Claudia Pechstein und beamtenrechtliches Mäßigungsgebot: Dienst­ver­gehen durch CDU-Auf­tritt in Poli­zei­u­ni­form?

von Dr. Patrick Heinemann

18.06.2023

Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ist im Hauptberuf Bundespolizistin. Auf einer Veranstaltung der CDU am Samstag hielt sie in Polizeiuniform eine politische Rede. Ob das ein Dienstvergehen darstellt, untersucht Patrick Heinemann.

Die Bundespolizeibeamtin und Profi-Eisschnellläuferin Claudia Pechstein trat am 17. Juni auf dem CDU-Grundsatzkonvent in Uniform auf. Angekündigt war ihre Rede als Stimme „des Sports und unserer Vereine“, allerdings widmete sie sich darin auch kontroversen Themen wie Abschiebungen und Gendern. Pechsteins Auftritt sorgte sowohl inhaltlich als auch der äußeren Form nach bei Teilen der Öffentlichkeit für Irritationen. 

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Nicht wenige fragen sich: Durfte sie das?

Dienstvergehen von Pechstein?

Viel spricht dafür, dass Claudia Pechstein mit ihrem Auftritt in Uniform ein Dienstvergehen beging, also schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzte (§ 77 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG)). Zunächst einmal ist ihr das Tragen der Uniform auf der CDU-Veranstaltung nicht von Seiten der Bundespolizei genehmigt worden, wie T-Online berichtet. Ebenso heißt es, die Bundespolizei habe eine „dienstrechtliche Prüfung“ eingeleitet. Damit dürften disziplinarrechtliche Vorermittlungen vor der förmlichen Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemeint sein.

Liegt ein Dienstvergehen vor, kann dieses mit einer Disziplinarmaßnahme nach dem Bundesdisziplinargesetz (BDG) geahndet werden (§ 77 Abs. 3 BBG). Diese reichen bei aktiven Beamtinnen und Beamten in Abhängigkeit von der Schwere des Dienstvergehens von einem einfachen Verweis über eine Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge sowie die Zurückstufung („Degradierung“) bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnisse. Welche Pflichtverstöße kommen im Fall von Pechstein in Betracht?

Claudia Pechstein selbst äußert sich gegenüber der Bild-Zeitung. Ihr sei der Auftritt in Uniform von einem Vorgesetzten freigestellt worden. Ein Verbot die Uniform zu tragen bestünde nicht. "Ich war bei der CDU zu Gast – und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin (...) Es ist mir eine Ehre, diese Uniform zu tragen. Ich würde sie auch wieder tragen.", so Pechstein zu Bild. Doch wie ist die Rechtslage?  

Für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr regelt § 15 Abs. 3 Soldatengesetz (SG) klipp und klar, dass sie bei politischen Veranstaltungen keine Uniform tragen dürfen. Eine entsprechende Vorschrift fehlt im Bundespolizeigesetz (BPolG). Ein allgemeines Recht auf Tragen der Uniform außerhalb des Dienstes gibt es nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht; vielmehr stellt umgekehrt die Pflicht zum Uniformtragen während des Dienstes einen Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG dar.

Mäßigungsgebot gilt auch für Claudia Pechstein

Eigentlich problematisch am Verhalten von Claudia Pechstein ist aber nicht das außerdienstliche Uniformtragen an sich, sondern der konkrete Kontext der CDU-Parteiveranstaltung. Denn Beamtinnen und Beamte unterliegen auch außerdienstlich dem Mäßigungsgebot des § 60 Abs. 2 BBG. Anders als viele meinen, geht es hier also nicht in erster Linie um die Neutralitätspflicht, die unmittelbar nur die Amtsführung betrifft (§ 60 Abs. 1 Satz 2 BBG).

Nach dem Mäßigungsgebot müssen Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei (§ 60 Abs. 1 Satz 1 BBG)

Eine Bundespolizeibeamtin muss durch ihr Auftreten daher auch außerhalb des Dienstes jeden Anschein vermeiden, sie werde ihr Amt nicht unparteiisch und ausschließlich am Gemeinwohl orientiert wahrnehmen (§ 60 Abs. 1 Satz 2 BBG).

Daher dürfen ihre Meinungsäußerungen nicht Formen annehmen, die aus der Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters geeignet sind, Zweifel an einer politisch neutralen, nur dem Allgemeinwohl verpflichteten Amtsführung ohne Ansehen der Person hervorzurufen. 

Je größer der Bezug zur Diensttätigkeit, desto größer muss Zurückhaltung sein

Diese Einschränkung der freien Meinungsäußerung durch die beamtenrechtliche Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung ist jedoch stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG auszulegen. Deshalb ist bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten einer Beamtin Rückschlüsse auf die Amtsführung zulässt, grundsätzlich Zurückhaltung geboten.

Im außerdienstlichen Bereich hängt das erforderliche Maß der Mäßigung und Zurückhaltung davon ab, ob und inwieweit die politische Betätigung einen Bezug zur dienstlichen Stellung und zu den dienstlichen Aufgaben aufweist. Jedenfalls müssen Beamtinnen und Beamte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch außerhalb des Dienstes darauf bedacht sein, eine klare Trennung zwischen dem Amt und der Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. Einschränkungen ergeben sich dabei insbesondere für den Stil der politischen Betätigung und die Wortwahl politischer Meinungsäußerungen. 

Wer diese Trennung praktiziert und sich nicht erheblich im Ton vergreift, kann unproblematisch außerhalb des Dienstes am Meinungskampf teilnehmen und auch für politische Ämter kandidieren, wie es Pechstein etwa bei der Bundestagswahl 2021 tat, als sie erfolglos gegen Gregor Gysi um das Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Treptow – Köpenick kandidierte.

Auf dünnem Eis 

Diesen Anforderungen dürfte Claudia Pechstein mit ihrem Uniformauftritt kaum gerecht geworden sein. Der durchschnittliche Betrachter wird bei einer Person, die eine Polizeiuniform trägt, zunächst davon ausgehen, dass sie in dienstlicher Funktion auftritt und für ihren jeweiligen Dienstherrn spricht. Das war bei Claudia Pechstein aber gerade nicht der Fall. 

Die gebotene klare Trennung zwischen ihrem Amt als Polizeibeamtin und ihrer Teilnahme am politischen Meinungskampf hat das Verhalten von Claudia Pechstein damit missen lassen. Hinzu kommt, dass Pechstein sich in ihrer Rede meinungsstark zu Themen geäußert hat, die in der Gesellschaft aktuell sehr kontrovers diskutiert werden und zum Teil auch einen Bezug zur Bundespolizei haben. So forderte sie die konsequente Abschiebung von Geflüchteten, deren Asylanträge abgelehnt worden. 

Fern von jeder Neutralität

Pikant dabei: Die Rückführung der betroffenen Ausländer fällt in die Zuständigkeit der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden (§ 71 Abs. 3 Nr. 1d Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Das ist in erster Linie die Bundespolizei (§ 2 BPolG), weshalb Pechsteins Äußerungen hier auch einen erheblichen inhaltlichen Bezug zu ihrem Polizeiberuf aufweisen. Von einer konsequenten Abschiebungspraxis versprach sie sich in ihrer Rede mehr Sicherheit im Alltag und meinte in diesem Zusammenhang, Frauen und Ältere müssten öffentliche Verkehrsmittel „ohne ängstliche Blicke“ nutzen können.

Dies anzugehen sei hundertmal wichtiger „als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen“. Dabei dürfte gerade die von Pechstein gewählte Bezeichnung der heute vornehmlich als „Balkanschnitzel“ genossenen Speise problematisch sein, da die im Nationalsozialismus verfolgten und teils bis heute gesellschaftlich stark ausgegrenzten Roma und Sinti den Begriff „Zigeuner“ als herabsetzend empfinden und ablehnen.

Mit Blick auf die fehlende Trennung zu ihrem Polizeiberuf, den Pechstein durch das Tragen ihrer Uniform bei dieser Äußerung markierte, kann von der gebotenen Mäßigung auch insofern nicht mehr wirklich die Rede sein.

CDU misst mit zweierlei Maß

Erstaunlich an dem gesamten Vorgang ist allerdings auch, dass niemand der bei der Veranstaltung anwesenden CDU-Mitglieder rechtzeitig die Notbremse zog und Pechstein von ihrem Uniformauftritt abhielt. Die Partei will laut T-Online im Vorfeld keine Kenntnis davon gehabt haben, dass die ehemalige Spitzensportlerin Dienstkleidung tragen würde. Doch auch im Nachhinein erhebt sich bislang keine prominente Stimme aus dem Unionslager, die Pechsteins Auftritt kritisch hinterfragt. 

Dabei sind es vor allem Anhängerinnen und Anhänger von CDU und CSU, die in anderem Kontext stets auf die Neutralität des Staates pochen und sich etwa für Kopftuchverbote gegen muslimische Lehrerinnen einsetzen. Wer dagegen eine Polizeibeamtin, die in Uniform auf einer Parteiveranstaltung spricht, für unproblematisch hält, misst mit zweierlei Maß: Denn im Vergleich zu einer Lehrerin, die aus religiöser Motivation ein Kopftuch trägt, dürfte dem durchschnittlichen Betrachter die Abstraktion von Amt und Person bei einer uniformtragenden Polizeibeamtin, die mit kontroversen Meinungsäußerungen auffällt, deutlich schwerer fallen. So war nicht zu erkennen, dass Pechstein als Privatperson sprach und nicht als konservatives Aushängeschild der Bundespolizei.

Zitiervorschlag

Claudia Pechstein und beamtenrechtliches Mäßigungsgebot: . In: Legal Tribune Online, 18.06.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52022 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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