Wann posten Influencer eigentlich Werbung und müssen sie kennzeichnen? Das war lange unklar. Sina Furmanski kennt die neueste Rechtsprechung und sieht allmählich eine klare Linie.
Was vor einigen Jahren noch zynisch belächelt wurde, hat sich innerhalb kürzester Zeit als wichtiges Marketing-Tool für Unternehmen etabliert: Das Influencer-Marketing. Influencer:innen präsentieren ihrem Publikum auf eine möglichst authentische Weise unterschiedliche Produkte oder Dienstleistungen, die mittels sog. Tap-Tags verlinkt werden. Mit nur wenigen Mausklicks gelangen die Betrachter:innen dann auf die Internetseiten der Hersteller:innen bzw. Unternehmen der dargestellten Produkte.
Influencer:innen beeinflussen so das persönliche Kaufverhalten – das ist seitens der Unternehmen natürlich gewünscht, aber besonders im Hinblick auf Minderjährige häufig problematisch. Sie können oft nicht unterscheiden, wann es sich um echte Produktempfehlungen handelt und in welchen Fällen hinter den Postings bezahlte Werbepartnerschaften stehen.
Problem: Werbung muss als solche leicht erkennbar sein
Das Gesetz versucht diesen Konflikt folgendermaßen zu lösen: In § 8 Abs. 3 S. 1 des Medienstaatsvertrages (MStV) heißt es zu den Werbegrundsätzen und Kennzeichnungspflichten, dass Werbung für Betrachter:innen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein muss. Handelt es sich bei einem Beitrag um Werbung, muss dieser auch als solche gekennzeichnet werden. Ergänzt wird die Regelung durch § 5a Abs. 6 UWG, wonach derjenige unlauter handelt, der den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht - sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, Verbraucher:innen zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
Die Frage ist also, wann ein Instagram-Beitrag nicht mehr eine bloße Meinungsäußerung, sondern kennzeichnungspflichtige Werbung darstellt. Das beschäftigt nicht nur die Influencer:innen persönlich. Auch die deutsche Gerichtsbarkeit setzt sich mit dieser Frage seit Jahren kontrovers auseinander. Aktuelle Urteile bringen zumindest etwas Licht ins Dunkel.
BGH-Rechtsprechung – Influencer I und II
Die ersten BGH-Entscheidungen ergingen im September 2021 (Urt. v. 09.09.2021, I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20). In den vom BGH zu behandelnden Fällen klagte der Verband Sozialer Wettbewerb u.a. gegen Cathy Hummels. Laut BGH müssen demnach Beiträge, mit denen selbstgekaufte Produkte dargestellt und verlinkt werden, nicht als Werbung gekennzeichnet werden, sofern sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergibt. Dies sei insbesondere bei bekannten und followerstarken Influencer:innen der Fall. Erhalten Influencer:innen jedoch ein Entgelt für Beiträge, müssen Postings als Werbung gekennzeichnet werden.
BGH-Rechtsprechung – Influencer III
Im Januar 2022 ergänzte der BGH seine Rechtsprechung um zwei weitere Urteile (Urt. v. 13.01.2022, I ZR 9/21, I ZR 35/21). Es ging dabei um kostenlos zur Verfügung gestellte Waren und Dienstleistungen und um die Frage, ob Influencer:innen auch Beiträge dazu als Werbung kennzeichnen müssen.
Laut BGH müssen Influencer:innen in diesen Fällen entsprechende Beiträge zwingend als Werbung kennzeichnen. Konkret führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass unter einem Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen, jede geldwerte Gegenleistung zu verstehen sei – und das auch, wenn der durch das Posting des Influencers begünstigte Unternehmer zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt zur Verfügung gestellt hat.
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OLG Frankfurt a.M. – die aktuellste Entscheidung
Die aktuellste Entscheidung in Sachen Influencer-Marketing kommt vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urt. v. 19.05.2022, Az. 6 U 56/21). Die Richter:innen gelangten zu der Auffassung, dass Verlinkungen zu Unternehmen mittels Tap-Tags als Werbung zu kennzeichnen sind, sofern Influencer:innen ein kostenlos überlassenes Produkt anpreisen. Mit dieser Entscheidung richtet sich das OLG nach der neuen Rechtsprechungslinie des BGH.
In dem vom OLG zu entscheidenden Fall klagte eine Verlegerin von Print- und Onlinezeitschriften gegen eine Influencerin, die mehr als eine halbe Millionen Follower hat. Sie veröffentlichte über ihr Instagram-Profil Beiträge, mit denen sie ein Paket von unterschiedlichen E-Books verlinkte, die ihr von einem Drittanbieter kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Ein weiteres Entgelt erhielt die Influencerin für ihre Beiträge nicht.
Der Senat des OLG bestätigte die Vorinstanz (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 31.03.2021, 2-6 O 271/20) und ist der Auffassung, dass die Influencerin mit ihrem Handeln gegen § 5a Abs. 6 UWG verstoßen habe. Die Richter:innen stellten fest, dass die angegriffenen Posts sowohl das Unternehmen des Anbieters der E-Books als auch das eigene Unternehmen der Influencerin förderten. Der Senat nahm einen „geradezu prototypische[n] Fall des werblichen Überschusses“ an. Obwohl die Influencerin sich selbst mit dem Inhalt der E-Books identifiziere, finde keinerlei Einordnung, inhaltliche Auseinandersetzung oder Bewertung der beworbenen Produkte statt. Sie habe lediglich den außergewöhnlich hohen Rabattpreis der E-Books in den Vordergrund gestellt. Eine solche Förderung des Absatzes von Drittunternehmen sei gemäß § 5 a Abs. 6 UWG unlauter.
Kostenloses Bereitstellen von Produkten kann kennzeichnungspflichtig sein
Die beworbenen E-Books habe die Influencerin von dem Unternehmen kostenlos erhalten. Die Nichtkenntlichmachung der Beiträge als Werbung sei somit unlauter. Die Influencerin habe mit ihren Beiträgen nicht nur ihr eigenes Unternehmen als ernährungsbewusste Influencerin gefördert, sondern die Beiträge kamen auch dem Herausgeber der E-Books zugute. Hinreichend erkennbar sei dem durchschnittlichen Verbraucher jedoch nur gewesen, dass die Influencerin mit dem Verhalten ihr eigenes Unternehmen fördere – und eben nicht auch den Herausgeber der beworbenen E-Books. Denn „selbst followerstarke Profile auf Instagram sind nicht stets (nur) kommerziell motiviert“, so das OLG. Die Influencerin habe somit auf die Drittförderung mittels Kennzeichnung als Werbung hinweisen müssen.
Vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung ist das Urteil der Frankfurter Richter:innen keine Überraschung. Die Entscheidung steht auch nicht dem am 28.05.2022 in Kraft tretenden Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht entgegen. In der Neufassung des § 5a Abs. 6 UWG wird ein kommerzieller Zweck bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers angenommen, wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Im vom OLG Frankfurt a.M. entschiedenen Fall, hatte die Influencerin die E-Books kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, sodass eine „ähnliche Gegenleistung“ (auch) im Sinne der Neuregelung des § 5a UWG vorlag.
Vorsicht bei fehlender Werbekennzeichnung
Durch die Rechtsprechung des BGH und das neueste Urteil des OLG Frankfurt a.M. wird allmählich eine klare Linie zu der einst kontroversen Rechtsprechung im Influencer-Kennzeichnungsrecht erkennbar. Eine absolute Rechtssicherheit hinsichtlich Kennzeichnungspflichten haben Influencer:innen jedoch nach wie vor nicht, da in den entschiedenen Fällen stets variable Komponenten, wie Followerzahlen und Begleittexte der Postings, von den Gerichten im Einzelfall bewertet wurden. Eine direkte Übertragung wird für Betroffene daher nicht immer möglich sein.
Als Leitfaden können InfluencerInnen jedoch mitnehmen, dass im Falle bezahlter Werbepartnerschaften Beiträge stets als Werbung zu kennzeichnen sind. Darüber hinaus sind Beiträge kennzeichnungspflichtig, wenn kostenlos zur Verfügung gestellte Produkte angepriesen und verlinkt werden. Gleiches gilt im Fall von gewährten Rabatten oder sonstigen Vorteilen. Eine Kennzeichnungspflicht kann nur dann entbehrlich sein, sofern Produkte durch die InfluencerInnen selbst bezahlt worden sind, Darstellungen keinen werblichen Überschuss enthalten und sich der kommerzielle Zweck unmittelbar aus den Umständen ergibt. Letzteres wird insbesondere bei followerarmen, unbekannten InfluencerInnen so gut wie nie der Fall sein, sodass diese Beiträge im Zweifel als Werbung zu kennzeichnen sind.
Sina Furmanski ist Rechtsanwältin bei der auf Sport- und Entertainmentrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei BluePort Legal. Sie berät und vertritt Mandanten in sämtlichen Rechtsfragen aus den Bereichen des Presse- und Medienrechts sowie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Kanzlei BluePort Legal hat die Klägerin des dargestellten Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt a.M. sowie vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in der Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.03.2022 vertreten.
Neueste Rechtsprechung zum Influencer-Kennzeichnungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48565 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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