Innenstadtverödung: Mall statt Tante Emma

Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe "vor den Toren der Stadt" werden immer beliebter. Doch sie ziehen Kaufkraft aus der Innenstadt ab, was dazu führen kann, dass das Zentrum verödet oder ausblutet. Nicht nur die Unterstützung von Tante-Emma-Läden, sondern auch das Städtebaurecht können dem entgegenwirken.

Für unsere moderne, (auto-)mobile Gesellschaft ist es selbstverständlich, dass der wöchentliche Großeinkauf in den Supermärkten und Einkaufszentren außerhalb des Stadtkerns getätigt wird. Denn wer will schon gerne mit schweren Einkaufstüten bepackt weit durch Fußgängerzonen laufen oder hohe Parkplatzgebühren in der Innenstadt bezahlen?

Den Geschäften dort geht dadurch Kaufkraft verloren. Immer mehr Läden müssen daher schließen und es droht eine Verödung der Innenstadt. Diese Entwicklung ist vor allem im Hinblick auf die demographische Entwicklung bedenklich: Ältere Menschen, denen es häufig an der notwendigen Mobilität fehlt, um die Einkaufszentren in den Außenbezirken zu erreichen, sind auf eine wohnortnahe Versorgung angewiesen.

Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) nimmt sich dieses Problems an, indem sie festlegt, dass Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken, nur in Kerngebieten und in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind (§ 11 Abs. 3 BauNVO).

Damit wird erreicht, dass sich solche Betriebe - obwohl es sich um "Gewerbe" handelt - nicht in Gewerbegebieten ansiedeln können. Vielmehr hat es die Gemeinde in der Hand, die Entwicklung zu steuern, indem sie Kern- bzw. Sondergebiete ausweist oder eben davon absieht.

Keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche

Gibt es keinen Bebauungsplan, richtet sich innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile die Zulässigkeit eines Vorhabens danach, ob es sich in die nähere Umgebung einfügt, § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB). § 34 Abs. 3 BauGB bestimmt zusätzlich, dass keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen.

"Zentrale Versorgungsbereiche" sind Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Innenstädte sind, wenn nicht stets, so doch in der Regel als Versorgungsbereiche zentral.

Den Begriff der "schädlichen Auswirkungen" hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Urteil vom 17. Dezember 2009 näher konkretisiert: Danach lässt ein Vorhaben jedenfalls dann schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche einer Standortgemeinde erwarten, wenn es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag nicht mehr substanziell wahrnehmen können.

Ein Kriterium hierfür ist der Kaufkraftabfluss. Als groben Orientierungswert nennt das Bundesverwaltungsgericht einen Kaufkraftabfluss von 25 % der in einem Stadtteil insgesamt vorhandenen Kaufkraft. Für jedes Einzelhandelsgroßprojekt muss die Genehmigungsbehörde prüfen, ob die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BauGB vorliegen. Falls ja, muss es abgelehnt werden.

Ungeachtet der rechtlichen Möglichkeiten können den wichtigsten Beitrag zum Erhalt lebendiger und attraktiver Innenstädte die Verbraucher leisten, indem sie öfter wieder bei "Tante Emma" einkaufen, soweit es sie überhaupt noch gibt.

Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.

Zitiervorschlag

Alfred Scheidler, Innenstadtverödung: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/940 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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