Zum 1. August 2013 ist das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft getreten, wenige Tage nach seiner Verkündung. Doch wer eine aktuelle Fassung sucht, wird von der Bundesregierung im Stich gelassen und muss auf kostenpflichtige Angebote ausweichen. Die Hast, mit der die Novelle in Kraft trat, ist exemplarisch für gesetzgeberischen Übereifer, der mehr schadet als nützt, findet Martin W. Huff.
Auf die Verabschiedung des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes mit wichtigen – nicht unumstrittenen – Änderungen und Erhöhungen der Rechtsanwalts- und Notarhonorare und der Gerichtskosten hatte die Branche gewartet. Noch in dieser Legislaturperiode sollte das Gesetz kommen, doch es wurde zeitlich immer enger. Nach einer Einigung im Bundestag rief der Bundesrat überraschend noch den Vermittlungsausschuss an. Rasch wurde auch hier eine Einigung erzielt. So wurde das Gesetz am 23. Juli 2013 in neuer Fassung vom Bundespräsidenten unterschrieben und sechs Tage später im Bundesgesetzblatt verkündet (Teil I Nr. 42 Seite 2586 ff.).
Zum Wirksamwerden des Gesetzes, das im Bundesgesetzblatt immerhin 127 Seiten umfasst, heißt es in Artikel 50 lapidar: "Das Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft." Da es noch am 29. Juli 2013 im Bundesgesetzblatt stand, ist dies folgerichtig der 1. August 2013. Ausgenommen davon sind nur einige GKG-Regelungen, die erst ab dem 1. September 2013 gelten. Dies bedeutet, dass zum Beispiel das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in neuer Fassung zumindest für alle Mandate gilt, die nach dem 1. August 2013 erteilt werden.
Wer jetzt als Anwalt sorgfältig arbeiten will, macht sich also auf die Suche nach einer Neufassung des RVG. Denn 127 Seiten Gesetzänderung per Hand oder Kopie in einen vorhandenen Gesetzestext einzutragen ist schlicht zu mühselig. Zudem müsste man dann das Bundesgesetzblatt abonniert haben, um sich den Text ausdrucken oder elektronisch kopieren zu können. Alleine der Lesezugriff und die Übertragung per Hand sind unzumutbar.
BMJ kommt nicht hinterher
Was läge da näher, als das Angebot des Bundesjustizministeriums www.gesetze-im-internet.de zu nutzen. Dort sollte das Gesetz ja eigentlich in aktueller – geltender – Fassung zu finden sein.
Doch wer diesen Weg geht, sieht sich enttäuscht. Auf der Seite – die im Zusammenwirken des BMJ mit der juris GmbH entsteht – prangt noch am 7. August 2013 der Hinweis: "Änderung durch Art. 8 G v. 23.7.2013 … noch nicht berücksichtigt". Der Gesetzgeber sieht sich also offenbar nicht in der Lage, eine Woche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eine gültige Fassung für den Bürger bereit zu halten.
Auf Nachfrage des Autors erklärt die Pressestelle des Bundesjustizministeriums, dass das Gesetz spät durch den Vermittlungsausschuss gegangen sei und man erst dann eine endgültige Fassung erhalten habe. Das Bundesamt für Justiz arbeite aber mit Hochdruck an einem konsolidierten Text, der bis Ende der Woche vorliegen solle. Die Probleme gibt es mit allen durch das Gesetz geänderten Vorschriften.
Mehr Glück hat, wer über einen – kostenpflichtigen – Zugang zu den Datenbanken gewerblicher Anbieter verfügt. So sind die Änderungen im Datenbankangebot beck-online des C.H.Beck-Verlags bereits vollständig eingearbeitet. Auf Anwalt24 findet sich kostenfrei die aktuelle RVG-Gebührentabelle und der Deutsche Anwaltsverlag bietet in Zusammenarbeit mit der Roland Rechtsschutzversicherung schon einen Prozesskostenrechner an, der die neuen Gebühren berücksichtigt. So schwer scheint dies also alles nicht zu sein. Private Anbieter schaffen es. Dann müsste eigentlich auch der Staat dazu in der Lage sein.
Hektik verursacht mehr Schaden als Nutzen
Aber die Vorgänge werfen ein Licht auf die Hektik, mit der Gesetze in Kraft treten. Es ist in Deutschland leider üblich geworden, dass dies bereits "am Tag nach der Verkündung" geschieht. Erforderlich ist dies in den allermeisten Fällen überhaupt nicht. Viele Gesetze könnten auch einige Wochen oder Monate später wirksam werden, ohne dass dies irgendeinen Schaden verursachen würde.
Im Gegenteil: Eine gewisse Vorlaufzeit hat durchaus ihre Vorzüge. Die betroffenen Verkehrskreise können sich so auf die Novelle einstellen und erste Handreichungen erstellt werden – das beugt auch Fehlern bei der Anwendung der neuen Vorschriften vor. Dies betrifft nicht nur Rechtsanwälte, sondern oft auch Behörden und sonstige Institutionen. Der Gesetzgeber scheint dies aber nicht sehen zu wollen, denn die gegenüber dieser Vorgehensweise oftmals erhobene Kritik prallt wirkungslos an ihm ab.
Wäre es schädlich gewesen, wenn die Änderungen bei Gebühren und Honoraren erst am 15. August oder gar am 1. September 2013 in Kraft getreten wären? Gerade in der Urlaubszeit sicherlich nicht. Vielleicht war diese übermäßige Eile aber auch dem laufenden Wahlkampf geschuldet.
Sehr ärgerlich ist es jedoch, wenn es gerade der Staat selber nicht schafft, in seinem Internetangebot die tatsächlich geltenden Gesetze zu dokumentieren. Wie soll sich der gesetzestreue Bürger eigentlich informieren? Ihn auf das Bundesgesetzblatt zu verweisen, wäre der völlig falsche Weg.
Martin W. Huff, Unnötig schnelles Inkrafttreten von Gesetzen: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9309 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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