Jan Böhmermann warf Imker Rico Heinzig Greenwashing mit Bienen vor. Der reagierte auf die Kritik kreativ: Er bewarb einen neuen "Beewashing-Honig" mit Namen und Gesicht des Satirikers. Der fand das weniger witzig als das Gericht.
Jan Böhmermann teilt gerne aus. Das Konzept seiner ZDF-Sendung "Magazin Royale" hat einen investigativ-journalistischen Ansatz, die Rechercheergebnisse bereitet der Satiriker aber in einem Comedy-geprägten Format auf. Betroffene finden das nicht immer lustig, manch einer geht sogar juristisch gegen Aussagen des Satirikers vor. Auch eine Sendung über Bienen und Borkenkäfer ist nun Gegenstand eines Rechtsstreits, der am Dienstag vor dem Landgericht (LG) Dresden verhandelt wurde (Az. EV 302529/23). Hier spielt Böhmermann allerdings die Rolle des Angreifers, nachdem er sich in einer November-Folge des Magazins noch selbst über eine aggressive Abmahn- und Klagekultur gegen Medien beschwert hatte.
In dem Dresdner Eilverfahren verlangt Böhmermann von dem Imker Rico Heinzig, dass der es unterlässt, mit dem Namen und Gesicht des Satirikers für seinen Honig zu werben. Der Sachse hatte einen Vorwurf des "ZDF Magazin Royale" mit satirischer Werbung gekontert. Dass Böhmermann mit seiner eigenen Methode "durch den Kakao gezogen werden soll" – wie es die Prozessbeteiligten häufiger formulierten –, schmeckte diesem gar nicht.
"Auf journalistische Kritik kann man journalistisch oder juristisch reagieren", trug Rechtsanwalt Dr. Torben Düsing (Preu Bohlig) vor, der den nicht anwesenden Böhmermann in Dresden vertrat. Das Gesicht und den Namen zu Werbezwecken zu nutzen, sei dagegen rechtswidrig.
Den Hintergrund des Streits bildet die Folge "Image-Kampagnen im Tierreich" vom 3. November 2023. Diese widmete sich laut Böhmermanns Anmoderation dem "unerbittlichsten Showdown aller Zeiten": dem "Kampf Biene gegen Borkenkäfer". Die Sendung zielte darauf ab, einen differenzierten Blick auf Bienensterben und Borkenkäfer-Befall zu werfen: Einerseits werde das Baumsterben überdramatisiert, schließlich erneuerten sich abgestorbene Wälder selbst. Andererseits sei das Aussterben von Honigbienen ein Mythos, den große Unternehmen, aber auch kleine Imkerei-Betriebe wie der von Heinzig durch Verkauf von Bienenpatenschaften ausnutzten, um mehr Gewinn zu machen. Greenwashing mit Bienen also – oder "Beewashing", wie Böhmermann es nennt.
Richterin outet sich als Satire-Fan
"Witzig gemacht, wie man das gewohnt ist aus dieser Sendung", kommentierte die zuständige Richterin Heike Kremz. Sie habe die Folge im November selbst gesehen, ohne zu ahnen, dass sie schon bald darauf beruflich damit zu tun haben würde. Heinzig fand es weniger witzig, dass in der Sendung auch ein Clip seiner Imkerei-Website gezeigt wird – und zwar unmittelbar, nachdem Böhmermann seine Erläuterungen des Beewashings mit den Worten beendet, bei "dem ganzen Honigbienen-Angesiedle" handle es sich um nichts weiter als "ein Business".
Dass Heinzig mit seiner "MyHoney Bio Imkerei" in Meißen ein Geschäft betreibt, ist klar. Dass er mit seinen Produkten wie dem "Dresdner Stadthonig" oder "Flower Power" Unsummen verdient, darf man allerdings bezweifeln. Neu im Sortiment ist jedenfalls seit kurzem der "Beewashing Honey", auf der Website auch als "Böhmermann-Honig" beworben. Dazu finden sich dort die Worte: "Der Honig zur ZDF Magazin Royale Sendung – auf Wunsch mit eigenem Firmenbranding." Zudem erstellte Heinzig ein Werbeplakat. In der Collage zeigt Jan Böhmermann mit seinem Finger auf ein übergroßes Glas Beewashing-Honig, darüber ist zu lesen: "Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt." Das Plakat wurde in einem lokalen Edeka-Markt aufgehängt.
Auch dieser Konter trifft den Humor von Richterin Kremz und der Zuschauer im Saal. Heinzig ist stolz auf die Idee, hat sogar ein Exemplar des Plakates mitgebracht. Mit weniger Humor sah es Berufskomiker Böhmermann. Er ist der Meinung, Heinzig habe seine Namens- und Bildrechte verletzt. Konkret wendet er sich gegen zwei Werbeaktionen: das Plakat sowie die Bewerbung des Honigs im Internet als "Böhmermann-Honig".
Wie der Rechtsstreit zu entscheiden ist, hängt davon ab, ob man Böhmermanns Allgemeines Persönlichkeitsrecht oder Heinzigs Meinungsäußerungs- und ggf. Kunstfreiheit höher gewichtet. Zu dieser Abwägung existiert eine umfassende Rechtsprechung, über deren Anwendung sich die beiden Anwälte am Dienstag munter stritten. Konsens besteht nur über eines: Genau solch einen Fall wie hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht entschieden. Einzigartig sind sowohl Böhmermanns Sendungskonzept der "Investigativsatire" als auch Heinzigs Reaktion mit inhaltlich auf die Kritik antwortender Gegensatire, die zugleich Werbezwecke verfolgt.
"Natürlich ist Böhmermann kein führender Bienenexperte"
Daraus ergeben sich zwei zentrale juristische Streitpunkte. Erstens: Wie weit greift Heinzigs Werbeaktion in die Namens- und Bildrechte des Satirikers ein? Und zweitens: Inwiefern darf man mit Satire auf Satire reagieren?
Für die erste Frage ist nach der BGH-Rechtsprechung mitentscheidend, ob die Werbung beim Kunden den Eindruck erweckt, dass Böhmermann den Honig empfiehlt. Dann macht sich der Werbende die Reputation des Benannten bzw. Abgebildeten zunutze. Ein solcher "Imagetransfer" könnte eine Namensanmaßung sein, die einen Unterlassungsanspruch gemäß § 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründet. Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild kann Abwehransprüche nach §§ 1004 Abs. 1 (analog), 823 Abs. 1 BGB begründen. Böhmermanns Anwalt Düsing sieht das so. Kunden, die die Sendung nicht gesehen haben, könnten nicht zweifelsfrei erkennen, dass die Imkerei den Satiriker hier durch den Kakao zieht. Auf die Satirefreiheit könne sich Heinzig nach der BGH-Rechtsprechung nur berufen, wenn die Satire auch als solche erkennbar ist.
Nach Einschätzung von Heinzigs Rechtsanwalt Dr. Markus Hoffmann (Lippert Stachow) ist genau dieses Kriterium aber erfüllt. Der Gesamtkontext der Werbung ergebe klar, dass Heinzig hier auf eine Folge des "ZDF Magazin Royale" satirisch Bezug nehme. Das ergebe sich auch daraus, dass auf dem Glas des beworbenen Beewashing-Honig ein QR Code abgedruckt ist, dessen Scan zur Imkerei-Homepage führt, wo die gegenständliche Böhmermann-Sendung verlinkt sei. Von einem Imagetransfer könne daher hier keine Rede sein.
In diese Richtung schien auch Richterin Kremz zu neigen, die das Werbeplakat mehrfach als Satire bezeichnete. Die Begründung sorgte für lautes Schmunzeln im Gerichtssaal: "Natürlich ist Jan Böhmermann kein führender Bienen- und Käferexperte." Da konnte auch Böhmermanns Anwalt nicht widersprechen.
Parteien lehnen Vergleichsvorschlag ab
Dass das Gericht zu einem weiten Satire-Verständnis neigt, indiziert auch das einzige Beispiel, das Richterin Kremz als relevante Rechtsprechung nannte: ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden im Fall Claus Weselsky gegen Sixt. Auf Werbeplakaten hatte die Autovermietung mit einem Foto des Chefs der streikfreudigen Lokführergewerkschaft GDL geworben und ihn dort als "Mitarbeiter des Monats" bezeichnet. Weselsky ging dagegen vor – und scheiterte schließlich vor dem OLG. Das sei ein ganz anderer Fall, erwiderte Böhmermann-Anwalt Düsing. Kremz stimmte zwar zu, aber wenn sie die Entscheidung für irrelevant hielte, hätte sie sie wohl nicht ins Spiel gebracht.
Mehrfach deutete Kremz an, dass ihre Rechtsauffassung am Ende nicht entscheidend sei. Wenn die Parteien jeweils auf ihren Standpunkten beharrten, ginge die Sache zum OLG und womöglich auch nach Karlsruhe. "Sie wissen, wie lange so etwas dauern kann."
Das war die Überleitung zu einem Vergleichsvorschlag des Gerichts: Die Werbeaktion wird ab sofort beendet, im Gegenzug verzichtet Böhmermann auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche auf Schadensersatz oder Gewinnbeteiligung. Die Richterin regte an, dass die Parteien sich im Rahmen des Vergleichs auch darüber verständigen, was mit der Bienen-Episode des "ZDF Magazin Royale" passiert, also ob diese offline genommen oder der Heinzig-Clip rausgeschnitten wird. "Aber vielleicht ist's ja gar keine schlechte Werbung für Sie", sagte Kremz Richtung Heinzig. Damit knüpfte sie an einen alten PR-Lehrsatz an: There is no such thing as bad publicity. Heinzig zeigte sich davon nicht überzeugt, auch die Böhmermann-Seite wollte sich auf den Vorschlag nicht einlassen.
Anwalt: Böhmermann-Konzept schwer angreifbar
So wird das LG nun im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über den Unterlassungsanspruch entscheiden müssen. Ihre Entscheidung will Kremz am 8. Februar verkünden.
Ein auf Zahlung von Schadens- oder Wertersatz gerichtetes Hauptsacheverfahren ist noch nicht anhängig, wie ein Sprecher des Gerichts gegenüber LTO bestätigte. Denkbar ist das aber durchaus: Vorgerichtlich hatte Böhmermann Heinzig abgemahnt und laut Medienberichten mehrere Tausend Euro gefordert. Bejaht das Gericht eine Namensanmaßung und/oder eine Verletzung der Rechte am eigenen Bild, können Ansprüche auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB und ggf. auch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB (Eingriffskondiktion) bestehen.
Heinzigs Anwalt Hoffmann erhofft sich durch das Verfahren die Klärung von medienrechtlichen Grundsatzfragen im Zusammenhang mit der Methode Böhmermann. Denn für die Zulässigkeit der Gegensatire komme es auch darauf an, wie die Darstellung von Kritik wie der des Greenwashings in der Comedy-Satire-Sendung rechtlich einzustufen sei. In der Verhandlung sagte Hoffmann in Richtung seines Kollegen Düsing: "Ihr Mandant macht das perfekt. Das macht es so schwer, gegen ihn vorzugehen." Heinzigs Werbeaktion sei der "Versuch, sich zu rehabilitieren" – und zwar anders als auf dem Rechtsweg.
Auf diesem befindet sich der Fall nun aber doch. Wie weit dieser führt, ist unklar. Hoffmann signalisierte Bereitschaft, den Streit auch in höheren Instanzen auszufechten: "Ich mache alles, was mein Mandant mitmacht."
Red. Hinweis: nachträglich aktualisierte Fassung (17.01.2024, 10:55 Uhr).
LG Dresden verhandelt Eilverfahren gegen Imker: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53650 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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