Die Politikberaterin Margarita Mathiopoulos hat wegen akademischen Schwindels ihren Doktortitel verloren und kein deutsches Gericht gibt ihn ihr zurück. Jetzt zieht sie vor den EGMR – und kann deshalb einstweilen Honorarprofessorin bleiben.
Es war der letzte Versuch hierzulande und auch der ging schief: Das Bundeverfassungsgericht (BVerfG) hat, wie Margarita Mathiopoulos gegenüber LTO bestätigte, ihre Beschwerde gegen ein rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen.
Nun sieht die Politikberaterin in einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen letzten Hoffnungsschimmer, um zu bleiben, was sie ist. Dabei geht es ihr nicht nur um den Doktor, sondern auch um ihre ehrenamtliche Honorarprofessur an der Technischen Uni Braunschweig (von 1995) und der Uni Potsdam (seit 2002). Denn Amt und Titel "sollen" an der TU satzungsgemäß bei "unwürdigem Verhalten", namentlich wissenschaftlichem Fehlverhalten widerrufen werden; in Potsdam ist die Promotion "in der Regel" sogar Voraussetzung für den Professoren-Titel. Der "kann" aberkannt werden, wenn sonst das Ansehen der Hochschule leidet. Für Mathiopoulos geht es also jetzt um alles, kurz gesagt den "Prof. Dr.".
Streit im Wandel der Zeit
Die ganze Sache war überhaupt nur strittig geworden, weil die Uni Bonn 1991, vier Jahre nach Erscheinen der politikwissenschaftlichen Arbeit und ersten kritischen Stimmen aus der Fachwelt, einen Täuschungsvorsatz gleichwohl verneint und von irgendwelchen Sanktionen abgesehen hatte. Dann aber kam Mathiopoulos 2011 doch noch zu Fall: Die Internetplattform Vroniplag Wiki monierte auf fast jeder zweiten Buchseite Plagiatsfunde, die die Uni zum Umdenken bewegten – seinerzeit, als die Plagiatsaffäre um Bundesverteidigungsminister Guttenberg hochkochte und alle Hochschulen sich wie nie zuvor für redliche Wissenschaft sensibilisierten. Die zuständige Philosophische Fakultät in Potsdam beschloss ganz voreilig – nämlich "für den Fall, dass die Bonner Entscheidung (gegen Mathiopoulos) rechtskräftig wird" –, ihr auch die Honorarprofessur zu entziehen. Dasselbe kündigte die TU Braunschweig an. Aber passiert ist das bislang nicht.
Im Gegenteil versichert die TU ausdrücklich, die Titel-Frage nun angesichts der "geplanten Klage" in Straßburg zu klären. Eindeutiger erklärt Potsdam, "dass wir eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abwarten werden. Erst danach ist die Uni wieder am Zuge" - also womöglich erst in ein paar Jahren, wenn die Honorarprofessorin schon das Pensionsalter erreicht hat. Statt Übereilung ist offenbar Geduld angesagt – mittlerweile, seit Wissenschaftsplagiate quasi normal zu sein scheinen und anders als früher kein Medienhype oder politischer Aufreger mehr sind.
Salto rückwärts in Straßburg?
Nichts kann die Hochschulen daran hindern, nach dem rechtsgültig entzogenen Doktor auch den Professorentitel abzuerkennen. Aber was kann der Gang nach Straßburg Mathiopoulos denn überhaupt noch bringen?
Der Bonner Rechtsprofessor Klaus F. Gärditz erläutert: Rechtskräftig beendete Verfahren sind wiederaufzunehmen, wenn der EGMR von ihm geschützte Grundrechte verletzt sieht, etwa den Anspruch auf einen fairen Prozess. Doktorhüte selber oder andere akademische Würden gehören allerdings nicht zum direkten Schutzbereich.
Die Angst des Schützen vorm Elfmeter
Warum aber zögern die Braunschweiger und Potsdamer Hochschulspitzen, die angekündigte Aberkennung wahrzumachen? Sie müssen damit rechnen, dass Mathiopoulos dagegen wieder vor Gericht zieht.
Würden dann die damaligen Berufungsverfahren öffentlich erörtert, könnten sich die beiden Unis nur blamieren: Die Plagiatsvorwürfe gegen die Doktorarbeit waren den zuständigen Stellen bekannt, wie sich beteiligte Professoren gegenüber LTO klar erinnern. Massive Bedenken wurden aber mit Gremienmehrheit übergangen. Ein Gutachter in Braunschweig verstieg sich sogar zu der abwegigen Behauptung, die Doktorarbeit sei "vor allem von außerwissenschaftlicher Seite zu Unrecht und ohne Grundlage angegriffen worden". Mit anderen Worten: Mathiopoulos, damals Ehefrau des Bundespolitikers Friedbert Pflüger (CDU) und erfolgreiche Managerin der Norddeutschen Landesbank, werde nur von böswilligen und inkompetenten Verleumdern schlecht gemacht. Umgekehrt hoffte man in Braunschweig wie Potsdam vielmehr, dank der brillanten Kontakte der Honorarprofessorin zu einem internationalen Kreuzungspunkt von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu werden.
Das waren alles eher leere Träume. Sie vor Gericht platzen zu lassen, schadet unweigerlich dem vielbeschworenen "Ansehen" der Hochschulen. Da können gewiefte Anwälte wohl nur raten, die Frage der Honorarprofessur möglichst lange in der Schwebe zu halten. Die Verantwortlichen in Braunschweig und Potsdam haben das anscheinend gut verstanden.
Hermann Horstkotte, Wissenschaftsplagiat: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27321 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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