Affären am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit. Aber eine Affäre zu verhindern, um die eigene Ehe zu retten als Kündigungsgrund? Ist wirksam, entschied in der vergangenen Woche ein Gericht in Iowa – und empörte oder amüsierte damit nicht nur die Amerikaner. Aber würden deutsche Gerichte wirklich anders entscheiden? Ist das eine Diskriminierung wegen des Geschlechts? Christian Oberwetter überlegt.
Es war eine schwierige Entscheidung, die der Supreme Court of Iowa zu fällen hatte. Jahrelang war alles gut gegangen. 1999 stellte der Zahnarzt Dr. Knight die damals 20-jährige Melissa Nelson als Assistentin ein. Er war froh, in einem unbelasteten Arbeitsklima eine gute Fachkraft an seiner Seite zu haben.
Nach zehn Jahren kam der plötzliche Wandel: Knight sprach seine Mitarbeiterin, wie er verheiratet und mit Kindern, auf ihre körperbetonte Kleidung an, die ihn ablenke – sollte sie Ausbeulungen in seiner Hose bemerken, wisse sie, dass ihre Kleidung zu freizügig sei. In den nächsten sechs Monaten tauschten sich die Kollegen über ihr Privatleben aus. Neben Plaudereien über die Familie ging es gelegentlich um Intimeres.
Als die Assistentin erzählte, sie haben in den letzten Monaten wenig Sex mit ihrem Partner gehabt, antwortete der Dentist, das sei so, als hätte man einen Lamborghini in der Garage und führe ihn nicht. Nachdem seine Ehefrau von dem persönlicher werdenden Verhältnis Wind bekam, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Chef seine langjährige Assistentin feuerte.
Keine Diskriminierung, wenn die Gründe in persönlicher Beziehung liegen
Zu Recht, befand der Supreme Court of Iowa (No. 11-1857, December 21,2012), nachdem die Mitarbeiterin dagegen geklagt hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege kein Fall von Diskriminierung wegen des Geschlechts vor.
Sie sei nicht gekündigt worden, weil sie eine Frau sei, sondern aufgrund der persönlichen Beziehung, welche die Ehe des Zahnarztes gefährde. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Arzt ihr gekündigt habe, um etwaigen sexuellen Anzüglichkeiten am Arbeitsplatz aus dem Wege zu gehen. Rechtlich verboten sei die tatsächlich vorliegende sexuelle Belästigung - nicht aber Maßnahmen zu deren Vermeidung.
Abschließend legte das Gericht dar, dass es nur darüber zu befinden hatte, ob ein Fall der Diskriminierung vorlag. Nicht aber darüber, ob das Verhalten des Arztes fair gewesen sei.
Kündigung auch in Deutschland zulässig?
Hätte die Zahnarztassistentin in der Bundesrepublik ihren Job behalten? In Deutschland ist ein Großteil der Beschäftigten durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt, das für Betriebe gilt, in denen mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt sind. Will der Arbeitgeber kündigen, benötigt er einen Grund. Das Gesetz lässt Gründe, die in der Person des Beschäftigten liegen, grundsätzlich zu. Allerdings ist die Befürchtung einer möglichen Affäre kein solcher personenbedingter Grund - und wird es auch nicht werden.
Anders sieht es in Kleinbetrieben aus. Dort muss der Chef keinen Grund für eine Kündigung haben. Er kann einem Mitarbeiter also grundsätzlich kündigen, wenn er der Auffassung ist, dass man nicht mehr gut miteinander auskommt. So hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass ein Arbeitgeber seiner im Betrieb beschäftigten Ehefrau kündigen darf, wenn das Scheidungsverfahren läuft, da in solchen Fällen die Grundlage für eine persönliche Zusammenarbeit nicht mehr gegeben sei (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.0 5. 2008, Az. 6 Sa 598/08).
Allerdings kann der Chef auch in kleinen Unternehmen nicht schalten und walten, wie er will: Allgemeine Gesetze und vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) setzen ihm Grenzen. Verstößt eine Kündigung gegen das Diskriminierungsverbot aus §§ 1,7 AGG, so ist sie nach § 242 BGB treuewidrig und damit nichtig.
Kein Verstoß gegen das AGG: Echte moralische Bedenken
Der Arzt hatte seiner Mitarbeiterin gekündigt, weil er eine Affäre befürchtete und ihm seine Ehefrau deshalb im Nacken saß. Da die Kündigung somit in direktem Bezug zum Geschlecht der Assistentin stand, spricht die Vermutungsregelung des § 22 AGG dafür, dass die Kündigung aus diskriminierenden Gründen erfolgte.
Damit hätte die Mitarbeiterin den Prozess in Deutschland aber noch nicht für sich entschieden. Der Arbeitgeber kann sich entlasten, wenn er nachweist, dass durch die Benachteiligung kein Verstoß gegen die AGG-Regelungen vorliegt. Das kann er nur, wenn er beweist, dass andere, diskriminierungsfreie Gründe zu der Kündigungsentscheidung geführt haben.
Der Dentist hat seiner Assistentin nicht deshalb gekündigt, weil sie weiblich ist oder sich zu freizügig kleidete. Vielmehr hatte sich der persönliche Kontakt der beiden intensiviert, wobei auch über Intimes gesprochen wurde. Auch wenn das für sich genommen ebenfalls noch keinen Kündigungsgrund darstellt, kam noch hinzu, dass seine Ehefrau von der persönlichen Annäherung erfuhr und ihm selbst klar wurde, dass er sich nicht mehr im Griff hatte.
Die prägenden Motive des Zahnarztes für die Kündigung lagen also darin, seine Ehe und Familie und möglicherweise auch diejenige seiner Mitarbeiterin zu schützen. Das Motiv ist grundsätzlich anerkennenswert, schließlich kommt Ehe und Familie nach Art.6 GG (noch) ein grundrechtlich geschützter Rang zu.
Allerdings müsste ein deutscher Knight seine Gewissensnöte im Prozess nachvollziehbar beweisen. Er hatte vor der Kündigung mehrfach Rücksprache mit einem Geistlichen gehalten, so dass man von echten moralischen Bedenken ausgehen kann. Vor dem Arbeitsgericht könnte er also mit seinem Verhalten durchkommen. Sicherlich kann man von einem Chef erwarten, dass er seine Gefühlswelt beherrscht und sich Verantwortungen stellt, statt sich ihnen zu entziehen. Aber ebenso wie das Gericht in Iowa beurteilt auch ein deutsches Gericht nur das Gesetz - und nicht ob sich jemand anständig verhält.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg.
Christian Oberwetter, Kündigung zur Eherettung: . In: Legal Tribune Online, 04.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7904 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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