Nachehelicher Unterhalt: Ver­fas­sungs­richter kippen Berech­nungs­me­thode des BGH

von Kristina Gräfin Pilati, /, Andrea Volpp

14.02.2011

Wenn Geschiedene wieder heiraten, darf bei der Bemessung des Unterhalts des Ex-Ehegatten das Einkommen des neuen Partners nicht berücksichtigt werden. Die Rechtsprechung des BGH zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" mit der Drittelmethode ist laut BVerfG verfassungswidrig, weil sie die ehelichen Lebensverhältnisse verkennt.

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. Januar 2011 (Az. 1 BvR 918/10) findet bei der Frage der Berechnung von nachehelichem Unterhalt eine Rückkehr zur Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse statt, wie sie zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung bestanden haben. Änderungen der Verhältnisse, die mit der Scheidung in keinem Zusammenhang stehen, insbesondere eine Wiederheirat des unterhaltspflichtigen Ehegatten spielen nach Ansicht der Verfassungsrichter gerade keine Rolle. Der Bundesgerichtshof (BGH) überschreite insoweit die "Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung".

Das BVerfG hob damit ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken auf. Darin war der jetzigen Beschwerdeführerin ein nachehelicher Unterhaltsanspruch gekürzt worden, weil ihr unterhaltspflichtiger Ex-Ehemann erneut geheiratet hatte.

Das OLG hatte unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" und Anwendung der Dreiteilungsmethode das Einkommen der neuen Ehefrau des Klägers in die Unterhaltsberechnung mit einbezogen und in der Folge den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau gekürzt.

BGH: Erneute Heirat bedeutet maßgebliche Änderung der Lebensverhältnisse

In der Vergangenheit hatte der BGH bei der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse die Verhältnisse zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung als maßgebend angesehen. Veränderungen dieser Lebensverhältnisse waren nur zu berücksichtigen, wenn diese in der Ehe angelegt bzw. absehbar waren. Diese Rechtsprechung änderte der BGH im Jahr 2008 dahingehend, dass sich die maßgeblichen Lebensverhältnisse nach der Scheidung verändern können und zwar unabhängig davon, ob diese in der Ehe angelegt warten. Solche maßgeblichen Veränderungen stellt die erneute Heirat des unterhaltspflichtigen Ehegatten dar.

Zur Berechnung des Unterhaltsanspruchs in diesen Fällen führten die Bundesrichter die Dreiteilungsmethode ein. Demnach wird bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts nicht nur das Einkommen der Geschiedenen berücksichtigt, sondern ebenfalls das Einkommen des neuen Ehegatten.

In der Folge werden die Gesamteinkünfte gedrittelt. Durch eine abschließende Kontrollberechnung wird sichergestellt, dass der geschiedene Ehegatte keinen höheren Unterhalt erhält, als er sich errechnen würde, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht wieder geheiratet hätte.

Einseitige Benachteiligung des unterhaltsbegehrenden Ehegatten

Nach Ansicht des BVerfG wird mit der Anwendung der Dreiteilungsmethode derjenige Ehegatte unangemessen benachteiligt, der nach der Scheidung weiterhin Unterhalt begehrt. Die Berechnungsweise führt im Ergebnis dazu, dass eben jener Ehegatte bei einer erneuten Eheschließung des unterhaltspflichtigen Ex-Partners in der Regel weniger, in Ausnahmefällen dasselbe aber nie einen höheren Unterhalts erhält, als er im Falle einer Berechnung nach den ehelichen Lebensverhältnissen erhalten würde.

Umgekehrt bedeutet das für den pflichtigen Ehegatten, dass er bei einer Wiederheirat regelmäßig einen niedrigeren Unterhalt, in Ausnahmefällen denselben und nie einen höheren Unterhalt an den geschiedenen Ehegatten schuldet.

Die Berücksichtigung des Einkommens des neuen Ehegatten und die Anwendung der Dreiteilungsmethode spiegelt den Verfassungsrichtern zufolge jedoch nicht die ehelichen Lebensverhältnisse wider. Vielmehr handelt es sich dabei um Veränderungen, die gerade nicht auf die Ehe der Geschiedenen zurückzuführen sind.

Drittelmethode verkompliziert des Unterhaltsrecht

Die Rechtsprechung des BGH zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Dreiteilungsmethode stelle einen Systemwechsel zu den vom Gesetzgeber normierten Konzept zur Berechnung des Unterhalts dar. Grundsätzlich wird nämlich bei der Berechnung des Unterhalts zwischen dem Bedarf des begehrenden Ehegatten und der Leistungsfähigkeit des pflichtigen Ehegatten unterschieden. Mit der Einbeziehung des Einkommens des neuen Ehegatten werden die nach der rechtskräftigen Scheidung entstandenen Unterhaltspflichten bereits bei der Ermittlung des Bedarfs des unterhaltsbegehrenden Ehegatten berücksichtigt. Dogmatisch richtig, also nach den gesetzlichen Vorgaben sind diese Verpflichtungen jedoch erst bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten zu berücksichtigen.

Die hiermit verbundene Aufhebung des vom Gesetzgeber zur Prüfung der Unterhaltsansprüche vorgesehenen Systems überschreitet, so die Verfassungsrichter, die "Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung".

Die Berechnungsmethode dient zudem nicht der Vereinfachung des Unterhaltsrechts, was eines der Ziele der Unterhaltsreform zum 1. Januar 2008 gewesen war. Vielmehr verkompliziert sie die Unterhaltsberechnung durch einen weiteren Berechnungsschritt. Schließlich wird der Vertrauensschutz unterlaufen: Der neue Ehegatte weiß, worauf er sich einlässt.

Kristina Gräfin Pilati ist Rechtsanwältin, Notarin und Fachanwältin für Familienrecht. Andrea Volpp ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht. Beide Autorinnen sind Partnerinnen der Kanzlei Pilati + Partner in Frankfurt.

 

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Zitiervorschlag

Nachehelicher Unterhalt: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2538 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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