2/2: OLG München: Check-Mail als Werbung
Das Double-Opt-In-Verfahren bot bis dato in einem von Unkenntnis und Rechtsunsicherheit geprägten Tätigkeitsfeld zumindest ein wenig Orientierung sowie die Gewissheit, sich rechtskonform zu verhalten.
Sogar der Bundesgerichtshof – so jedenfalls die allgemeine Lesart des Urteils vom 10. Februar 2011 (BGH, Az. I ZR 164/09 – Double-Opt-in-Verfahren) hat dem Double-Opt-In-Verfahren für den Bereich der E-Mail-Werbung im Grundsatz seinen Segen erteilt. Gegenstand der Entscheidung war allerdings, ob sich Double-Opt-In auch für den Bereich der Telefonwerbung eignet. Dort eine wirksame Einwilligung nachzuweisen, hielt der I. Zivilsenat allerdings eindeutig nicht für möglich.
Mit seinem jüngst bekannt gewordenen Urteil lässt nun das Oberlandesgericht München die Online-Branche rat-, wenn nicht sogar fassungslos zurück. Nach Auffassung der Münchner Richter stellt nämlich eine Check-Mail keineswegs eine hinzunehmende, weil sozialadäquate Belästigung dar, sondern schlichte Werbung, für die der Absender das Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung nachweisen müsse (OLG München, Urt. v. 27.09.2012, Az. 29 U 1682/12).
Aus rechtlicher Sicht ist das Ergebnis des OLG München nachvollziehbar. Der 29. Zivilsenat legt einen sehr weiten Begriff von "Werbung" zugrunde und befindet sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH und zahlreicher Oberlandesgerichte. Es ist ebenfalls anerkannt, dass die strengen Maßstäbe der Vorschrift des § 7 UWG, die keine Wertungsmöglichkeiten im Einzelfall vorsieht, auch dann gelten, wenn der Betroffene die Verletzung seines Persönlichkeits- oder Unternehmensrecht geltend macht.
Wenn die Katze sich in den Schwanz beißt
Dennoch: Die Münchner Richter hielten es offenbar nicht für erforderlich, sich mit den früheren Erwägungen des LG Berlin sowie des AG München auseinanderzusetzen. Die beiden Urteile, welche letztlich die Legitimation des Double-Opt-In-Verfahrens begründeten, sind an keiner Stelle erwähnt.
Bemerkenswert ist auch, dass das OLG München eine zweite E-Mail an das klagende Steuerberatungsbüro als rechtmäßig bewertete. Es stand nämlich fest, dass der Link in der Check-Mail aus dem E-Mail-Account der Steuerberater heraus angeklickt worden war, woraufhin in einer zweiten Mail die Bestellung des Newsletters endgültig bestätigt wurde. Darin sah das Gericht den Nachweis einer ausdrücklichen Einwilligung in den Bezug der zweiten Mail.
Widerspruchsfrei lassen sich diese beiden gegenteiligen Ergebnisse des Urteils kaum begründen. Ein von der Rechtsprechung mit Billigung des BGH gefordertes einheitliches Verfahren kann nicht nur dann zulässig sein, wenn die Check-Mail ausschließlich bei solchen Adressaten eingeht, die sie angefordert haben.
Denn die zweifache Funktion des Double-Opt-In, einerseits die Versendung unverlangter Newsletter zu verhindern und andererseits den Nachweis von Einwilligungen zu erbringen, ist nicht teilbar. Die erste Funktion gehört untrennbar zur zweiten dazu. Und sie hat unvermeidbar zur Folge, dass immer wieder Check-Mails an Adressen gehen, deren Inhaber keine Werbung bestellt haben.
Klärung aus Karlsruhe zweifelhaft – aber kein Grund zur Panik
Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof diese für sämtliche Akteure auf dem Gebiet des Direktmarketings fundamentale Frage beantworten wird – wenn sie ihm denn gestellt wird.
Den Weg nach Karlsruhe hat das OLG immerhin eröffnet und bezüglich der Frage des Werbecharakters einer Check-Mail im Double-Opt-In-Verfahren die Revision zugelassen. Auf Nachfrage der LTO-Redaktion war in München aus der Akte nicht ersichtlich, dass das beklagte Unternehmen Rechtsmittel eingelegt hätte, auch beim BGH ist nach Angaben der dortigen Pressestelle keine Revision eingegangen.
Die Praxis sollte sich in der Zwischenzeit allerdings nicht allzu sehr verunsichern lassen.
Da die Rechtsprechung seit Jahren einhellig das Double-Opt-In-Verfahren als Nachweis von Einwilligungen verlangt und derzeit keine praktikable Alternative bekannt ist, bleibt auch nichts anderes, als die Praxis beizubehalten. Schließlich ist zu erwarten, dass andere Gerichte zukünftig wieder so entscheiden, wie das LG Berlin und das AG München vor einigen Jahren.
Der Autor Dr. Markus Robak ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Jonas Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln.
OLG München zum Double-Opt-In-Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 23.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7631 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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