Kaum ist das Leistungsschutzrecht für Verleger eingeführt, da überlegt der Bundestag, es wieder abzuschaffen. Richtig so, meint Experte Thomas Hoeren, der vergangene Woche vor dem Ausschuss Digitale Agenda sprach. Für die Gier der Verlage hat er kein Verständnis. Er plädiert für die Rückkehr zu dem, worum es im Urheberrecht eigentlich geht: Den Schutz der Werke kreativer Menschen.
Da hatte sich der Springer Verlag viel vorgenommen. Ein neues Schutzrecht gegen den Staatsfeind Nr. 1 sollte her: Google sollte endlich zahlen. Den Marktführer der Suchmaschinen macht der Verlag für die Misere der gesamten Zeitungsbranche verantwortlich. Google News, so die Argumentation aus dem Hause Springer, führe dazu, dass gerade jüngere Leute keine Zeitung mehr lesen.
Hinter den Kulissen kämpften engagierte Lobbyisten, bis die schwarz-gelbe Regierung im vorletzten Koalitionsvertrag ein eindeutiges Bekenntnis zugunsten eines Sonderrechts für Verlage vorsah. Die damalige Bundesregierung hoffte allerdings, dass dieses Versprechen bald in Vergessenheit geraten würde.
Dem war aber nicht so. Kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode musste die alte Zusage aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden, gegen den erbitterten Widerstand fast der gesamten Expertenszene und der Wirtschaft. Doch solche Proteste und Bedenken wurden schnell weggewischt. Das neue Leistungsschutzrecht wurde verankert, seit dem 1. August 2013 sollen §§ 87f bis 87h des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) die Rechte von Presseverlegern stärken. Das "lex google" gibt ihnen neben den Urhebern ein eigenes ausschließliches Recht, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.
Vor allem Suchmaschinen wie der Marktführer Google verwenden diese kleinen Auszüge aus Texten, um dem Nutzer in der Ergebnisliste anzuzeigen, was sich hinter dem gefundenen Link verbirgt. Das neue Gesetz hätte theoretisch zur Folge haben sollen, dass sich der Internet-Konzern zuvor eine Zustimmung der Verlage einholen und an sie Lizenzgebühren bezahlen muss.
Google wehrt sich – und gewinnt
Dieses Projekt umzusetzen, gestaltete sich dann aber schwierig. Einige Medien verzichteten – wie LTO - schon mit dem Inkrafttreten der Neuregelungen auf Lizenzgebühren für die Anzeige von Textsnipptes in Suchmaschinen. Vor allem aber weigerte sich Google, zu zahlen. Also beauftragte man eine fast tot geglaubte Verwertungsgesellschaft, die VG Media, mit der Wahrnehmung der entsprechenden Rechte. Doch das Unternehmen zahlte weiterhin nicht und erklärte, dass sich das auch in Zukunft nicht ändern werde. Wer der Suchmaschine keine kostenlose "Lizenz" gewähre, werde ganz einfach nicht mehr in Google News gelistet. Ähnlich reagierten andere Web Portale wie GMX oder T-Online, die in ihrer Not Suchresultate für Springer-Inhalte ausblendeten.
Die VG Media kam in Existenznöte und rief die Schiedsstelle des deutschen Patent- und Markenamtes wegen einer Erklärung ihrer Tarife an. Parallel besorgte sich Google beim Bundeskartellamt eine Unbedenklichkeitserklärung, wonach das Unternehmen nicht verpflichtet sei, Beiträge einzustellen und dafür zu bezahlen. Dann knickte sogar die VG Media selbst ein und erklärte, dass man dem Suchmaschinenbetreiber eine kostenlose "Lizenz" hinsichtlich der Inhalte einräume und nicht mehr vorhabe, gegen ihn vorzugehen. Der Rest ist Krieg, Chaos, Hass.
Der Knicks vor Google sorgt vor allem im Hause Springer für psychische Abschottung. Man wettert gegen die überwältigende Marktmacht des Unternehmens und sieht sich von den USA überrollt. Und dann war da noch dieser EU-Kommissar Oettinger, der frisch im Amt einige Sätze über das Urheberrecht loswerden wollte. So auch, dass intellektuelle Werte aus Europa nicht von Google frei genutzt werden sollten. Schließlich verweist man auf Spanien, wo das Leistungsschutzrecht für Verleger kürzlich erst eingeführt wurde.
Von Anfang an zum Scheitern verurteilt
All das wird den Leistungsschutz nicht retten. Das Gesetz war doch allein schon deswegen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil niemand den Unterschied zwischen kleinen Teilen und kleinsten Teilen definieren kann.
Warum kann Politik nicht sagen: "Okay, da haben wir einen Fehler gemacht. Den beheben wir und machen alles wieder rückgängig"? Gerade eine solche ehrliche Politik würde bei den Bürgern deutlich besser ankommen. Der Verweis auf Spanien hingegen hilft gar nichts. Dort hat man sich in typisch spanischer Manier für ein weiteres Stück symbolischer Gesetzgebung entschieden, das nicht durchgesetzt werden wird.
Auch der stereotyp formulierte Hinweis auf den vermeintlichen Monopolisten Google verfängt nicht. Denn hier geht es auch um viele andere Suchmaschinenbetreiber, deren bloße Existenz schon die These von der Alleinstellung widerlegt. Die Schimpferei auf das Bundekartellamt ist ebenfalls entbehrlich. Mit der These, niemanden zum Lizensieren und Bezahlen zwingen können, hat es nämlich Recht.
Urheberrecht soll die Urheber schützen
Im Übrigen haben die Verleger ja auch immer schon Schutzrechte gehabt, um gegen Missbräuche vorzugehen. Würde Google einen urheberrechtlich relevanten Teil eines Artikels zeigen wollen, bräuchte man dafür die Zustimmung der Urheber, also der Journalisten.
Da diese ihre Verwertungsrechte an den Berichten typischerweise an die Verlage abgetreten haben, könnten die Medienhäuser selbst gegen Google vorgehen. Wie großzügig die Rechtsprechung mit kurzen journalistischen Texten ist, zeigt der EuGH-Fall Infopaq, bei dem 16 Worte eines Textes schon für schutzfähig erklärt wurden.
Die Gier von Springer und anderen richtete sich darauf, selbst Textfragmente, die unterhalb der Schutzhöhe für urheberrechtliche Werke liegen, für sich und ein eigenes Leistungsschutzrecht usurpieren zu wollen. Das kann schon deshalb nicht sein, weil Leistungsschutzberechtigte beim urheberrechtlichen Gestaltungsprozess nur Hilfspersonal sind. Die Zeitungsverleger meinen jedoch, ihre Leistung sei deutlich schutzwürdiger als die der Urheber selbst. Und diese Arroganz wird jetzt bestraft. Das Urteil der Experten, welche sich in der vergangenen Woche vor dem Ausschuss Digitale Agenda im Bundestag äußerten, war vernichtend, fast ausnahmslos plädierten die Gutachter für die Abschaffung des Leistungsschutzrechts.
Mit dem Tod des Leistungsschutzrechts für Zeitungsverleger sollte überlegt werden, wie man das Urheberrecht vor solchen fehlgeleiteten Angriffen von Springer und Co. sichern kann. Und es wieder zu dem machen, was einmal war: ein effektives Schutzinstrument im Interesse der Kreativen selbst.
Der Autor Prof. Dr. Thomas Hoeren ist Professor an der WWU Münster und Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Landeskompetenzzentrum). Er ist u.a. Mitherausgeber der Zeitschrift "Multimedia und Recht" (MMR), Rechtsberater der Europäischen Kommission/DG XIII im "Legal Advisory Board on Information Technology" und Vertrauensdozent der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Von 1996 bis Ende 2011 war er Richter am OLG Düsseldorf.
Leistungsschutzrecht für Verleger : . In: Legal Tribune Online, 10.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14062 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag