beamte zu finden, um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden. Wie könnte das funktionieren?

Kubiciel: Zurzeit versucht man, die Probleme zu lösen, indem man aufs Strafrecht verweist. Da wird etwa die unzureichende Gestaltung der Abgeordnetenbestechung bemängelt. Wichtiger wäre es aber, die Verhaltensregeln zu präzisieren, an die das Strafrecht anknüpft. Die sind bisher viel zu diffus. Das betrifft sowohl die Regeln für Abgeordnete als auch jene für Minister.

Ich glaube jedoch nicht, dass die Politik alleine in der Lage ist, die Regeln zu präzisieren. Häufig fehlt der politische Wille, weil man selbst betroffen sein könnte. Auch besteht die Sorge, es könnten Verhaltensweisen verboten werden, die im politischen Geschäft unerlässlich sind. Deshalb sollte man eine Enquete-Kommission einsetzen, die Best-Practice-Regeln aufstellt. In einer solchen Kommission sollten neben aktiven auch altgediente Politiker sowie Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sitzen.

LTO: Gibt es solche Überlegungen bereits?

Kubiciel: Von Seiten der Bundesregierung ist mir das nicht bekannt. Aber die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung, also der Interessenverband der Lobbyisten, macht ähnliche Vorschläge. Die haben auch ein Interesse daran, sich von schwarzen Schafen zu distanzieren und das Verhältnis zwischen Privatwirtschaft und Politik auf eine transparente Basis zu stellen.

LTO: Die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm vorgeschlagen, dass spätere Tätigkeiten ehemaliger Regierungsmitglieder von einer Ethikkommission oder dem Bundeskanzler genehmigt werden sollten. Was halten Sie davon?

Kubiciel: Von einer Genehmigung durch den Bundeskanzler halte ich nichts. Hier bestünde die Gefahr, dass die Entscheidung hauptsächlich politisch getroffen wird. Stellen Sie sich vor, Frau Merkel hätte über die Tätigkeiten von Herrn Schröder und seinen Ministern entscheiden müssen! Besser finde ich die Einschaltung einer Ethikkommission oder, das wäre meine Empfehlung, eines Bundesbeauftragten für Lobbykontrolle. Letzterer müsste jedoch erst geschaffen werden.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Professor Dr. Michael Kubiciel ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafrechtstheorie und Strafrechtsvergleichung an der Universität zu Köln. Er berät die EU in Antikorruptionsfragen, gibt hier aber ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. jur. Michael Kubiciel, Von der Politik in die Wirtschaft: . In: Legal Tribune Online, 06.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10554 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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