Managerhaftung: Die Luft wird dünner

Hans-Ulrich Wilsing

07.05.2010

Seit Ausbruch der Finanzkrise wird verbreitet die These aufgestellt, Vorstände von Aktiengesellschaften gingen zu Lasten der Unternehmen untragbare Risiken ein und strichen dabei noch zu hohe Vergütungen ein. Der Gesetzgeber hat schon reagiert, weitere Maßnahmen sind geplant. Hans-Ulrich Wilsing warnt vor einer Verschärfung der Managerhaftung bei gleichzeitiger Beschneidung der Vorstandsautonomie.

Beanstandet wurde seit dem Jahr 2007 insbesondere, dass die Anknüpfung variabler Vergütungen an kurzfristige Erfolgsziele zu Fehlanreizen für die Geschäftsleiter führe und so einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung abträglich sei. Darauf hat der Gesetzgeber in einem ersten Schritt mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009 reagiert. Mit dieser Maßnahme ist die Diskussion aber nicht beendet, wie aktuelle Entwicklungen zeigen.

Als weitere Stellschraube, die auf das Verhalten von Managern Einfluss nimmt, rückt immer mehr die Organhaftung ins Blickfeld. Das überrascht nicht, da die haftungsrechtliche Aufarbeitung der Finanzkrise erst anläuft und kaum ein Tag vergeht, ohne dass dieses Thema in den Medien aufgegriffen wird.

Verlängerung der Verjährungsfristen für Organhaftung von Managern

In diesem Lichte ist auch die aktuelle Ankündigung des Bundesjustizministeriums zu sehen, eine Reform der Verjährungsregeln auf den Weg zu bringen. Nach eigenen Angaben möchte das Ministerium hierdurch gewährleisten, dass eine etwaige Organhaftung von Managern für Schäden aus der Finanzkrise nicht an "juristischen Problemen" scheitert. Bezeichnenderweise wird damit offen eingeräumt, dass es bei der angestrebten Reform weniger um die Schaffung ausgewogener Regeln für die Zukunft geht. Vielmehr sollen offenbar in erster Linie bereits entstandene Haftungsansprüche, deren tatsächliche Grundlagen noch weiterer Aufklärung bedürfen, nicht wegen Verjährung verloren gehen.

Es erscheint zweifelhaft, ob eine solche Novelle einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten kann, liefe sie doch auf eine sogenannte unechte Rückwirkung hinaus.

Viel wichtiger ist jedoch, dass die unternehmerische Entschlussfreudigkeit in der Praxis oft unter der latenten Gefahr persönlicher Haftung leidet. Auf diese Weise werden Unternehmen spürbar gelähmt.

Überdies ist zu bedenken, dass die Leitung börsennotierter Unternehmen keine Aufgabe für jedermann ist. Hier sind Spezialisten gefragt, die neben Führungsfähigkeiten auch eine hervorragende Vernetzung sowie ausgeprägtes unternehmerisches Denken mitbringen. Mitunter finden sich jedoch Anzeichen dafür, dass die wenigen Persönlichkeiten, die diese Voraussetzungen erfüllen, angesichts der in Öffentlichkeit und Politik verbreiteten "Managerschelte" und der drohenden Verschärfung des Haftungsrechts die Vorstandsetagen deutscher Unternehmen verlassen könnten.

Beschränkungen der Vorstandsautonomie

Dies gilt umso mehr, als die Reformüberlegungen beim Verjährungsrecht nicht Halt machen. So hat eine Länderarbeitsgruppe zur "Managerverantwortlichkeit" etwa angeregt, die Rechte von sogenannten besonderen Vertretern zu stärken und die Berichtspflichten des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung im Zusammenhang mit der Prüfung und Durchsetzung von Haftungsansprüchen auszuweiten.

Hinzu kommt ein neuer Vorstoß in der Rechtsprechung, den autonomen Handlungsspielraum für Vorstände durch ein großzügiges Verständnis der Mitwirkungskompetenzen der Hauptversammlung einzuengen. In diesem Sinn hat sich jüngst das Landgericht Frankfurt/Main in Sachen "Commerzbank" geäußert. Auch diese Entwicklung lässt aufhorchen. Denn die Kompetenz, das Unternehmen eigenverantwortlich und weisungsunabhängig zu leiten, ist notwendige Kehrseite einer weitreichenden Managerhaftung.

Wie auch immer man zu den skizzierten Gesetzgebungsvorhaben stehen mag: Eine Verschärfung des gesetzlichen Haftungsmodells unter gleichzeitiger Beschneidung der Vorstandsautonomie durch die Rechtsprechung und trotz bereits erfolgter Begrenzungen der Vorstandsvergütungen ist eine asymmetrische und ungesunde Entwicklung. Gesetzgeber und Justiz müssen daher Augenmaß beweisen. Schließlich werden sich deutsche Unternehmen gerade nach der Finanzkrise nur dann erfolgreich im Wettbewerb behaupten können, wenn sie auch für qualifizierte Führungskräfte attraktiv bleiben.

Der Autor Hans-Ulrich Wilsing ist Partner im Bereich Corporate einer internationalen Kanzlei am Standort Düsseldorf.

Zitiervorschlag

Managerhaftung: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/261 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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