Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt – doch nicht alle Münchner sind in Feierlaune. Für Anwohner kann die Wiesenzeit einigen Frust bieten, Bierzelt-Unfälle bremsen die Gaudi der Betroffenen und Gastronomen, die nicht zugelassen wurden, müssen anderen beim Geldverdienen zuschauen. Damit dennoch alles in geordneten Bahnen verläuft, gibt es rechtliche Regeln.
Das Oktoberfest, von den Münchnern liebevoll "die Wiesn" genannt, feiert heuer seinen 200ten Geburtstag. Die Wurzeln des größten Volksfestes der Welt reichen zurück bis in das Jahr 1810, als ganz Bayern die Hochzeit des Kronprinzen Ludwig - des späteren Königs Ludwig I. - und der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen feierte. Nach der Prinzessin ist auch das 31 Hektar große Festgelände mitten in der Stadt benannt, die Theresienwiese. In diesem Jahr findet das Oktoberfest zum 177. Mal statt. In der Vergangenheit musste es 24 Mal ausfallen, in den Kriegs- und Nachkriegsjahren und wegen Cholera-Epidemien in den Jahren 1854 und 1873.
Um für anständige Verhältnisse auf der Wiesn zu sorgen, hat die Stadt München am 21.7.1997 die "Verordnung der Landeshauptstadt München über das Oktoberfest (Oktoberfestverordnung)" erlassen. Grundlage für diese Verordnung sind sicherheitsrechtliche Bestimmungen des Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) über die "Veranstaltung von Vergnügungen", über "Menschenansammlungen" und über die "Verhütung von Bränden". Die Verordnung regelt beispielsweise, wie lange die Bierzelte geöffnet sein dürfen oder wie sich die Besucher auf der Festwiese zu verhalten haben.
Wer beim Schunkeln stürzt, haftet
Wenn die Gaudi ihren Höhepunkt erreicht, steigen die Besucher auf die Tische oder auf die Bänke. Das ist – so das Amtsgericht München - inzwischen "Teil der üblichen Nutzung". Damit müsse jeder Bierzeltbesucher rechnen. Aber auch das Oktoberfest sei "kein rechtsfreier Raum". Wer zum Schunkeln, Singen und Tanzen auf eine Bank steigt, muss sich umsichtig verhalten und damit rechnen, sein Gleichgewicht zu verlieren. Stürzt man auf einen anderen Gast, haftet man für einen möglichen Schaden – und zwar auch dann, wenn man zuvor selbst angerempelt wurde (Urteil vom 12.06.2007, Az.: 155 C 4107/07).
Die Oktoberfestverordnung erlaubt in den großen Festzelten Ausschank und Betrieb bis um 22.30 Uhr. Die kleineren Gaststättenbetriebe müssen Ausschank und Musik um 23.00 Uhr einstellen. "Zapfenstreich" ist allgemein um 23.30 Uhr. Da die Theresienwiese mitten in München liegt, kann der späte Lärm empfindlichen Anwohnern gehörig auf die Nerven gehen. Wer sich dagegen wehren will, hat aber wenig Aussicht auf Erfolg.
Den Betreiber eines Volksfestes trifft die Pflicht, die Veranstaltung so durchzuführen, dass schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarn nicht hervorgerufen werden können (VG Köln Urt. V. 05.03.2009 – 1 K 1485/08). Was als "schädliche Umwelteinwirkung" anzusehen und damit unzumutbar ist, bemisst sich nach der "Freizeitlärmrichtlinie". Das Oktoberfest wird als "seltenes Ereignis" im Sinne dieser Richtlinie zu gelten haben, für das erhöhte Lärmgrenzwerte gelten. Seltene Ereignisse sind vor allem besonders herausragende Veranstaltungen mit einmaligem Charakter. Weiterhin ist die Bedeutung des Oktoberfestes zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung sind bei einer Veranstaltung mit einer erheblichen örtlichen Bedeutung die damit im Zusammenhang stehenden sozial adäquaten und allgemein akzeptierten Störwirkungen vom Einzelnen auch dann hinzunehmen, wenn Lärmwerte im Einzelfall überschritten werden (OVG Schleswig-Holstein, Urt. V. 11.10.2006 – 1 LB 28/04).
Hinterlassenschaften in Vorgärten: Anwohner haben schlechte Karten
Und auch wer möglicherweise "handfestere" Hinterlassenschaften nach einer Wiesn-Nacht in seinem Garten vorfindet, wird seinen Schaden kaum bei der Stadt München geltend machen können. Er muss sich an den eigentlichen Übeltäter wenden - und hat damit meist schlechte Karten. Die Stadt ist jedenfalls "außer obligo". Denn solche Störungen sind nicht auf eine von ihr gebilligte "Nutzung der Einrichtung" zurückzuführen. Zwar muss sich eine Kommune unter Umständen auch eine missbräuchliche Nutzung ihrer Einrichtungen durch Dritte als eigene Störung zurechnen lassen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich gerade in dem jeweiligen Missbrauch eine mit der Einrichtung geschaffenen besondere Gefahrenlage realisiert und der Missbrauch deshalb als Folge des Betriebes der Einrichtung anzusehen ist (BayVGH Urt. V. 30.110.1987 – 26 B 82 A.2088).
Lärmgeplagten Nachbarn bleibt also zu raten: entweder in dieser Zeit in Urlaub zu fahren oder einfach mitzufeiern.
Schausteller und Wirte stehen Schlange
Nicht nur viele Besucher warten oft vor den Zelten, weil Tische und Bänke schon proppenvoll sind. Auch Wirte, Schausteller und Marktkaufleuten stehen buchstäblich Schlange, um auf der Wiesn Geschäfte machen zu dürfen: Von 1.364 Bewerbern, hat die Stadt München heuer nur 602 zugelassen. Für die anderen heißt es: Kapazität erschöpft.
Können die abgewiesenen Veranstalter eine Zulassung auf dem Rechtsweg erreichen? Ob bzw. inwieweit ein Anspruch auf sie besteht, ist verwaltungsgerichtlich nachprüfbar. Denn selbst wenn die (spätere) konkrete Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses privatrechtlich durch Vertrag erfolgen sollte, ist die Zulassungsentscheidung selbst öffentlich-rechtlich (Zwei-Stufen-Theorie).
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) ist das Oktoberfest eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Artikels 21 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) – wie eine Stadthalle oder ein Hallenbad. Wirte und Schausteller gehören zu dem Benutzerkreis, dem die Einrichtung gewidmet ist. Zwar ziele sie von ihrem Widmungszweck her primär auf die Besucher des Festes. Andererseits sei das Oktoberfest in seiner heutigen Form ohne Schausteller nicht denkbar, so dass sie zumindest hinsichtlich der Oktoberfestwiese grundsätzlich als Benutzer nach Artikel 21 GO in Betracht kämen (BayVGH Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A.1921).
Zulassung nach Punktesystem
Ein Anspruch auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung besteht aber immer nur im Rahmen ihrer Kapazität: wenn sie voll ist, ist eben Schluss. Um eine Auswahl zwischen den vielen Bewerbern treffen zu können, braucht man sachgerechte Kriterien.
Grundsätzlich wäre natürlich eine Auswahl nach dem "Windhund-Prinzip" denkbar: wer zuerst kommt, mahlt zuerst (Prioritätsgrundsatz). Dieses System wäre aber nicht geeignet, einen bestimmten "Qualitätsstandard" oder ein bestimmtes "Erscheinungsbild" zu garantieren.
Die Stadt München hat deshalb einen Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen die Bewerber mit einem Punktesystem bewertet werden. Sehr wichtig als Kriterium ist hier der Aspekt, ob ein Bewerber "bekannt" ist und sich "bewährt" hat. Dieser Punkt ist wiesn- und branchenspezifisch zu verstehen, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich ein Bewerber auf anderen Volksfesten bewährt hat.
Das Kriterium "bekannt" und "bewährt" ist allerdings nicht unproblematisch: Eine allgemeine und ständige Bevorzugung "bekannter und bewährter" Unternehmer würde in der Praxis dazu führen, dass neue Bewerber erst dann zum Zuge kämen, wenn sich ein bisheriger Teilnehmer nicht mehr bewirbt. Nach der Rechtsprechung müssen aber auch Neubewerber eine Chance auf Zulassung erhalten. Deshalb lässt die Stadt München immer wieder neue Attraktionen zu, wenn der Bewerber die übrigen Kriterien in ausreichendem Umfang erfüllt.
Das Punktesystem der Stadt München führt also nicht dazu, dass Neubewerber grundsätzlich keine Chance auf Zulassung haben. Insbesondere neue Attraktionen werden bei angemessener Erfüllung der anderen Kriterien immer wieder zugelassen.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
Adolf Rebler, Oktoberfest : . In: Legal Tribune Online, 21.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1510 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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