Untersagung des Rundfunksenders "RT DE": Staats­ferne mit Sicher­heits­lücke

Gastbeitrag von Dr. Frederik Ferreau

05.02.2022

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat das Rundfunkangebot "RT DE" untersagt. Es fehle die nach dem Medienstaatsvertrag erforderliche Lizenz. Frederik Ferreau befürchtet jedoch, dass staatliche Stellen dieses Verbot umgehen könnten.

Das Rundfunkrecht scheint in diesen Tagen zum Ventil für die allgemeinen deutsch-russischen Spannungen zu avancieren. Nur einen Tag nach der Untersagung des Rundfunkangebots "RT DE" durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg verhängte die russische Regierung ein Sendeverbot gegen die russische Ausgabe der Deutschen Welle. Es handelt sich um eine offensichtliche Retourkutsche Russlands. Dabei steht das deutsche Vorgehen auf rechtlich gesichertem Terrain. Und das nicht nur, weil in Deutschland die Medienaufsicht in den Händen staatsferner Stellen liegt.

Anders als die Deutsche Welle für ihre Kanäle in Russland, verfügt die Betreibergesellschaft RT DE Productions GmbH hierzulande über keine Lizenz zum Betrieb eines Rundfunksenders. Das deutsche Rundfunkrecht stellt aber die Rundfunkveranstaltung gemäß § 52 Absatz 1 Satz 1 Medienstaatsvertrag (MStV) unter einen Zulassungsvorbehalt.

Ob ein audiovisuelles Angebot als zulassungspflichtiger Rundfunk einzuordnen ist, bemisst sich nach § 2 Absatz 1 MStV. Entscheidend ist die Verbreitung zum zeitgleichen Empfang entlang eines Sendeplans. Die lineare Ausstrahlung von Sendungen stellt demnach Rundfunk dar, während unregelmäßige Video-Uploads als nichtlineare Verbreitung zulassungsfrei sind.

Rundfunk auf Ab- und Umwegen

Bei der Umgehung der Zulassungshürde hat RT DE wiederholt Kreativität bewiesen: Bereits 2015 wurde eine Kooperation mit einem thüringischen Lokalsender geschlossen, der einmal wöchentlich eine von RT DE produzierte Sendung ausstrahlte. Jüngst bemühte sich RT DE um eine Rundfunklizenz im europäischen Ausland. Nachdem ein erster Versuch in Luxemburg gescheitert war, erteilte schließlich Serbien dem Sender die begehrte Lizenz.

Damit ist Deutschland jedoch bei der Regulierung nicht außen vor: Zwar besagen sowohl die in der Europäischen Union (EU) geltende Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste als auch das räumlich über die EU hinausreichende und auch von Serbien ratifizierte Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen, dass ein in einem Staat zugelassenes Angebot in allen anderen Unions- oder Konventionsstaaten weiterverbreitet werden muss. Indes richtet sich nach beiden Rechtsakten die Festlegung des Sitzstaates insbesondere danach, in welchem Staat die redaktionellen Entscheidungen getroffen werden.

Und selbst wenn die wesentlichen Entscheidungen im Ausland zustande kommen, begründen beide Rechtsakte ausnahmsweise die Zuständigkeit Deutschlands in Umgehungskonstellationen: In diesen Fällen richtet ein Anbieter sein Angebot auf einen bestimmten Zielstaat aus, lässt sich aber in einem anderen Staat nieder, um der (meist strengeren) Regulierung durch den Zielstaat zu entgehen. Ob ein Angebot auf einen anderen als den Sitzstaat ausgerichtet ist, bemisst sich nach Indikatoren wie Sprache, Herkunft der Einnahmen oder Ausrichtung von Sendungen an die Öffentlichkeit des Zielstaates.

Im Fall von RT DE lag die inhaltliche Entscheidung über die Untersagung bei der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), einem "Wanderorgan", das jeweils für die örtlich zuständige Medienanstalt in Fällen bundesweit verbreiteter Rundfunkangebote tätig wird. Nach Ansicht der ZAK konnte sich RT DE "auf keine andere europarechtlich legitime Erlaubnis berufen". Hierfür dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass RT DE sein Programm im Wesentlichen in Berlin erstellt.

Von Verfassungs wegen staatsfern

Der enorme Umgehungsaufwand von RT DE lässt erahnen, dass die Betreiber selbst nicht vom Erfolg eines Zulassungsantrages überzeugt sind. Der Grund für die Zweifel liegt in den persönlichen Zulassungsvoraussetzungen:

Gemäß § 53 Absatz 3 MStV darf eine Zulassung nicht an juristische Personen des öffentlichen Rechts oder mit diesen im aktienrechtlichen Sinne verbundene Unternehmen erteilt werden. Und entsprechendes gilt für ausländische öffentliche wie staatliche Stellen. Zur Prüfung der Zulassungsfähigkeit stattet § 55 Absatz 2 MStV die Medienanstalten mit umfassenden Auskunftsbefugnissen aus. In einem Zulassungsverfahren wären folglich die Eigentümer- und Finanzierungsstrukturen von RT DE gründlich durchleuchtet worden. Und dabei wäre wohl ein enormer Einfluss der russischen Regierung zutage getreten.

Die Vorschriften sind einfachrechtlicher Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots der Staatsferne des Rundfunks. Um einen möglichst freien Meinungsbildungsprozess des Staatsvolks zu gewährleisten, sollen die Medien weitgehend gegen staatliche Einflussnahme abgeschirmt werden. Nur so können sie öffentliche Stellen kontrollieren und damit den Bürgerinnen und Bürgern eine möglichst unvoreingenommene Sicht auf das politische Geschehen bieten.

Vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung einer Instrumentalisierung des Rundfunks durch den Nationalsozialismus ist verständlich, weshalb das Gebot der Staatsferne in Deutschland im internationalen Vergleich besonders streng ausfällt. Durch die Rechtsprechung ist es immer weiter präzisiert worden. In erster Linie umfasst das Gebot ein Verbot staatlicher Rundfunkveranstaltung, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem wegweisenden Deutschlandfernsehen-Urteil entschieden hat (BVerfG, Urt. v. 28.02.1961, Az. 2 BvG 1, 2/60).

Eine Hintertür für staatlichen Quasi-Rundfunk

Im Falle von RT DE untersagte die ZAK die Verbreitung des linearen Programms über Internetprotokoll, Smart-TV-App und Satellit. Damit endet allerdings die Handhabe der Medienaufsicht, ist doch die Regelung des § 53 Absatz 3 MStV auf die Veranstaltung von zulassungspflichtigem Rundfunk beschränkt. Nichtlineare Bewegtbildangebote sind dagegen aus- und inländischen staatlichen Stellen nicht verwehrt.

Damit droht jedoch das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne leerzulaufen. Nichtlineare Angebote wie etwa Abrufvideos auf YouTube-Kanälen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und Reichweite. Die Koppelung der strengen Rundfunkregulierung an das Merkmal der Linearität hat deshalb ihre Überzeugungskraft eingebüßt.

Es ist zu erwarten, dass RT DE diese Schwäche des deutschen Rundfunkrechts ausnutzen und künftig verstärkt auf nichtlineare Berichterstattung setzen wird. Sperrungen seiner Kanäle durch große Online-Plattformen dürften dieses Vorhaben nur kurzfristig ausbremsen, denn neue Verbreitungswege sind in der digitalen Welt schnell gefunden. Und neben ausländischen Staatsmedien nutzen auch inländische öffentliche Stellen zunehmend die Möglichkeiten audiovisueller Content-Bereitstellung. Die Bandbreite reicht dabei von der wöchentlichen Videobotschaft aus dem Bundeskanzleramt bis hin zur Reality-Serie im Auftrag des Verteidigungsministeriums.

Die Sicherung der Staatsferne ist eine verfassungsrechtliche Pflichtaufgabe des Gesetzgebers. Er sollte daher die gesetzliche Hintertür für staatlichen "Quasi-Rundfunk" schließen.

Untersagung von "rundfunkähnlichen Telemedien"?

Der Medienstaatsvertrag kennt bereits die Kategorie der "rundfunkähnlichen Telemedien" (§ 2 Absatz 2 Nr. 13 MStV) und erstreckt auf sie einige der für Rundfunkangebote geltenden Vorschriften. Hier könnten die Länder ansetzen und in- wie ausländischen Staaten das Anbieten rundfunkähnlicher Telemedien untersagen.

Dabei wäre in Rechnung zu stellen, dass inländische staatliche Stellen zur Entfaltung einer Informations- und Öffentlichkeitsarbeit berechtigt und sogar verpflichtet sind: Ihnen könnte hierfür in gewissem Umfang auch die Nutzung audiovisueller Formate gestattet werden. Diese müssten jedoch einen engen Bezug zu den Aufgaben der jeweiligen Stelle wahren und sich jeglicher allgemeinen Berichterstattung enthalten.

Wie die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Russland ausgehen wird, ist noch nicht abzusehen. Sollte sie aber den deutschen Gesetzgeber zu einer Effektuierung des Gebots der Staatsferne animieren, hätte sie jedenfalls für die Freiheit der Meinungsbildung in unserem Land etwas Gutes bewirkt.

Dr. Frederik Ferreau ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Institut für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln. Er befasst sich insbesondere mit Fragen der Regulierung digitaler Medien. Zudem ist er stellvertretenes Mitglied der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM NRW).

Zitiervorschlag

Untersagung des Rundfunksenders "RT DE": . In: Legal Tribune Online, 05.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47438 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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