Millionenforderung gegen Bayer 04 Leverkusen: TelDaFax-Insolvenzverwalter pfeift zur Rückrunde

Dr. Franz Zilkens

13.09.2011

Die Insolvenz von TelDaFax könnte ein unangenehmes Nachspiel für Bayer 04 Leverkusen haben. Nicht nur hat die Werbung für den möglicherweise betrügerischen Stromanbieter zu einem Imageschaden der Traditionself und ihres Sportdirektors Völler geführt; es droht nun auch eine Millionenforderung des Insolvenzverwalters – wieso, erklärt Franz Zilkens.

Seit einigen Wochen geistert durch die Presse, dass der Insolvenzverwalter des maroden Stromlieferanten TelDaFax von Bayer 04 Leverkusen möglicherweise 16 Millionen Euro verlangen kann – wegen Insolvenzanfechtung. Ein so großer Betrag würde der Abwicklung des zahlungsunfähigen Unternehmens gut tun, er würde aber auch ein Loch in die Kasse des Leverkusener Fußballclubs reißen.

Die Insolvenzanfechtung stellt sich für die Beteiligten als zweischneidig dar: Für die Gläubiger eines zahlungsunfähigen Unternehmens ein Segen, ist sie aus Sicht des Anfechtungsgegners ein unerwartetes Übel. So geht es auch der Werkself mit TelDaFax. Bayer soll die Sponsorengelder zurückzahlen, die der Verein seit November 2009 erhalten hat. Nach unbestätigten Informationen soll es sich hierbei um 12 Millionen, möglicherweise sogar um bis zu 16 Millionen Euro handeln.

Dieses Ergebnis erstaunt in Anbetracht der allgegenwärtigen Werbung für den Stromanbieter. Seien es die Trikots der Spieler bei den wöchentlichen Ligaspielen oder die Werbeplakate mit Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler: Der Erstligist hat seine Verpflichtungen aus dem Sponsorenvertrag immer voll erfüllt. Warum soll er das Geld zurückzahlen, das er genau für diese Werbung bekommen hat?

Geld fließt zurück durch Insolvenzanfechtung

Der Knackpunkt im Fall Bayer Leverkusen liegt darin, dass der Club bereits im Herbst 2009 von der finanziellen Schieflage seines Werbepartners gewusst haben soll.

Die Insolvenzordnung (InsO) kennt verschiedene Anfechtungstatbestände, nach denen eine Geldleistung nach Zahlungsunfähigkeit rückabgewickelt werden kann, indem der Insolvenzverwalter diese Vermögensverschiebungen anficht. Wenn also TelDaFax als Schuldner an den Fußballverein gezahlt hat, um andere Gläubiger zu benachteiligen, und Bayer 04 hiervon wusste, liegt der Fall des § 133 InsO vor, die so genannte Vorsatzanfechtung.

Ausgangspunkt hierbei ist die Frage, ob TelDaFax bei den fraglichen Zahlungen wusste, dass das Unternehmen nur bestimmte Gläubiger voll bezahlen kann und andere aktuelle oder zukünftige nicht mehr. Der Schuldner schädigt diese Gläubiger dadurch, dass das weggegebene Vermögen nicht mehr zur Verteilung an sie zur Verfügung steht. Wenn der Schuldner sich pflichtgemäß und vorausschauend verhalten hätte, hätte er die fraglichen Zahlungen sofort nur anteilig verteilt.

Natürlich fragen die übrigen Gläubiger sich, warum der Schuldner wider besseres Wissen einzelne Gläubiger bezahlt und sie selbst leer ausgehen. Dieses als ungerecht empfundene Ergebnis soll weitgehend rückgängig gemacht werden. Da bei der zahlungsunfähigen Firma selbst oft nicht viel zu holen ist, rücken die bevorzugt bedienten Gläubiger ins Visier. Sie sollen zurückgeben, was sie erhalten haben und sich genau so behandeln lassen, wie die übrigen Gläubiger auch. Der Verwalter erreicht dies im Wege der Insolvenzanfechtung.

TelDaFax stopft professionell Finanzlöcher

Im Falle der TelDaFax muss nun der zum Verwalter bestellte Rechtsanwalt Dr. Biner Bähr genau untersuchen, ob der Stromanbieter bereits im Jahr 2009 nur noch Löcher stopfte und dabei wusste, dass künftige Gläubiger nicht mehr befriedigt werden können. Das Flicken von Finanzlöchern wird vor der Insolvenz gerne praktiziert und oft so lange fortgesetzt, bis das flüssige Vermögen auch für die dringendsten Löcher nicht mehr reicht. Dabei befinden sich die Geschäftsführer und Vorstände häufig längst im Bereich der Strafbarkeit. So wohl auch bei TelDaFax.

Das Troisdorfer Unternehmen hat das Stopfen von Löchern offenbar professionalisiert. Nach Presseinformationen wirtschaftete TelDaFax zuletzt in einer Art Schneeballsystem, in dem Strom systematisch unter dem Einkaufspreis an die Kunden weitergegeben wurde. Dieses Zuschussgeschäft konnte nur durch Vorkassen von immer mehr neuen Kunden aufrecht erhalten werden. Bereits im Sommer 2009 soll dieses System gekippt sein, so dass die Firma mit ungedeckten Verbindlichkeiten von rund 150 Millionen Euro in eine wirtschaftliche Schieflage geriet. Anscheinend gab es bereits im Juli 2009 einen Brief der Vorstände von TelDaFax an ihren Aufsichtsrat, in dem sie die Situation schildern und die Notwendigkeit eines Insolvenzantrages verdeutlichen.

Nur der Vorsatz des Schuldners reicht aber nicht für eine Anfechtung nach § 133 InsO. Der Zahlungsempfänger ist vor einer Anfechtung sicher, solange er nichts von der finanziellen Situation des späteren Insolvenzschuldners ahnt. Wenn Bayer also die finanzielle Situation seines Partners kennt, muss der Verein davon ausgehen, dass nur er selbst noch bezahlt werden kann, andere aber schon nicht mehr. Dann weiß er, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten der Geschäftsführung keine Zahlung mehr hätte bekommen dürfen und – wie die anderen auch – lediglich Insolvenzgläubiger wäre. Deshalb muss er das Empfangene zurückgewähren und sich in die Schar der Insolvenzgläubiger einreihen.

Ein Wirrwarr zwischen Werkself, TelDaFax und Telefax

Hier liegt in aller Regel die schwierigste Aufgabe des Insolvenzverwalters. Wie kann er nachweisen, dass ein Außenstehender von der internen finanziellen Situation weiß. Üblicherweise wird alles getan, damit eine Krise gerade nicht ruchbar wird. Das scheint jedoch zwischen dem Fußballverein und TelDaFax anders gewesen zu sein. Dabei gibt es drei mögliche Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis der Leverkusener:

Erstens gibt es wohl Hinweise darauf, dass Vertreter von Bayer 04 das brisante Vorstandspapier an den Aufsichtsrat von Juli 2009 kannten. Zweitens gab es auf Wunsch von TelDaFax am 17. September 2009 ein Gespräch zwischen der Geschäftsführung des Bundesligisten und vier Managern von TelDaFax im Büro des Geschäftsführers der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH. Das Gespräch selbst wird von allen Beteiligten bestätigt. Was aber genau besprochen wurde, ist unklar. Einige Teilnehmer geben an, es sei um die mögliche Insolvenz von TelDaFax gegangen. Der Geschäftsführer von Bayer 04 hält dagegen, man habe lediglich neue Gesellschafter des Sponsors kennenlernen wollen. Tatsächlich aber gab es weder vor noch lange nach dem Gespräch einen Gesellschafterwechsel bei TelDaFax. Allerdings hatten die Vorstände des Stromanbieters zu dieser Zeit durchaus versucht, die drohende Insolvenz durch neue Investoren zu verhindern.

Ein Indiz für den Inhalt des Gesprächs ist ein angebliches Fax, das der Geschäftsführer von Bayer 04 fünf Tage nach dem Gespräch an TelDaFax geschickt haben soll. In diesem Fax soll er eine Änderung des Sponsoringvertrages vorgeschlagen haben. Gegenstand war angeblich eine ratenweise Stundung offener Forderungen und der Übergang von einer halbjährlichen zu einer monatlichen Abrechnung. Gleichzeitig soll dem Sponsor ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt worden sein.

Schließlich soll die Stundungsvereinbarung bereits bis zum 15.Oktober 2009 nicht eingehalten worden sein, so dass der Geschäftsführer von Bayer 04 sich erneut per Fax bei TelDaFax beschwerte haben soll: "Da die erste Stundungsvereinbarung aus September 2009 von TelDaFax nicht eingehalten wurde, sehen wir keine Veranlassung, eine weitere Stundung zu gewähren".

Bayer stellt sich selbst ins Abseits

Insgesamt betrachtet scheint es Bayer 04 Leverkusen also klar gewesen zu sein, wie es um TelDaFax steht. Die Durchsetzbarkeit der Anfechtung gestaltet sich praktisch aber häufig schwieriger als es die Theorie im Vorfeld vermuten lässt. Für den Anfechtungsanspruch müssten Mitarbeiter des Stromanbieters die Kenntnis vom Vorstandspapier oder den Inhalt des angeblichen Krisengesprächs bestätigen. Rechtsanwalt Dr. Bähr muss als Insolvenzverwalter zudem Schriftstücke sichern, die hierüber Auskunft geben. Er müsste nachweisen, dass das interne Vorstandspapier an Bayer 04 versandt wurde. Wichtig wäre auch das Telefax vom 15. Oktober 2009, in dem Bayer 04 bestätigte, dass es im September 2009 eine Stundungsvereinbarung gab, die TelDaFax nicht eingehalten hat. Bei Stundungsvereinbarungen wird die finanzielle Situation dem Partner gegenüber in aller Regel offen gelegt; andernfalls wird kaum jemand eine Stundung gewähren.

Bayer 04 lässt dagegen verkünden, dass es keine Anhaltspunkte für eine Schieflage gegeben habe. Der Sponsorvertrag sei schließlich von dem Club stets erfüllt worden. Das Management habe keinen Grund für eine vorzeitige Kündigung gesehen. Ein schwaches Argument, wenn man bedenkt, dass auch andere TelDaFax-Partner ihren Pflichten nachgekommen sind, ohne Geld zu erhalten.

Außerdem gibt es eine Pressemitteilung aus Leverkusen, nach der TelDaFax einzelne Zahlungen bereits vor Fälligkeit geleistet haben soll. Mit einer solchen Meldung stellt sich die Werkself sogar selbst ins Abseits, da eine Zahlung vor Fälligkeit allein und ohne weitergehende Kenntnis die Vorsatzanfechtung der Transaktion ermöglichen würde.

Bei näherer Betrachtung scheint eine Rückforderung über den Weg der Anfechtung durchaus wahrscheinlich. Dabei hängt es jedoch entscheidend davon ab, welche belastbaren Zeugen und Unterlagen dem Insolvenzverwalter tatsächlich zur Verfügung stehen. Fest steht allein, dass 16 Millionen Euro auch für Bayer 04 Leverkusen nicht mehr aus der Kaffeekasse zu zahlen sind.

Der Autor Dr. Franz Zilkens ist Rechtsanwalt in Köln. Er beschäftigt im Schwerpunkt mit Insolvenzverwaltung und ist Verfasser verschiedener Veröffentlichungen im Insolvenz- und Wirtschaftsrecht.

 

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Zitiervorschlag

Millionenforderung gegen Bayer 04 Leverkusen: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4274 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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