Die Coronakrise stellt auch die Notare vor Herausforderungen. Berufsrecht und Gesundheitsschutz müssen unter einen Hut gebracht werden. Das klappt mal mehr, mal weniger gut, trotz Tipps der Bundesnotarkammer.
Notare sind gezwungen, auch in Corona-Zeiten ihr Büro offenzuhalten. Um das Ansteckungsrisiko gering zu halten, empfiehlt die Notarkammer in besonderen Fällen, Beurkundungen oder Beglaubigungen notfalls im Freien vorzunehmen.
Viele Aufgaben der Notare bleiben auch und gerade unter Corona unerlässlich, ja sind sogar wichtiger denn je. Laut Bundesnotarkammer (BNotK) hat eine Vielzahl notarieller Amtshandlungen "eine systemkritische Bedeutung für die Funktionsfähigkeit zentraler Bereiche des Rechts- und Wirtschaftslebens".
Die Notarkammern haben im Moment alle Hände zu tun. Gilt es doch, den rund 7.000 Notaren in Deutschland Empfehlungen an die Hand zu geben, damit diese in Zeiten der Pandemie gesundheitlich, aber auch haftungsrechtlich ohne Risiken ihrem Job nachgehen können. Berufsrechtliche Vorgaben wie das Beurkundungsgesetz (BeurkG) oder die Bundesnotarordnung (BnotO) werden dafür nun bis an die Grenze strapaziert, ohne dass die Notare sicher sein können, sich korrekt zu verhalten.
Arbeit der Notare in der Krise von überragender Bedeutung
In einem FAQ für die regionalen Notarkammern mahnt die BNotK unmissverständlich, auch zu Corona-Zeiten die berufsrechtlichen Regelungen zu respektieren. Sie schreibt: "Die Pflicht zur Offenhaltung der Geschäftsstelle zur Erfüllung des sogenannten Urkundsgewährungsanspruchs der rechtsuchenden Bevölkerung besteht auch in der aktuellen Situation grundsätzlich unverändert fort."
Denn: Laut Notar-Dachverband haben die Notare gerade jetzt eine überragende Bedeutung: Ältere oder schwerkranke Menschen seien "auf die kurzfristige Vorbereitung und Beurkundung von Testamenten oder anderen Verfügungen von Todes wegen sowie von Vorsorgevollmachten angewiesen".
Auch gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie Umstrukturierungen oder Anteilsverkäufe könnten vor allem in der Krise zum Schutz oder zur Erhaltung von Arbeitsplätzen eilbedürftig sein. Schließlich, so die Kammer, sei auch die Bestellung von Grundschulden und anderen Kreditsicherheiten in der Krise von besonderer Bedeutung.
"Liquiditätsprobleme machen sich bemerkbar"
Rechtsanwalt und Notar Uwe J. Fischer, der im Deutschen Anwaltverein (DAV) die zuständige Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat leitet, stimmt den Ausführungen der BNotK zu. Aus seiner täglichen Praxis kann er bestätigen: "Die Coronakrise ist bei den Notaren zu spüren. Vorsorgevollmachten werden verstärkt nachgefragt und auch die zunehmenden Liquiditätsprobleme in der Bevölkerung machen sich bemerkbar."
So habe es in seinem Büro in den vergangenen Wochen vermehrt Terminabsagen im Zusammenhang mit Immobilienkäufen gegeben. Von Notarkollegen weiß Fischer zu berichten, dass sich auch die Anfragen zur Stundung von Gebühren häuften.
Um dafür zu sorgen, dass die notarielle Amtstätigkeit trotz der aktuellen Risikosituation bei der Verbreitung des Coronavirus aufrechterhalten werden kann, gibt die BNotK den Notaren konkrete Tipps, wie sie ihre Amtsgeschäfte einigermaßen sicher betreiben können. Die Schleswig-Holsteinische Notarkammer hat die Empfehlungen auf ihre Homepage gesetzt.
Darin findet etwa der Hinweis, dass es im Einzelfall durchaus angemessen sei, "das Büro mit eingeschränkten Öffnungszeiten weiter zu betreiben, wie dies in der aktuellen Situation auch bereits bei Gerichten und Behörden feststellbar ist. Es sei "vertretbar, vorübergehend kürzere Öffnungszeiten als üblich im Sinne des § 10 Abs. 3 BnotO" anzusehen. Während der Öffnung der Notarstelle könnten dann etwa mit einem verminderten Mitarbeiterstab, der entsprechende Hygienemaßnahmen ergreift, die Urkundsgeschäfte durchgeführt werden.
Termine werden "ausgedünnt und verschoben"
Weiter sollten die Notare überlegen, "ob nicht dringliche Amtshandlungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können, um die zeitkritischen Aufgaben besser erledigen zu können und die Anzahl der Kontakte mit unerkannt Infizierten zu verringern". Auch sollte "der rechtssuchenden Bevölkerung" künftig allein nach Voranmeldung über das Telefon oder über E-Mail oder andere elektronische Kommunikationsmittel Zugang zu der Geschäftsstelle gewährt werden.
In Heinsberg, einem der vom Coronavirus am stärksten betroffenen Landkreise in Deutschland, praktiziert das der ansässige Notar Dr. Guido Perau schon seit Beginn der Pandemie: Termine haben er bewusst ausgedünnt, unwichtige Angelegenheiten verschoben und überhaupt gebe es Termine nur nach vorheriger Absprache.
Perau berichtet, dass es erst nachdem die Ansteckungszahlen so richtig in die Höhe gegangen seien, auch bei ihm seitens der Rechtsuchenden vermehrt Absagen gegeben habe. "Während man mich in den ersten Corona-Wochen noch komisch angeguckt hat, weil ich keinem mehr die Hand schüttele, agieren die Menschen mittlerweile eher übervorsichtig", so Perau gegenüber LTO.
Abweichungen vom üblichen Beurkundungsverfahren
Eine besondere Herausforderung stellt in Coronazeiten, wo es eigentlich zu möglichst wenigen sozialen Kontakten kommen soll, das Kerngeschäft des Notars, das Beurkundungsverfahren, dar. Dabei ist grundsätzlich die Präsenz aller Verfahrensbeteiligten erforderlich und die Menschen haben auch einen Anspruch, vom Notar wichtige Urkunden ausgestellt zu bekommen.
In ihrem FAQ erörtert die Kammer nun die Frage, ob "eine Erkrankung am bzw. eine Infektion mit dem Coronavirus ein hinreichender Anlass" sein könne, die Urkundstätigkeit komplett zu versagen. Laut BNotO wäre das zwar bei wichtigem Grund ausnahmsweise zulässig. Vor einer Versagung empfiehlt die Kammer indes den Notaren, "sorgsam" zu prüfen, "ob das Infektionsrisiko durch Schutzmaßnahmen für den Notar und seine Mitarbeiter auf ein hinreichendes Maß reduziert werden kann."
Findet die Beurkundung statt, gibt es von der BNotK auch Empfehlungen dazu, ob und in welchem Umfang Notare in der aktuellen Situation vom üblichen, gesetzlich vorgeschriebenen Beurkundungsverfahren abweichen dürfen. So kann es laut Kammer gerechtfertigt sein, die Urkundstätigkeit gegenüber einer nachweislich erkrankten Person (vorübergehend) abzulehnen.
Beurkundung mit potenziellen Risikopatienten
Im "Umgang mit potentiellen Risikopatienten" dagegen könne es gerechtfertigt sein, mit nur einem Vertragsteil zu beurkunden, wenn der Risikopatient entweder mündlich oder privatschriftlich eine Vollmacht erteilt hat oder später genehmigt. Um die Anzahl der Kontaktpersonen in den Geschäftsräumen des Notars zu reduzieren, komme dabei im Einzelfall auch der Einsatz von Notariatsmitarbeitern als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Betracht. Die spätere Genehmigung sei grundsätzlich materiell-rechtlich formlos möglich (§ 184 Bürgerliches Gesetzbuch). Und eine für den Grundbuch- oder Registervollzug erforderliche Beglaubigung der Unterschrift könnte, so die BNotK, "ggf. später oder auch im Freien vor dem Notariatsgebäude erfolgen".
Der Geschäftsführer der bayerischen Notarkammer, David Sommer, konkretisiert das gegenüber LTO: "Beurkundungen sind grundsätzlich in der Geschäftsstelle des Notars vorzunehmen und nicht im Freien. Es kann aber Konstellationen bei besonders eilbedürftigen Rechtsgeschäften geben, in denen aus Gründen des Gesundheitsschutzes ausnahmsweise eine Beurkundung im Freien erfolgen kann“.
Allerdings, so stellt Sommer klar, habe der Notar auch im Freien Vorkehrungen im Hinblick auf Verschwiegenheit und Vertraulichkeit zu treffen. "Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht können disziplinarische und ggf. auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen."
"Nicht mit der Dienstaufsicht abgestimmt"
Wie heikel das Thema "Beurkundung unter Corona-Bedingungen" allerdings selbst für die Notarkammern zu sein scheint, zeigt ein Schreiben der Notarkammer Berlin vom 31.März, das LTO vorliegt. Zu diesem sah sich die Berliner Kammer veranlasst, weil ein zuvor von ihr versandtes Rundschrieben an die Notare im Kammerbezirk offenbar für Irritationen und Nachfragen unter den Notaren geführt hatte.
Im jüngsten Schreiben heißt es nun: "Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass (…) keinesfalls entgegen der Vorgaben des § 17 Abs.2 a BeurkG empfohlen wurde, die Beteiligten im Regelfall mittels vollmachtloser Stellvertretung vom persönlichen Erscheinen zur Beurkundung fernzuhalten und mit dieser Gestaltung zu Akquisitionszwecken werbend in Erscheinung zu treten. Ferner sollte nicht der Eindruck erweckt werden, eine Video-Zuschaltung der vertretenen materiell Beteiligten könne eine Beurkundung im Präsenzverfahren ersetzen."
Für die Notare selbst sind derartige Schreiben nicht geeignet, ein Gefühl von Rechtssicherheit zu vermitteln– zumal auch rechtlich nicht klar ist, ob man sich als Notar auf die Kammerempfehlungen zum abweichenden Beurkundungsverfahren in Coronazeiten überhaupt hundertprozentig verlassen darf. So weist die Notarkammer Berlin selbst ausdrücklich darauf hin, dass ihr Vorgehen "nicht mit der Dienstaufsicht abgestimmt" sei.
Nicht mit der Dienstaufsicht abgestimmt? Für die Notare könnte das noch zum Problem werden: Sie unterstehen der Dienstaufsicht der für ihren Amtsbereich zuständigen Landgerichte. Diese prüfen in regelmäßigen Abständen (in der Regel alle vier Jahre), ob die Tätigkeit des Notars den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Das heißt: Wenn Notare Pech haben, könnten die Mitarbeiter des Landgerichts bei ihrer nächsten turnusmäßigen Revision zum Ergebnis kommen, dass Notare in Corona-Zeiten unter den besonderen Umständen leider berufsrechtlich am Gesetz vorbei gehandelt haben. Für DAV-Notar Fischer wäre es daher hilfreich, wenn das Bundesjustizministerium Hinweise gäbe, in welcher Form notarielles Handeln unter Corona-Bedingungen zulässig ist.
Notare in der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 06.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41223 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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