Einem Insolvenzverwalter in Ostfriesland wurde vom zuständigen Amtsgericht eine Vergütung von mehr als 4,8 Millionen Euro/Monat überwiesen. Kein Märchen und auch kein Irrtum. Die Insolvenz einer GmbH wird zur Goldgrube für die Verfahrensbeteiligten. Das kann ja wohl nicht wahr sein - findet Hans-Uwe Pasker.
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger des Schuldners zu befriedigen. Zentrale Figur ist der Insolvenzverwalter. Seine Aufgabe ist es, das Vermögen des Insolvenzschuldners zu sichern. Er wird vom Amtsgericht bestimmt und kontrolliert. Das Insolvenzgericht kann darüber hinaus einen Gläubigerausschuss einsetzen. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen.
Ein in sich geschlossenes System, das Missbrauch ausschließt? Offensichtlich nicht.
In einem schier unglaublichen Fall, über den in der ARD das Magazin "Panorama" berichtete, hat das System kläglich versagt.
14,5 Millionen Euro für drei Monate Insolvenzverwaltung
Das Amtsgericht Aurich hat einem Insolvenzverwalter für eine Tätigkeit von drei Monaten eine Vergütung in Höhe von 14,5 Millionen Euro zugesprochen. Und dieser Verwalter hat nicht etwa VW, Sony oder Google abgewickelt, sondern eine mittelständische GmbH in Ostfriesland.
Beide gesetzlich vorgesehenen Kontrollinstanzen haben offensichtlich krass versagt. Die Motive des Rechtspflegers liegen im Dunkeln. Hoffentlich hat es sich "nur" um Dummheit gehandelt. Das Verhalten der sechs Mitglieder des Gläubigerausschusses (Vertreter von Gläubigerbanken und der ehemalige Betriebsrat der insolventen Firma) ist dagegen schon einfacher erklärbar. Jeder von ihnen hat die stattliche Summe von 400.000 Euro erhalten.
Dieser Griff in die Kassen dürfte strafrechtlich relevant sein (und unter anderem den Tatbestand der Untreue zum Nachteil der GmbH erfüllen).
Über den Fall hinaus reicht aber die Frage nach der Vergütung von Insolvenzverwaltern und deren Kontrolle durch die gesetzlich vorgesehenen Instanzen.
Insolvenzverfahren in der Regel ohne originäre richterliche Beteiligung
Während jeder Mietprozess über eine zersprungene Toilettenschüssel von einem Richter öffentlich verhandelt und entschieden wird, spielen sich Insolvenzverfahren überwiegend im schriftlichen Verfahren ohne originäre richterliche Beteiligung ab. Die Aufgabe ist weitgehend Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern übertragen. Machen alle mit, gehen so auch die abenteuerlichsten Entscheidungen durch. Die Insolvenzvergütungsverordnung, die die Vergütung der Insolvenzverwalter regelt, wird zur Makulatur.
Werden Insolvenzverfahren zu Selbstbedienungsläden, müssen die eigentlichen Ziele des Insolvenzverfahrens natürlich verfehlt werden. Die Fortführung des insolventen Unternehmens wird zur Illusion. Zu leiden haben alle Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der "Insider" - und nicht zuletzt die Beschäftigten des insolventen Unternehmens.
Die Konsequenz kann nur lauten, dass das Controlling der Vergütung von Insolvenzverwaltern und anderen Beteiligten verbessert werden muss. "Ausreißer" wie der Auricher Fall müssen einer für das Controlling zuständigen Behörde, zum Beispiel dem jeweiligen Oberlandesgericht, sofort auffallen und nicht erst nach drei Jahren und Eintritt der Rechtskraft. Dies lässt sich einfach und schlank durch Einführung einer entsprechenden Berichtspflicht gewährleisten, die als solche schon präventiv wirken dürfte. Die Entscheidungen gehören außerdem in die Hände der Richterschaft.
Der Autor Hans-Uwe Pasker ist ehemaliger Richter am OLG. Er hat sich insbesondere mit dem Controlling in der Justiz beschäftigt.
Hans-Uwe Pasker, Insolvenzverwaltervergütung: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/540 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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