Das OLG Stuttgart hat im ersten Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch die beiden Angeklagten schuldig gesprochen. Die Entscheidung des 5. Strafsenats hat mit einem fairen Verfahren wenig zu tun, kommentiert Ex-Verteidiger Jan Bockemühl.
Als der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Jürgen Hettich die Urteilsbegründung um 10:04 Uhr im schmucklosen Sitzungssaal 6 im OLG Stuttgart begann, stellte er den längsten Prozess in der Geschichte des Gerichts unter das Motto: "So geht es nicht".
Es war der erste Prozess, in welchem Tatvorwürfe nach dem am 30. Juni 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verhandelt wurden. Die Hauptverhandlung lief seit dem 4. Mai 2011.
Fast vier Jahre und fünf Monate später haben das Verfahren und das nun gesprochene Urteil deutlich gezeigt, dass die Bundesanwaltschaft mit ihrer vollmundigen Anklage gescheitert ist. Der Strafsenat ist mit seinem heutigen Urteil deutlich hinter ihren Anträgen zurückgeblieben. Die Bewährungsprobe für das Völkerstrafgesetzbuch ist, auch wenn Menschenrechtler das nach der Urteilsverkündung am Montag anders beurteilten, nicht gelungen.
13 und acht Jahre Haft
In dem Prozess ging es um Vorkommnisse aus dem Jahre 2009 während kriegerischer Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo. Die Angeklagten sollen dabei als Rebellenführer Verbrechen der FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda) nicht verhindert und sich somit nach § 4 VStGB (Vorgesetztenverantwortlichkeit) strafbar gemacht haben.
Der Hauptangeklagte Dr. Ignace M. wurde am Montag wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit der Verurteilung blieb der Senat deutlich hinter dem Antrag des Generalbundesanwalts zurück, der eine lebenslange Freiheitsstrafe und zudem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beantragt hatte.
Der Haftbefehl gegen den Mitangeklagten Straton M., den der 5. Senat wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu acht Jahren Haft verurteilte, wurde aufgrund der langen Untersuchungshaft seit dem 17. November 2009 aufgehoben .
Von den 16 angeklagten Taten waren elf im Laufe des Verfahrens bereits eingestellt worden. Die Bewertung des Generalbundesanwalts (GBA), die Angeklagten verantwortlich zu machen, da sie angebliche Vorgesetze im Sinne des § 4 VStGB gewesen sein sollten, hatte die Verteidigung beider Angeklagter bereits zu Beginn der Hauptverhandlung in ihrer Entgegnung auf die Anklageschrift für rechtlich nicht haltbar erachtet.
Deutsche StPO gewährleistet kein faires Verfahren für Auslandsprozesse
Auch der Senat gab im Verlauf der Hauptverhandlung wiederholt rechtliche Hinweise, in der von dieser ursprünglichen rechtlichen Bewertung immer weiter abgewichen wurde. Dies ist auch einer aktiven Verteidigung geschuldet, die ihre Verpflichtung zur bestmöglichen Verteidigung ihrer Mandanten nie aus dem Auge verloren hat - trotz massiver Anfeindungen und Diskreditierungen durch Presse und Bundesanwaltschaft nebst eigener strafrechtlicher Verfolgung.
Auch in prozessualer Hinsicht hat das Verfahren gezeigt, dass die deutsche Strafjustiz mit Verfahren mit ausschließlichem Auslandsbezug überfordert ist und dieses Verfahren an dem dafür eigens eingerichteten Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu verhandeln sind.
Die vorgesehene Subsidiarität der Zuständigkeit des IStGH hat sich als rechtspolitische Fehlentscheidung erwiesen. Das deutsche Strafprozessrecht gewährleistet in Verfahren, in denen es ausschließlich um Auslandstaten geht und die mutmaßlichen Opfer und Zeugen sich im Ausland befinden, keine rechtliche Handhabe für die Durchführung eines nur ansatzweise fairen Verfahrens, wie es das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention verlangen.
Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17025 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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