"Bier": Da steckt Liebe drin

von Daniel Schneider

14.08.2012

Das Berliner Bier namens Bier besteht nicht nur aus Hopfen, Malz und Wasser, sondern auch aus Liebe. Das verspricht zumindest das Etikett. Die Behörden hatten wenig übrig für solcherlei Scherze: Liebe sei keine Zutat im Sinne des Lebensmittelrechts und folglich aus der Zutatenliste zu streichen. Basta. Daniel Schneider über die Emotionslosigkeit verbraucherschützender Kennzeichnungsvorschriften.

"Hopfen und Malz, Gott erhalt's." So lautet ein bekannter Trinkspruch. Einem Biervermarkter aus der Hauptstadt war das für sein Produkt noch nicht genug: Neben den beiden Grundzutaten und Wasser fügte er – zumindest nach Zutatenverzeichnis – seinem Gebräu noch etwas hinzu. Dieses besondere Etwas sollte ihm ein Schreiben der amtlichen Lebensmittelüberwachung einbringen. Die Rede ist von der Liebe.

"Ohne unsere Liebe würde dieses Produkt wie jedes andere beliebige Fernsehbier schmecken", so reagierte Stephan Alutis, Kopf und Geschäftsführer der Berliner Firma "Waren des täglichen Bedarfs" per Brief auf die Beanstandung der Lebensmittelüberwachung. Diese hatten zuvor in einer amtlichen Mitteilung doch tatsächlich behauptet, "Liebe" sei keine Zutat im Sinne der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV).

Dabei hatten die Behördenvertreter bei der sensorischen Überprüfung des Biers (der Volksmund sagt: Riechen und Schmecken) gar nichts zu beanstanden. Der Jungunternehmer Alutis ist überzeugt, sein Getränk müsse sogar so gut geschmeckt haben, dass "die Zutat 'Liebe' in diesem Produkt aufgefallen sein muss".

Mit Minimalismus gegen visuelle Umweltverschmutzung

Die 2009 gegründete Firma, die den Gerstensaft in Chemnitz herstellen lässt und unter dem ausgefallenen Namen "Bier" vertreibt, hat ihren Sitz im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg. Von dort aus engagiert sich der Unternehmer nach eigenen Angaben "gegen die visuelle Umweltverschmutzung […], der die Menschen im urbanen Lebensumfeld permanent ausgesetzt sind".

Zu diesen Umweltverschmutzungen gehöre auch, Produktetiketten so sehr mit Informationen zu überfrachten, dass man ihnen nur mit "maximaler Schlichtheit" begegnen könne, so Alutis auf seiner Facebook-Seite.

In erster Linie hatten die Behörden dann auch bemängelt, dass die Herstellerangaben auf der Bierflasche nicht ausreichten. Fertigpackungen sind nämlich mit der vollständigen Adresse des lebensmittelrechtlich Verantwortlichen zu versehen, damit Verbraucher und Behörde schnell und ohne Umwege mit diesem in Kontakt treten könnten, sollte das notwendig werden.

Hinzu kommen Verkehrsbezeichnung, Mindesthaltbarkeitsdatum, Alkoholgehalt, Zusatzstoffe und das Zutatenverzeichnis. Also eine Liste ganz im Sinne eines Minimalisten, der gegen die visuelle Umweltverschmutzung kämpft.

Liebe – gesundheitlich nicht unbedenklich

Was ist aber nun eine Zutat und muss folglich im Zutatenverzeichnis erscheinen? Für den Jungunternehme ist die Sache klar: Liebe sei zwingend erforderlich, um ein gutes Produkt herzustellen. Aber das Lebensmittelrecht bleibt streng: Zutaten sind lediglich solche Stoffe, die bei der Herstellung verwendet werden und im Enderzeugnis vorhanden bleiben.

Wie wäre es dann mit "Liebe" als Verarbeitungshilfsstoff? Also einem Stoff, der nicht als Zutat im herkömmlichen Sinne verzehrt, aber aus technologischen Gründen während der Herstellung verwendet wird und unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände in gesundheitlich unbedenklichen Anteilen im Lebensmittel hinterlassen kann.

Aber Liebe ist doch kein "unbeabsichtigter" Rückstand! Technisch könnte man sie außerdem durchaus wieder entfernen. Und ob Liebe gesundheitlich so unbedenklich ist? Der ein oder andere mag von zu viel Liebe schon Schäden erlitten haben. Schließlich bleibt die spröde Frage: Kann ein Stoff, der nicht als Zutat gilt, dennoch und quasi freiwillig als Zutat aufgeführt werden?

Und was ist eigentlich mit dem Deutschen Reinheitsgebot? Schließlich hat Herzog Wilhem IV. schon im Jahre 1516 verordnet: "Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen."

Vielleicht geht die Sache vor Gericht; nicht wegen des geringen Bußgeldes von 35 Euro, sondern aus Prinzip. Ob die Richter in der Liebe einen Stoff sehen, der in das Zutatenverzeichnis darf, kann und sollte bezweifelt werden. Über allen Kennzeichnungsregeln schwebt nämlich das allgemeine Irreführungsverbot. Der Verbraucher darf danach durch eine Angabe – und sei sie auch freiwillig – nicht getäuscht werden. Eines scheint jedoch festzustehen: Im Berliner Bier namens Bier steckt viel Emotion. Auf Nachfrage äußerte Alutis: "Die Herstellerangaben werden ergänzt, aber für die Liebe kämpfe ich!"

Der Autor Daniel Schneider ist Rechtsanwalt in Berlin und Referent für Lebensmittelrecht und gewerblichen Rechtsschutz des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks e.V.

Zitiervorschlag

Daniel Schneider, "Bier": . In: Legal Tribune Online, 14.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6831 (abgerufen am: 21.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen