Eine Anleitung für Anfänger unter dem Titel "Juristische Arbeitstechniken und Methoden" ist wegen Plagiatvorwürfen seit kurzem nicht mehr im Handel. Das Autorentrio um den Münsteraner Rechtsprofessor Bernd Holznagel will das Malheur jetzt mit einer fragwürdigen "Stellungnahme" aufarbeiten. Ob er damit durchkommen wird, fragt Hermann Horstkotte.
"Selbstverständlich muss auch ein Studienbuch wörtlich Übernommenes ordnungsgemäß zitieren. Das ist an vielen Stellen nicht erfolgt", gestehen die Verfasser. Das ist auch ganz unbestreitbar, nachdem auf der Internetplattform Vroniplag seit Mitte Juni Nachweise vorliegen. Also alles klar? Nicht so ganz. Denn nach der Ja-Aber-Methode folgt in der "Stellungnahme" der verdächtigten Juristen gleich ein relativierender Einwand: Es sei "festzuhalten, dass ein Studienbuch nicht den Anspruch einer originären wissenschaftlichen Publikation erheben kann und soll" wie etwa eine Doktorarbeit mit ihrer beeindruckenden Fußnotenfülle.
Für alle "Mängel" des Studienbuchs übernimmt Seniorautor Holznagel zwar allein "die Verantwortung, auch in finanzieller Hinsicht" für Regressansprüche des Verlags. Aber: Viele Köche haben angeblich den Brei verdorben. Denn an dem Lehrbuch waren auch ungenannte "jüngere Mitarbeiter des Instituts" beteiligt, die besser "in einem Vorwort hätten erwähnt werden sollen", meinen die drei Titel-Autoren heute. Trotzdem erklärt Holznagel gegenüber dem Autor: "Ich werde weder eine inquisitorische Untersuchung im Institut durchführen, wer genau wann was gemacht (oder eben nicht gemacht) hat, noch einzelne Mitarbeiter outen." Was so be(un)ruhigend klingt wie die Worte von Bundstrainer Jogi Löw nach dem Finito statt Finale bei der Fußball-EM: "Man sollte nicht den Fehler machen, alles zu hinterfragen."
Fragliche Zitierregeln
Am Ende kommen die ertappten Sünder zu dem entlastenden Schluss: "Die Diskussion um unseren Fall macht deutlich, dass für didaktisch gestaltete Texte ein verbindlicher Code of Citation bislang fehlt." Hier sehen sie "für die Zukunft weiteren Diskussionsbedarf." Genau das hatte Hans-Peter Schwintowski schon vor drei Jahren den Kritikern seiner ebenfalls eingestampften "Juristischen Methodenlehre" vorgehalten. So gesehen, wären die Autoren eines Lehrbuchs eigentlich Opfer unzureichender Regelungen über Mein und Dein. Mit dieser Frage befasst sch jetzt die Uni Münster, ohne in der "Personalangelegenheit" vorläufig mehr sagen zu wollen.
Tatsächlich gibt es Grenzen, an denen jeder Textproduzent die Reißleine ziehen muss, so beim Urheberrecht. Dementsprechend hatte sich Holznagel schon in einem ersten Statement "bei den Autoren" entschuldigt, "deren Werke nicht korrekt zitiert wurden." Demgegenüber stellt der Münchener Rechtsprofessor Volker Rieble in seinem Standardwerk "Das Wissenschaftsplagiat" (2010) die möglichst klare Leserorientierung in den Mittelpunkt. Deshalb fordert er, überhaupt alle "Fremdtexte auszuweisen", selbst wenn es sich um urheberrechtlich nicht geschütztes, "gemeinfreies" (Allerwelts-)Wissen handelt. Für den Nomos-Verlagsmanager Johannes Rux ist völlig klar: "Auch in Elementarbüchern müssen die Autoren Gewähr dafür übernehmen, dass ihre Formulierungen wirklich ihre eigenen sind. Was abgeschrieben ist, gehört zwischen Anführungszeichen." Unter dieser Voraussetzung kann der Fußnotenapparat auch in einem Kurzkommentar anders ausfallen als in einem vertiefenden Nachschlagewerk oder einer Spezialuntersuchung.
Rügen statt Strafen
In einer Reihe von Plagiatfällen haben die Unileitungen "gefallene" Professoren öffentlich gerügt, im Jahr 2000 in Erlangen-Nürnberg, dann in Darmstadt, an der Berliner Humboldt-Universität, in Frankfurt/Main. Diese "Rügen" blieben unterhalb des Disziplinarrechts, waren also moralische Standpauken ohne dienst- oder strafrechtliche Folgen. Die Uni Potsdam allerdings entzog einem plagiierenden Mathematikprofessor vor einem Jahr das Prüfungsrecht bei Promotionen und Habilitationen – was dem jedoch weniger wehtat, weil er schon 67 und pensioniert war. Weil sie ihre Stelle mit einer abgekupferten Doktorarbeit erschlichen hatte, musste eine Frankfurter Fachhochschullehrerin im vorigen Jahr den Dienst quittieren.
Der Deutsche Hochschulverband, die Berufsvertretung der Universitätsprofessoren, droht den Mitgliedern mit Ausschluss oder einer "förmlichen Missbilligung", wenn sie das Ansehen des Verbands schwer schädigen. Das Präsidium befasst sich mit der Causa Holznagel turnusmäßig im August. In anderen Fällen zogen zwei Jura-Professoren den Austritt vor. Ob Kollege Holznagel mit seiner "Stellungnahme" punkten kann und durchkommt, ist eine Frage der akademischen Glaubwürdigkeit.
Der Autor Hermann Horstkotte arbeitet als selbständiger Journalist mit Schwerpunkt Hochschulthemen in Bonn. Er ist zugleich Privatdozent an der Technischen Hochschule Aachen.
Nach Plagiatsverdacht gegen Lehrbuch-Autoren: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6509 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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