Die Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts, Miriam Meßling, wird nach LTO-Informationen neue Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Am Freitag soll die Wahl der 50-Jährigen im Bundesrat stattfinden. Christian Rath stellt sie vor.
Die Nominierung zog sich über Wochen, doch jetzt ist das Ende in Sicht. Am 31. März, also kommenden Freitag, wird der Bundesrat aller Voraussicht nach Miriam Meßling zur neuen Bundesverfassungsrichterin wählen. Das Land Bremen, das im Auftrag der SPD-regierten Länder die Verhandlungen führte, hat den Bundesrat gebeten, die Wahl auf die Tagesordnung zu setzen.
Meßling, derzeit noch Vizepräsidentin am Bundessozialgericht (BSG), wird am Ersten Senat Nachfolgerin von Gabriele Britz, deren 12-jährige Amtszeit eigentlich schon am 1. Februar geendet war. Nach der Wahl im Bundesrat muss Meßling noch von Bundespräsident Steinmeier ernannt werden, der im April allerdings viel auf Reisen ist.
Neuer Zuschnitt des Dezernats
Meßling wird am Ersten Senat nicht die gleichen Themen bearbeiten wie Britz. Schon im Dezember haben die Richter:innen des Ersten Senats eine neue Geschäftsverteilung für die Zeit nach dem Ausscheiden der Richterinnen Susanne Baer und Gabriele Britz beschlossen. Danach wechselte der landesrechtliche Datenschutz zu Richterin Yvonne Ott und das Umweltrecht zu Martin Eifert, dem Nachfolger von Baer.
Die bisherige Sozialrichterin Meßling ist nun zuständig für Steuerrecht und das Berufsrecht, also auch für das Anwaltsrecht. Für das Sozialrecht ist dagegen Heinrich Amadeus Wolff federführend verantwortlich. Der Rechtsprofessor mit bisherigem Schwerpunkt bei der Inneren Sicherheit war erst voriges Jahr neu gewähltworden.
Allerdings ist es am Bundesverfassungsgericht durchaus üblich, dass Richter:innen nicht das Feld bearbeiten, in dem sie besondere Expertise erworben haben. Dies reduziert die Gefahr, dass sie in Karlsruhe eine eigene Agenda verfolgen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Senat mehrere Richter:innen besonders fachkundig mitdiskutieren können.
Karriere in Baden-Württemberg
Nach Rhona Fetzer und Thomas Offenloch, die im Dezember zu neuen Bundesverfassungsrichter:innen gewählt worden waren, kommt auch Miriam Meßling aus der baden-württembergischen Justiz. Meßling ist zwar in Nordrhein-Westfalen geboren, war aber Richterin an den Sozialgerichten Karlsruhe und Freiburg und am Landessozialgericht Stuttgart.
Von 2013 bis 2016 war sie an das baden-württembergische Justizministerium abgeordnet. Minister war damals der SPD-Mann Rainer Stickelberger. Amtschefin war Bettina Limperg, die heutige BGH-Präsidentin. Meßlings Tätigkeit als Personalreferentin im Ministerium wurde klug vorbereitet, indem sie zunächst für ein Dreivierteljahr an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim geschickt wurde, wo sie im Dienstrechts-Senat Einblicke in die Feinheiten des Beamtenrechts erhielt.
Sie wäre BSG-Präsidentin geworden
Seit 2016 ist Meßling Richterin am Bundessozialgericht, seit 2021 Vorsitzende Richterin und seit Januar 2022 BSG-Vizepräsidentin. Nächstes Jahr, im Februar 2024, sollte sie Präsidentin des BSG werden, so eine Absprache zwischen SPD und CDU/CSU. Rainer Schlegel, der aktuelle BSG-Präsident, geht dann in Ruhestand.
Die Tätigkeit als BSG-Vizepräsidentin war für Meßling eine sehr gute Vorbereitung für die eigentlich geplante Übernahme der Präsidentinnenposition. Allerdings betont Präsident Schlegel (CDU-Mitglied), dass dies nicht der Grund war, warum er Meßling zur Vizepräsidentin machte: "Sie war einfach die Beste für das Amt". Nicht zuletzt Meßlings Verwaltungserfahrung habe ihn überzeugt.
Seit November 2022 war Meßling auch Präsidentin des Deutschen Sozialgerichtstag (DSGT), ein Amt das das Gewicht der designierten Präsidentin des Bundessozialgerichts weiter erhöhte. Der DSGT organisiert nicht nur die gleichnamige Veranstaltung, sondern wirkt auch mit sozialrechtlicher Fachkunde auf sozialpolitische Entscheidungen ein.
Der 50-jährigen Meßling stand also eine lange und vermutlich äußerst ehrenvolle Amtszeit an der Spitze des Bundessozialgerichts bevor. Dennoch hat sie sich für den Gang nach Karlsruhe entschieden. Und auch die SPD hat es für sinnvoll gehalten, von ihrem ursprünglichen Plan abzurücken. Das zeigt, welch hohes Gewicht und Ansehen das Bundesverfassungsgericht im Justizgefüge der Bundesrepublik hat.
Der Ehemann unterstützt sie
Miriam Meßling kommt aus einer Lehrerfamilie. Die Eltern waren lange im Ausland tätig. So ging Meßling unter anderem in Italien zur Schule. Dies erklärt auch, warum sie sich in ihrer Dissertation mit der "Lösung rechtsgeschäftlicher Bindungen im deutschen und italienischen Privatrecht" beschäftigte.
Ihr jüngerer Bruder Markus Messling [mit "ss"] ist Professor für Romanische und Allgemeine Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität des Saarlandes.
Miriam Meßling ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Ehemann, ein Lehrer, hat sich schon früh entschieden, die Karriere seiner Frau zu unterstützen. Derzeit wohnt die Familie in Würzburg, was ein pragmatisches Arrangement ermöglichte. Von dort konnte Miriam Meßling mit dem ICE nach Kassel zum BSG pendeln und ihr Mann konnte mit dem Fahrrad über den Main nach Baden-Württemberg zu seiner Schule fahren.
Die Union ist einverstanden
Die Nominierung für die Nachfolge Britz zog sich so lange hin, weil die SPD-regierten Länder zunächst Lars Brocker vorgeschlagen hatten, den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Koblenz. Die CDU-regierten Länder erhoben jedoch ihr Veto, weil nach einer politischen Vereinbarung von 2018 für die Nachfolge Britz ein Bundesrichter oder eine Bundesrichterin vorgesehen war.
Da auch die Verfassungsrichter, die im Bundesrat gewählt werden, eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigen, war Brocker damit aus dem Rennen. Malu Dreyer, die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, brauchte allerdings einige Zeit, das zu akzeptieren. Für Miriam Meßling haben die CDU/CSU-regierten Länder dagegen schnell Zustimmung signalisiert.
Zurück nach Karlsruhe
Miriam Meßling hat zwar fast nur zu sozialrechtlichen Fragen publiziert. Sie hat aber durchaus Bezug zum Verfassungsrecht. Von 2002 bis 2005 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Verfassungsrichterin Renate Jaeger am Ersten Senat.
Jaeger kennt Meßling also schon lange und hat den Kontakt gehalten. Sie spricht sehr positiv über Meßling: "Sie ist klug, unglaublich leistungsfähig und kommt dennoch gut mit anderen Menschen aus".
Besonders freut sich Jaeger, dass nach langer Zeit wieder einmal das BSG in Karlsruhe vertreten ist. Jaeger, die vor ihrer Karlsruher Zeit auch BSG-Richterin war, verließ den Ersten Senat bereits 2004.
Parität bleibt
Mit der Entscheidung für Miriam Meßling bleibt auch die Parität am Bundesverfassungsgericht gewahrt. Auch künftig wird das Gericht aus acht Richterinnen und acht Richtern bestehen.
Für die SPD soll dies aber nicht der ausschlaggebende Grund gewesen sein. Man habe sich für Meßling als Person entschieden. Die SPD sieht auch eher die anderen Parteien in der Pflicht, etwas für das ausgewogene Geschlechterverhältnis am Bundesverfassungsgericht zu tun. Schließlich habe die SPD in Bundestag und Bundesrat zuletzt fünf Frauen als Verfassungsrichter:innen vorgeschlagen und nur einen Mann (Ulrich Maidowski im Zweiten Senat).
Die nächsten Verfassungsrichter:innen deren Amtszeit endet, sind Peter Müller im September und Sibylle Kessal-Wulf im Dezember 2023. Beide Nachfolger:innen werden im Bundesrat gewählt. Die nächste Wahl im Bundestag betrifft im November 2024 die Nachfolge von Josef Christ. Müller und Kessal-Wulff sitzen im Zweiten Senat, Christ im Ersten Senat. Zufälligerweise hat in allen drei Fällen die CDU/CSU-Seite das Vorschlagsrecht.
Lieber Verfassungsrichterin als BSG-Präsidentin: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51404 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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