Besondere Durchsuchung der NSU-Verteidiger: Erpressbar ist jeder

von Prof. Dr. Carsten Momsen

06.05.2013

2/2: Beschuldigter braucht professionelle Verteidiger

Gerade der eines besonders verabscheuungswürdigenden Verbrechens Angeklagte bedarf einer professionellen Verteidigung. Denn die Gefahr der Vorverurteilung wie auch das Bedürfnis, einen Verantwortlichen am Ende des Verfahrens zu benennen, ist besonders hoch.

Ein Durchschnittsbürger ist in einem Strafprozess nur selten in der Lage, sich selbst effektiv gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Der Druck des Verfahrens ist viel zu groß und die Rechtskenntnis zu gering, um rational über die Ausübung seiner Rechte entscheiden zu können. Um ihm dennoch ein faires Verfahren zu garantieren, darf er sich in jeder Lage des Verfahrens mit einem Verteidiger beraten. Dieses in § 137 Abs. 1 S. 1 StPO niedergelegte Recht schützt den Beschuldigten bereits sehr früh vor dem irrigen Glauben, aussagen zu müssen, vielleicht auch vor der ebenso problematischen Vorstellung, sich durch ein falsches Geständnis eine mildere Strafe "kaufen" zu können.

Last but not least mag auch der Wunsch, dem Druck der öffentlichen Meinung und Aufmerksamkeit zu entkommen, Antrieb für ein – richtiges oder falsches – Geständnis sein. Nur wer seine Rechte kennt und sie zur Geltung bringen kann, ist in der Lage sich verantwortlich für ein Schuldeingeständnis zu entscheiden. Nur ein solches Geständnis kann wenigstens ein Stück weit auch die legitimen Bedürfnisse der Opfer und ihrer Angehörigen befriedigen. Eine Verteidigung, welche den Angeklagten in der Wahrnehmung ihrer legitimen prozessualen Rechte unterstützt, trägt damit zur Akzeptanz des Urteils bei, wie immer dieses auch ausfällt.

Und schließlich ist abseits aller Emotionen im NSU-Verfahren daran zu erinnern, dass ein Rechtsstaat wohl damit leben kann, einen Schuldigen mangels Beweises nicht verurteilen zu können, nicht aber damit, einen Unschuldigen zu verurteilen. Ganz nebenbei bedeutet letzteres nämlich auch immer, dass der wahre Schuldige unbehelligt bleibt.

Institutionalisiertes Misstrauen zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat

Behandelt man nun die Verteidiger anders als übrige Verfahrensbeteiligte, so bringt man unweigerlich damit das Misstrauen zum Ausdruck, dass die Person in Robe insgeheim ebenso eine Gefahr für den Prozess und die Bürger ist wie der Beschuldigte. Das ist eine durch nichts zu rechtfertigende Verwechselung von professionell-engagierter Verteidigung mit persönlicher Sympathie mit dem Mandanten und den angeklagten Taten. Es schließt eine neutrale Auseinandersetzung zwischen Gericht und Verteidigung aus. Der Eindruck, das Gericht stehe der Verteidigung bereits zu Prozessbeginn skeptisch gegenüber, drängt sich unweigerlich auf. Und damit eben auch die Besorgnis der Befangenheit.

Es sollten daher entweder alle Verfahrensbeteiligten besonders durchsucht werden oder gar keiner. Wieso die Verteidiger ein besonderes Risiko für einen sicheren Prozessablauf sein sollen, bleibt unklar. Hinzu kommt, dass sie eine ebenso wichtige Funktion wahrnehmen wie die Richter und der Staatsanwalt.

Die Extra-Behandlung der Verteidiger stärkt nicht gerade das Vertrauen in die rechtsstaatliche Aufarbeitung von Verbrechen. Denn nur wenn alle Verfahrensbeteiligten mit gegenseitigem Respekt verhandeln, ist ein fairer und rechtsstaatlicher Strafprozess möglich. Wenn Verteidiger aber neben ihren Mandanten auch sich selbst von Beschuldigungen entlasten müssen, geht dies in der Regel zulasten des Angeklagten. Institutionalisiertes Misstrauen zwischen den Verfahrensbeteiligten zerstört am Ende das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Der Autor Prof. Dr. Carsten Momsen ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der Leibniz Universität Hannover und of counsel der Kanzlei "Hannover und Partner" in Bremen. Stud. iur. Christian Huber ist für Unterstützung und Diskussion zu danken.

Zitiervorschlag

Besondere Durchsuchung der NSU-Verteidiger: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8671 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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