Wie sind Bitcoins rechtlich einzuordnen? In einer Aufsehen erregenden Entscheidung hat sich das Kammergericht in Berlin dieser Frage angenommen – und durchaus disussionswürdig entschieden, meint Nils Rauer.
Sogenannte Kryptowährungen – auch Komplementärwährungen genannt – sind in aller Munde. Die wohl bekannteste unter ihnen ist der Bitcoin, den es seit 2009 gibt. Hierbei handelt es sich um ein auf der Blockchain-Technology gründendes elektronisches Zahlungssystem, welches auf der dezentralen Verwaltung und Speicherung in einem Netzwerk basiert. Es gibt weder eine emittierende Bank noch eine zentrale Zahlungsverkehrsaufsicht. Der Wert eines Bitcoin reguliert sich systemimmanent frei und unterliegt daher mitunter sehr starken Schwankungen.
Die Frage, was genau Bitcoins aus regulatorischer Sicht sind, hat unlängst das Kammergericht in Berlin beschäftigt. Auslöser war ein Strafverfahren gegen den Betreiber einer Internet-Plattform, über die Bitcoins gehandelt werden konnten. Im März/April 2013 war der Wert der über diese plattformgehandelten Bitcoins binnen weniger Tage um das mehr als Zehnfache auf 2,45 Millio-nen Euro gestiegen. Als der Verdacht der Geldwäsche aufkam, wurde die Internetseite schließlich abgeschaltet.
Es folgte ein Strafverfahren, in dem es insbesondere zu klären galt, ob der Plattformbetreiber illegaler Weise erlaubnispflichtige Geschäfte im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) getätigt hatte. Dies hätte seine Strafbarkeit nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG begründet. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe, welche das Landgericht Berlin in der Berufungsinstanz jedoch wieder aufhob. Auch das Kammergericht (KG) lehnt eine Strafbarkeit des Plattform-Betreibers nun rechtskräftig ab (Urt. v. 25.09.2018, Az 161 Ss 28/18).
Keine Rechungseinheit...
Im Mittelpunkt der Revisionsentscheidung steht die Frage, ob im Rahmen des Betriebs der Plattform erlaubnispflichtige Bankgeschäfte betrieben oder Finanzdienstleistungen erbracht wurden. Dies knüpft wiederum daran an, ob man Bitcoins als Rechnungseinheit im Sinne des § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 KWG oder aber als E-Geld gemäß § 1 Abs. 2 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) ansieht. Gerade ersterer Begriff ist nicht im Gesetz legaldefiniert. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ordnet Kryptowährungen wie Bitcoins aber seit langem als Rechnungseinheit ein. Es handele sich um ein Finanzinstrument im aufsichtsrechtlichen Sinne. Diese Einschätzung teilt das Kammergericht in seinem aktuellen Urteil so nicht.
Die Richter sehen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG als nicht gegeben an. Das Kernargument des 4. Strafsenats ist dabei, dass es an einer Vergleichbarkeit mit Devisen fehle. Gerade diese Vergleichbarkeit habe der Gesetzgeber jedoch im Blick gehabt, als er Rechnungseinheiten der Erlaubnispflicht unterstellte. Bitcoins würden weder von einer Zentralbank noch einer öffentlichen Behörde ausgegeben. Auch existiere im Netzwerk kein allgemein gültiger Emittent des als Ersatzwährung genutzten Zahlungssystems. Zwar sei der Bitcoin ein unter bestimmten Wirtschaftsteilnehmern akzeptiertes Zahlungsmittel, doch fehle es der Kryptowährung an einer allgemeinen Anerkennung und insbesondere an einer entsprechend vorhersehbaren Wertbeständigkeit. Damit seien wesentliche begriffliche Voraussetzungen einer Rechnungseinheit nicht gegeben.
... und auch kein E-Geld
Im Hinblick auf die Anerkennung, welche der Bitcoin als Rechnungseinheit durch die BaFin erfahren hat, führen die Richter aus, dass es nicht Aufgabe von Bundesbehörden sei, rechtsgestaltend in (Straf-)Gesetze einzugreifen. Vorliegend entscheide aber gerade die Einordnung der in Rede stehenden Kryptowährung als Rechnungseinheit über die Einschlägigkeit der Strafnorm des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG. Die Entscheidung über die Strafwürdigkeit oder Straffreiheit eines Verhaltens müsse jedoch entsprechend des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) dem demokratisch parlamentarischen Willensbildungsprozess vorbehalten sein. Vor diesem Hintergrund sieht sich das Kammergericht nicht an die Sichtweise der BaFin gebunden und lehnt im Ergebnis die Annahme einer erlaubnispflichtigen Rechnungseinheit ab.
Mit vergleichsweise kurzen Worten kommen die Richter darüber hinaus zu dem Schluss, dass Bitcoins auch kein E-Geld darstellen. Es fehle auch hier an dem maßgeblichen Kriterium eines zentralen Emittenten. Zudem betont das Gericht, das Bitcoins zum Zeitpunkt der Umsetzung der zweiten E-Geld-Richtlinie 2009/110/EG bereits im Umlauf waren und der Gesetzgeber gleichwohl davon abgesehen hat, Kryptowährungen im KWG oder ZAG ausdrücklich zu regeln respektive diese explizit der Aufsicht der BaFin zu unterstellen. Deswegen könne nicht davon ausgegangen werden, dass Bitcoins unter den Begriff des E-Geldes fallen.
Im Ergebnis verneint das Kammergericht daher eine Strafbarkeit des Betreibers der streitgegenständlichen Internet-Plattform. Es mangelt nach Ansicht der Richter an einer erlaubnispflichtigen geschäftlichen Handlung, weshalb der Straftatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG nicht erfüllt sei.
Ein bemerkenswertes Urteil
Das Urteil des Kammergerichts ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Dogmatisch trifft es zu, dass Gerichte und insbesondere Spruchkörper, die über die Strafbarkeit eines Verhaltens zu befinden haben, nicht an die Sichtweise und Gesetzesauslegung von Behörden gebunden sind. Der Richter ist in seiner Würdigung frei. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass auch jede richterliche Würdigung zu überzeugen vermag.
Dass Bitcoins nicht als E-Geld einzustufen seien, verdient zunächst Zustimmung. Hier fehlt es in der Tat an dem zwingend vorgegebenen Kriterium der Ausgabe durch einen konkreten Emittenten. Die Sichtweise der BaFin jedoch, Kryptowährungen als Rechnungseinheiten und damit Finanzinstrumente im aufsichtsrechtlichen Sinne anzusehen, hat durchaus etwas für sich und lässt sich letztlich gut begründen. Auch das Bundesfinanzministerium hat sich im Übrigen in einer Verlautbarung aus dem Jahr 2013 in dieser Richtung geäußert.
Dass das Kammergericht Kryptowährungen jegliche Vergleichbarkeit mit Devisen abspricht, sollte daher nicht unkritisch übernommen werden. Gerade Bitcoins sind heute eine weitverbreitete Komplementärwährung. Naturgemäß "zählt" diese zunächst zwar nur innerhalb des Netzwerks. Sie kann aber in gesetzliche Zahlungsmittel umgetauscht werden – genau wie das bei Devisen der Fall ist. Zudem unterliegen Devisen genau wie Bitcoins gewissen Wertschwankungen. Dass diese bei Kryptowährungen mitunter deutlicher ausfallen, spricht nicht zwingend gegen eine grundsätzliche Wesensgleichheit der Einheiten. Zudem sieht man in manchen Ländern auch durchaus starke Währungsschwankungen von bis zu 20 Prozent - Kolumbien oder Brasilien sind hier aktuelle Beispiele.
Eine gesetzliche Einordnung muss her
Damit bleibt es im Wesentlichen bei den beiden trennenden Aspekten, dass Kryptowährungen nicht von einem zentralen Emittenten ausgegeben und diese im Netz reguliert werden. Gerade das ist aber nicht zwingend nötig, um Bitcoins für eine Rechnungseinheit im Sinne des § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 KWG zu halten. Entscheidend ist vielmehr, dass die Einheit währungsähnlich eingesetzt wird – und das ist bei Bitcoins eindeutig der Fall.
Das Urteil des Kammergerichts fördert letztlich eine zentrale Erkenntnis zu Tage: Eine gesetzliche Regelung zur Einordnung und Handhabung von Kryptowährungen ist längst überfällig. Im Interesse einer hinreichenden Rechtssicherheit ist es nötig, dass der (europäische) Gesetzgeber hier Klarheit schafft. Eine solche ist mit dem aktuellen Kammergerichtsurteil sicherlich nicht verbunden. Es handelt sich vielmehr um die Auffassung eines deutschen Obergerichts – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dr. Nils Rauer, Rechtsanwalt und Partner bei Hogan Lovells, berät zu Fragen des digitalen Ur-heberrechts wie auch zum Wettbewerbsrecht.
Kammergericht: . In: Legal Tribune Online, 20.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31617 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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