2/2: Türkei-Reise derzeit eine wichtige Angelegenheit…
Das OLG hat die Wirksamkeit des Beschlusses der Vorinstanz einstweilen ausgesetzt. Zutreffend sei, dass eine Urlaubsreise in die Türkei unter den derzeitigen Umständen keine Angelegenheit des täglichen Lebens darstelle. Dies sei zwar bei Urlaubsreisen nicht generell der Fall. Wenn jedoch Umstände vorlägen, bei denen eine Reise besondere Gefahren mit sich bringe, müssten eben beide Eltern gemeinsam über die Reise entscheiden.
Im Falle einer Urlaubsreise in die Türkei liegen nach Ansicht des Gerichts aktuell besondere Risiken vor. Tatsächlich ist das Land in den vergangenen Monaten immer wieder Ziel terroristischer Anschläge gewesen. Laut Medienberichten gab es dabei auch Drohungen extremistischer Gruppen mit Anschlägen in der Touristenregion um Antalya. Zwar schließe die Gefahrenlage Urlaubsreisen in diese Region nicht generell aus, so das OLG. Wenn sich Eltern aber dazu entschieden, mit ihren Kindern dort ihren Urlaub zu verbringen, so müsse die Entscheidung bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern von beiden Eltern getragen werden.
… die von beiden Elternteilen getragen werden muss
Da der Vater die Zustimmung nicht erteilt hat, hatte das Gericht zudem darüber zu entscheiden, ob der Mutter die Alleinentscheidungsbefugnis über den Reiseantritt zu übertragen war. Hier hatte der Senat erhebliche Zweifel daran, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände eine Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis rechtfertigen. Die Freude des Kindes auf den Urlaub ebenso wie eventuelle finanzielle Folgen eines Rücktritts von der Reise spielten bei dieser Entscheidung eine Rolle.
Vor allem aber berücksichtigte das OLG bei seiner Entscheidung, dass sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstellt. So wiege besonders schwer, dass in dem Land der Ausnahmezustand ausgerufen worden ist und es aufgrund des Putschversuches und der Vielzahl von Verhaftungen zu Unruhen in der Türkei kommen könne, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregion haben könnten. Auch die Region um Antalya war schon im Jahr 2015 bereits von Terroranschlägen betroffen. Dabei sei weniger darauf abzustellen, dass das Auswärtige Amt bisher keine Reisewarnung für die Türkei ausgesprochen hat, weil sich solche Reisewarnungen nach ganz anderen Kriterien richteten und dabei auch volkswirtschaftliche und diplomatische Auswirkungen im Blick hätten.
Die Befürchtungen des Vaters seien angesichts der aktuellen Ereignisse nicht als schikanöse Intervention zu bewerten und daher nicht von vornherein unbegründet, so die Richter im Ergebnis. Bei geplanten Reisen in Regionen, deren Lage nicht stabil ist, ist also die Zustimmung des mitsorgeberechtigten Elternteils einzuholen.
Akute Gefährdungslage erfordert meist beidseitiges Einverständnis
Bereits in der Vergangenheit hat es Entscheidungen gegeben, wonach eine Urlaubsreise eines Kindes in ein risikobehaftetes Land eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung darstellt, sei aus gesundheitlichen Gründen, aufgrund eines unbekannten Kulturkreises oder auch aufgrund der Gefahr terroristischer Anschläge (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 26.10.1998, Az. 14 UF 170-98 u. Beschl. v. 04.06.2004, Az. 4 WF 4/04).
Maßgeblich ist jedoch jeweils die Situation im geplanten Urlaubsgebiet. Nicht immer bedeutet eine lange Urlaubsreise auch eine erhebliche Angelegenheit für das Kind. Insbesondere dann, wenn das Kind mit dem Kulturkreis des Reiselandes vertraut ist, kann sich die Entscheidung auch als Angelegenheit des täglichen Lebens darstellen, so dass der jeweilige Elternteil die Entscheidung über den Reiseantritt auch allein treffen kann.
Besteht in dem Urlaubsgebiet eine akute Gefährdungslage, so wird man aber davon ausgehen müssen, dass die Entscheidung über den Reiseantritt des Kindes nur von beiden Eltern gemeinsam getroffen werden kann.
Die Autorin Miriam Hachenberg ist Rechtsanwältin am Bonner Standort der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbH.
OLG Frankfurt zu gemeinsamen Sorgerecht: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20241 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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