Eigentlich ist das Verbreiten von NS-Symbolen strafbar. Dennoch wurde ein Mann zunächst freigesprochen, der das Bild einer Maske mit einem Hakenkreuz tweetete, um die Corona-Politik zu kritisieren. Das KG hob den Freispruch nun aber auf.
Gedränge zwischen der zweiten Sicherheitsschleuse und der Tür des Saals 145a des Kammergerichts (KG). Es ist der einzige Saal, der den Strafsenaten am KG zur eigenen Verfügung steht, zurzeit gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen wegen des ebenfalls hier stattfindenden Prozesses gegen einen mutmaßlichen Russland-Spion beim Bundesnachrichtendienst. Um nachher nicht erneut jede Nische des Saals durchsuchen zu müssen, darf keiner der Zuschauer und Journalisten mehr als die eigene Kleidung mitnehmen. Auch Laptops sind tabu, Zettel und Stift gibt es auf Anfrage.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind verständlich – und senden doch ein unglückliches Signal in einem Verfahren, in dem sich der Angeklagte Christopher "CJ" Hopkins in Anwesenheit einiger alternativer Medien als Opfer einer neuen Form des Totalitarismus – der "Neuen Normalität" – geriert. Ein Begriff, der den Grad an Freiheit und Rechtsstaatlichkeit vor und nach Ausbruch der Corona-Pandemie kontrastieren soll.
In Hopkins' Märtyrer-Erzählung passt, dass der 2. Strafsenat letztlich der Revision der Generalstaatsanwaltschaft stattgibt und ihn für zwei Tweets schuldig spricht, in denen er Kritik an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung äußerte (Urt. v. 30.09.2024, Az. 2 ORs 14/24). Beide Posts des 63-jährigen Schriftstellers und Satirikers aus August 2022 bestanden jeweils aus einem kurzen Text und einer beigefügten Fotomontage, darauf zu sehen: eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung, die mittig die Abbildung eines Hakenkreuzes trägt. Dazu schrieb Hopkins einmal "#Masken sind Symbole der Ideologiekonformität", ein anderes Mal zitierte er Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Worten: "Von der Maske geht immer auch ein Signal aus."
Das KG sieht in den Tweets – anders als im Januar das Amtsgericht (AG) Tiergarten (Az. 255 Cs 209/23) – ein Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 86 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB). Während das AG Hopkins' Äußerungen noch als überspitzte, aber legitime Regierungskritik hatte durchgehen lassen, betonte das KG: Kritik an der Regierung darf sich nicht der NS-Symbolik bedienen – wenn sie nicht zugleich ihre Ablehnung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft deutlich macht.
Es geht um Verbannung
Unstreitig stellt das Hakenkreuz als Hauptsymbol der NSDAP grundsätzlich ein Kennzeichen i.S.d. § 86a Abs. 2 StGB dar, das gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB "nach seinem Inhalt dazu bestimmt" ist, "Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen". Der juristische Hauptstreitpunkt hier war aber die Frage: Ist die montierte Abbildung aus Maske und Hakenkreuz durch den Begleittext derart eingebettet, dass er als Kritik an Regierung und Corona-Maßnahmen von der Meinungsfreiheit gedeckt ist?
Dafür gibt es zwei tatbestandliche Aufhänger. Erstens prüfen die Gerichte, ob die Äußerungen erkennbar eine ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zum Ausdruck bringen. In solchen Fällen liegt nach der Rechtsprechung bereits kein Verwenden eines propagandistischen Kennzeichens vor. Zweitens könnten die Äußerungen unter § 86 Abs. 4 StGB fallen. Die Vorschrift sieht Ausnahmen von der Strafbarkeit zugunsten von Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit vor. Nachdem das AG Tiergarten noch einen Tatbestandsausschluss angenommen hatte, hielt das KG beide Ausnahmen für nicht einschlägig. Die Auffassung des AG, Hopkins' Tweets liefen dem Schutzzweck der §§ 86, 86a StGB nicht zuwider, sei rechtsfehlerhaft.
Es gehe dem Gesetz um Verbannung, betonte die Vorsitzende Richterin Delia Naumann, Verbannung von NS-Symbolik aus dem öffentlichen Raum. Deren Wiederbelebung und Normalisierung soll durch die Strafandrohung vorgebeugt werden. Deshalb reiche es nicht, sich darauf zu berufen, das Symbol im Rahmen einer Kritik an Staatshandeln zu verwenden, so Naumann. Hopkins habe hier eben nur die Corona-Beschränkungen wie insbesondere die Maskenpflicht kritisiert, nicht aber offen und eindeutig seine ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht.
Dass durch den Vergleich der NS-Willkürherrschaft mit dem kritisierten Staatshandeln auch der Nationalsozialismus kritisch gesehen wird, genügt nach Auffassung des KG damit nicht. Es müsse vielmehr eine deutliche Kritik auch am Nationalsozialismus geübt werden, sonst würde dieser verharmlost. Dabei wies Naumann darauf hin, dass mit dem Hakenkreuz der nationalsozialistische Völkermord an sechs Millionen Juden relativiert würde.
Wer den NS verharmlost, zeigt keine ablehnende Haltung
Hier zeigt sich der juristische Knackpunkt des Falls: Sind NS-Vergleiche stets strafbar, weil mit ihnen zugleich Nationalsozialismus und Holocaust verharmlost werden?
Bejaht man diese Frage pauschal, müssten konsequenterweise auch Spiegel- und Stern-Journalisten auf der Anklagebank Platz nehmen, meinten Hopkins und sein Verteidiger Friedemann Däblitz in der Verhandlung. Sie wiesen auf die jeweiligen Cover der Zeitschriften im Nachgang des Sylt-Videos hin. Der Spiegel wählte hier eine Montage eines unter einer Deutschland-Flagge liegenden, sich als Relief abzeichnenden Hakenkreuzes. Auch der Stern wählte ein Hakenkreuz-Bild unter dem Titel "Die Champagner-Nazis". “Warum erhalte ich diese Sonderbehandlung?”, fragte Hopkins. Für sein Statement erntete er Applaus aus dem Publikum.
Auf die mögliche Strafbarkeit der Spiegel- und Stern-Journalisten ging Richterin Naumann nicht explizit ein. Allerdings dürften sie unter den Strafbarkeitsausschluss nach § 86 Abs. 4 StGB fallen. Diese sogenannte Sozialadäquanzklausel nimmt solche Äußerungen von der Strafbarkeit aus, die "der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken" dienen.
Däblitz argumentierte in seinem Plädoyer, dass jedenfalls diese Ausnahmen greifen müssten. Hopkins' Posts dienten der Aufklärung vor den Gefahren neuer Formen des Totalitarismus und seien zudem von der Kunstfreiheit gedeckt. Dem folgten abenteuerliche Ausführungen dazu, dass die Bundesregierung durch die Corona-Maßnahmen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben könnte.* Auch Hopkins selbst geriet in seinem Schlussstatement kräftig ins Schwurbeln und vertiefte die Vergleiche der Corona-Verordnungen mit der NS-Notverordnung.
Ein kritischer Tweet ist keine staatsbürgerschaftliche Aufklärung
Darauf ging das Gericht nicht näher ein. Es machte deutlich, dass Hopkins jedenfalls keinen Beitrag zur staatsbürgerschaftlichen Aufklärung leiste, weil er nicht über Tatsachen berichte, sondern in den Tweets ausschließlich Kritik übe – und zwar Kritik am Handeln der Bundesregierung, aber nicht am Nationalsozialismus. Dadurch erwecke er den Eindruck, die Verwendung des Hakenkreuzes sei in Deutschland nicht tabu. Genau diesen Eindruck wolle das Gesetz aber verhindern, so das KG.
Zur Kunstfreiheit äußerte sich Naumann nur knapp: Ob die Bildmontage ein Kunstwerk sei, könne offenbleiben. Denn bereits die Urheberschaft Hopkins' sei hier nicht belegt. Kurz ging das Gericht auch noch auf den von Verteidiger Däblitz hilfsweise vorgebrachten Einwand ein, Hopkins sei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB unterlegen, da er davon ausgegangen war und ausgehen durfte, dass seine Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Richterin Naumann wies darauf hin, dass Hopkins das grundsätzliche Verbot, NS-Symbole zu verbreiten, wohl bekannt sei und er daher jedenfalls nicht ohne Unrechtsbewusstsein gehandelt habe.
Weil das AG den Sachverhalt fehlerfrei und vollständig ermittelt habe, sah sich der 2. Strafsenat ausnahmsweise in der Lage, selbst über die Schuldfrage zu entscheiden. Die Strafhöhe festzusetzen, obliege aber dem AG. Deshalb verwies das KG den Fall an eine andere Abteilung des AG zurück.
Das Urteil ist rechtskräftig. Hopkins bleibt nun allenfalls die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde zu erheben. Bliebe die ohne Erfolg, hätte er sogar noch eine Chance, seine Erzählung, Deutschland betreibe eine "Zensur der politisch Andersdenkenden", außerhalb Deutschlands vorzutragen. Gegenüber der NZZ hatte er schon während des erstinstanzlichen Verfahrens angekündigt, notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen.
* Satz nachträglich angepasst, da zuvor der Eindruck entstand, Däblitz habe einzelne Corona-Maßnahmen abschließend unter den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit subsumiert. Tatsächlich hat er dies im Ergebnis aber offen gelassen (01.10.2024, 11:54 Uhr, mk).
Kammergericht hebt Freispruch für Corona-Kritiker auf: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55535 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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