Unternehmen, die in Schieflage geraten, sollen u. a. mit dem Restrukturierungsplan ein neues Werkzeug an die Hand bekommen, um die drohende Insolvenz vermeiden zu können. Johannes Landry hält das Vorhaben für eine gute Lösung.
Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat einen Referentenentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vorgelegt. Der Entwurf dient unter anderem der Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen, beschränkt sich aber nicht hierauf. So viel lässt sich schon jetzt sagen: Der Gesetzgeber hat sich für eine große Reform anstelle einer kleinen Lösung entschieden.
Mit der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019 wurden die nationalen Gesetzgeber aufgefordert, vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren zu schaffen. Das BMJV hat nun schneller als erwartet einen Referentenentwurf vorgelegt, der unter anderem die Einführung eines Sanierungs- und Restrukturierungsrahmens vorsieht und bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll. Grund für die schnelle Entwicklung dürfte die COVID-19-Krise sein.
Der Gesetzgeber hat unter anderem durch eine vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bislang erfolgreich versucht, eine Insolvenzwelle zu verhindern. Im Hinblick auf die ab Anfang 2021 wieder uneingeschränkt geltende Insolvenzantragspflicht soll nun mit dem Restrukturierungsrahmen insbesondere Unternehmen, die durch die COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, ein weiteres Sanierungsinstrument an die Hand gegeben werden.
101 Paragraphen im neuen StaRUG
Das 101 Paragraphen umfassende "Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen" (StaRUG) stellt das Herzstück der Reform dar. Der hierin eingeführte Restrukturierungsrahmen ist ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren, das nur Unternehmen offensteht, die drohend zahlungsunfähig sind. Ist die Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit überschritten, ist der Weg versperrt und es muss ein Insolvenzantrag gestellt werden.
Der Zugang zum Restrukturierungsrahmen erfordert - anders als das Schutzschirmverfahren, das zudem einen Insolvenzantrag voraussetzt - keine umfangreichen und teuren Gutachten. Die Geschäftsleitung bleibt während der Restrukturierung am Ruder und lenkt diese eigenverantwortlich. Nur ausnahmsweise ist die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorgesehen, der im Wesentlichen eine überwachende Funktion hat.
Zentrales Element des Restrukturierungsrahmens ist der sogenannte Restrukturierungsplan. Dieser soll Unternehmen ermöglichen, eine Insolvenz abzuwenden und sich mit Zustimmung einer Mehrheit der Gläubiger zu sanieren. Dies ist bislang nicht uneingeschränkt möglich, weil es kein Instrument gibt, eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegen einzelne opponierende Gläubiger zwangsweise durchzusetzen. Es besteht immer die Gefahr, dass ein Gläubiger die ihm angebotene Quote nicht akzeptiert und sich seine Zustimmung abkaufen lässt. Geht man als Unternehmen in Schieflage auf diese Forderung nicht ein, scheitert im schlimmsten Fall die Sanierung und es bleibt nur der Weg in die Insolvenz.
Unternehmen entscheiden selbst, wem sie welche Lösung anbieten
Nach dem Restrukturierungsplan können Unternehmen insbesondere Forderungen gestalten sowie Rechte, die in einem Insolvenzverfahren zur Absonderung berechtigen würden, also etwa Pfandrechte. Mit dem Restrukturierungsplan nicht modellieren lassen sich aber ausdrücklich Lohn- und Gehaltsansprüche sowie Pensionsforderungen.
Der Restrukturierungsplan gibt den betroffenen Unternehmen Flexibilität. Insbesondere eröffnet er die Möglichkeit, nur einzelne Gläubiger in den Plan einzubinden. So kann ein strauchelndes Unternehmen etwa Forderungen von Banken restrukturieren, während Lieferantenforderungen unangetastet bleiben.
Die Abstimmung über den Plan erfolgt in Gruppen, die grundsätzlich alle zustimmen müssen. Anders als bei einer außergerichtlichen Sanierung ist aber keine Einstimmigkeit erforderlich; für die Annahme reicht in einer Gruppe eine Mehrheit von 75 Prozent. Im Unterschied zu einem Insolvenzplan besteht auch nur ein Mehrheitserfordernis nach der Höhe der betroffenen Forderungen und nicht nach Gläubigerköpfen. Ähnlich einem Insolvenzplan kann die fehlende Zustimmung einer Gruppe ersetzt werden, wenn die Mitglieder der betroffenen Gruppe durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne ihn stünden.
Es geht sogar ohne Gericht
Eine gerichtliche Beteiligung an dem Restrukturierungsplan ist nicht zwingend erforderlich. Stimmen alle betroffenen Gläubiger zu, haben sie sich freiwillig dessen Wirkungen unterworfen. Gegenüber Gläubigern, die gegen den Plan gestimmt oder sich nicht beteiligt haben, entfaltet ein solcher Restrukturierungsplan keine Wirkung. Für diese Fälle sieht der Entwurf vor, dass Gerichte ihn stattdessen bestätigen können. Die Wirkungen eines so bestätigten Plans treten dann auch im Verhältnis zu widersprechenden und nicht teilnehmenden Gläubigern ein. Alternativ kann die Abstimmung über den Restrukturierungsplan auch von vornherein als gerichtliches Verfahren durchgeführt werden, zum Beispiel wenn das Unternehmen von vornherein mit Widerstand rechnet.
Insbesondere für kleinere Unternehmen sieht der Entwurf als eine vorgelagerte Stufe eine Sanierungsmoderation zwischen Schuldner und Gläubigern vor. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn eine Einigung ohne die neuen Werkzeuge aus dem Restrukturierungsrahmen möglich erscheint, aber ohne neutralen Vermittler nicht erreicht werden kann. Als Ergebnis der Moderation kann ein Sanierungsvergleich gerichtlich bestätigt werden. Reicht die Moderation nicht aus, um eine Sanierung zu erreichen, ist danach immer noch der Übergang in den Restrukturierungsrahmen möglich.
Gegenseitige Verträge gerichtlich beendet
Flankiert wird der Restrukturierungsplan von weiteren Instrumenten, wie etwa der Möglichkeit, gegenseitige Verträge gerichtlich beenden zu lassen, sowie Stabilisierungsmaßnahmen, durch die die individuelle Rechtsdurchsetzung eingeschränkt wird.
Die Möglichkeit, Verträge per Gericht beenden zu lassen, ist in dem Entwurf der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO nachgebildet. Voraussetzung ist, dass eine Vertragsanpassung oder -beendigung für ein Restrukturierungsvorhaben erforderlich, der Vertragspartner hierzu aber nicht bereit ist. Wird ein Vertrag durch gerichtliche Entscheidung beendet, hat der Vertragspartner einen Anspruch wegen Nichterfüllung. Dieser Anspruch kann dann wiederum als Restrukturierungsforderung im Restrukturierungsplan geregelt werden.
Auch wenn Vertragsanpassungen bei Restrukturierungen ein sehr wichtiger Baustein sind, muss der Gesetzgeber dieses Instrument genau auf Missbrauchsmöglichkeiten überprüfen. Die sofortige Beendigung eines laufenden Vertrages ist nämlich ein erheblicher Eingriff in die Rechtsposition des Vertragspartners. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist dies regelmäßig nur durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Wenn der Restrukturierungsrahmen nun das gleiche Ergebnis auch für vertragstreue Vertragspartner ermöglicht, muss sichergestellt werden, dass hiervon nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht werden kann.
Sperre für Zwangsvollstreckungen
Als Stabilisierungsmaßnahmen kann das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Unternehmens für bis zu drei Monate eine Sperre von Zwangsvollstreckungen anordnen und die Verwertung von Gegenständen, die in einem Insolvenzverfahren zur Aus- oder Absonderung berechtigen, untersagen. Das verhindert, dass für eine Betriebsfortführung dringend benötigte Gegenstände nicht mehr zur Verfügung stehen. Durch die Begrenzung auf drei Monate macht der Gesetzgeber aber deutlich, dass diese Instrumente nur vorübergehender Natur sein sollen. Dies ist auch dringend geboten, da hierdurch ebenfalls massiv in die Rechte der Gläubiger eingegriffen wird.
Neu eingeführt werden soll eine Pflicht für Geschäftsleiter, Krisen früh zu erkennen und bei Kriseneintritt Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ab Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit haben Geschäftsleiter dem Entwurf nach die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren und sich nicht mehr ausschließlich an den Gesellschaftsinteressen zu orientieren. Diese Pflicht rückt den Gläubigerschutz zeitlich weiter nach vorne, der aktuell erst im Insolvenzverfahren im Vordergrund steht.
Schließlich sieht der Entwurf Änderungen an den Insolvenzgründen und dem Zugang zur Eigenverwaltung vor: Ein Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit muss nach wie vor spätestens drei Wochen nach deren Eintritt gestellt werden; für die Überschuldung wird dieser Zeitraum auf sechs Wochen verlängert. Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit wird auf 24 Monate festgelegt, für die Überschuldung auf zwölf Monate.
Die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung werden mit dem Entwurf konkretisiert – und vor allem erhöht. Voraussetzung ist nach dem Entwurf, dass der Schuldner mit dem Antrag eine vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung vorlegt. Dass bloß keine Umstände bekannt sind, die Nachteile für die Gläubiger erwarten lassen – wie nach aktueller Rechtslage – soll für eine Eigenverwaltung nicht mehr ausreichend sein. Der Gesetzgeber möchte die Eigenverwaltung damit stärker an den Gläubigerinteressen ausrichten und nur noch für gut vorbereitete Schuldner zur Verfügung stellen.
Das "I-Wort" vermeiden
Das durch den Referentenentwurf vorgesehene Sanierungsverfahren bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich unter Vermeidung des bösen "I-Wortes" zu sanieren. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, hat sich doch in der Vergangenheit gezeigt, dass sämtliche vom Gesetzgeber geschaffene Anreize, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, um die Sanierungsaussichten zu erhöhen, nur begrenzt wirkten.
Ein weiterer Pluspunkt der Reform: Nach aktuellem Recht muss für ein Schutzschirmverfahren ein Insolvenzantrag gestellt werden. Dieser Makel lässt sich nach dem Referentenentwurf mit dem Restrukturierungsrahmen vermeiden.
Es gibt aber einen Haken: Da der Restrukturierungsrahmen nur ab Eintritt einer drohenden Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung steht, müssen Unternehmen nach wie vor einen Insolvenzgrund eingestehen. Das hat bereits in der Vergangenheit viele Unternehmen davon abgehalten, frühzeitig Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu ergreifen. Es wird deshalb die Aufgabe aller Sanierungsberater sein, jeglichen Vorbehalten entgegenzuwirken und den Restrukturierungsrahmen zu einem Erfolg zu machen. Denn das hat dieser große Wurf zumindest seiner Idee nach verdient.
Der Autor Johannes Landry ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei ARQIS in Düsseldorf. Er ist auf den Bereich Insolvenz und Sanierung spezialisiert.
Sanierungs- und Insolvenzrecht: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42942 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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