Die EU-Kommission sperrt sich weiter gegen die geplante Neuregelung des Glücksspiels. Schon der erste Entwurf für einen neuen Staatsvertrags war krachend gescheitert, und trotz diplomatischen Tons spart Brüssel auch in der am Dienstag veröffentlichten Reaktion zum überarbeiteten Entwurf nicht an Kritik. Das Vorbild Schleswig-Holsteins könnte nun zum Ausweg aus der Misere werden, meinen Wulf Hambach und Maximilian Riege.
Allen voran der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck hätte sich sicherlich eine andere Antwort aus Brüssel gewünscht – war doch die Ratifizierung des auch "E-15" genannten neuen Glücksspielstaatsvertrags-Entwurfs bei der Unterzeichnung Mitte Dezember 2011 von seinen konservativen Länder-Kollegen von einer "abschließenden positiven Stellungnahme der EU Kommission" abhängig gemacht worden.
Entsprechend groß war der Druck, den E-15-Vertreter während ihrer zahlreichen Besuche in Brüssel ausgeübt hatten. Doch die EU-Kommission zeigt sich davon unbeeindruckt und befindet in ihrer neuen Stellungnahme: "Auf der Grundlage der von den deutschen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen sind die Dienste der Kommission noch nicht in der Lage, das Ausmaß der identifizierten Probleme bzw. die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zu bewerten."
Wie ein roter Faden zieht sich der Vorwurf der mangelnden wissenschaftlichen Grundlage für die Glücksspielregulierung durch das Kommissions-Schreiben. An etlichen Stellen kritisiert Brüssel, dass die Annahmen der 15 Bundesländer nicht überprüft werden können, weil wissenschaftliche Erhebungen für vermeintlich bestehende Risiken oder wirtschaftliche Erwägungen fehlen. Diese fordert auch der Europäische Gerichtshof.
Ohne Belege und Daten keine überzeugenden Verbote
Es scheint, als hätten die 15 Ministerpräsidenten und ihre Glücksspielreferenten aus dem blauen Brief der Kommission vom Sommer letzten Jahres nichts Entscheidendes gelernt. Schon damals wurde die unterschiedliche Behandlung von Sportwetten und Online-Casinospielen sowie Poker, die willkürliche Begrenzung auf sieben Sportwetten-Lizenzen und die hohe Besteuerung von Glücksspielanbietern bemängelt.
An dem Verbot von Online-Casinospielen und Online-Poker hat sich aber auch beim zweiten Versuch einer neuen Glücksspielregulierung nichts geändert. Anstelle von sieben Sportwetten-Lizenzen sollen nunmehr zwar zwanzig vergeben werden – bereits der 21. Interessent würde aber mit seinem Wettlizenzantrag im Regen stehen bleiben und gegenüber den anderen zwanzig diskriminiert werden.
Dies stellt übrigens nicht nur einen Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten dar, sondern ist auch nach deutschem Verfassungsrecht als nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz zu werten, wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier erst kürzlich in einem Gutachten zum neuen Glücksspielstaatsvertrag festgestellt hat. Gleiches gilt für die vorgesehene Besteuerung.
Schließlich bedeutet die nicht begründete Ungleichbehandlung von Glücksspielen mit ähnlichem Suchtpotential, wie etwa Online-Sportwetten und Online-Poker, auch einen Verstoß gegen den Grundsatz einer konsistenten und kohärenten Glücksspielregulierung.
Entsprechend kritisiert die EU-Kommission vor allem, dass die Gesetzgeber ihre Hauptaufgabe nicht erfüllt hätten, nämlich Belege und Daten für die Rechtfertigung von Verboten zu liefern. Tatsächlich reicht ein gebetsmühlenartig und ohne Beweise vorgetragenes Suchtargument weder zur Rechtfertigung des Lottomonopols noch zur Rechtfertigung des Online Casino- und Pokerverbotes aus.
Schleswig-Holstein hat seine Hausaufgaben gemacht
Da also der bisherige Weg der 15 Ministerpräsidenten nicht zu den richtigen gesetzlichen Antworten geführt hat, wäre es an der Zeit, den Schritt in eine andere Richtung zu machen – zum Beispiel nach Norden: Schleswig-Holstein kann sich im Vergleich zu E-15 sehr wohl auf "Daten und Belege" berufen – mit dem Ergebnis, dass die Brüsseler Antwort auf den norddeutschen Entwurf vor einem Jahr ebenso knapp wie unterm Strich positiv ausfiel.
Beispielsweise hatte eine Studie des Bonner Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten aus dem Jahr 2011 ergeben, dass Online-Poker keinen höheren Suchtfaktor hat als die Online-Sportwette aufweist. Wegen dieses wissenschaftlichen Belegs ist es aus Sicht des schleswig-holsteinischen CDU-Wirtschaftspolitikers Hans-Jörn Arp unverständlich, warum die Vertreter der anderen Bundesländer die Zulassung der Online-Sportwette befürworten, gleichzeitig aber das Verbot von Online-Poker aus Gründen der Suchtprävention propagieren. Dies sei logisch nicht erklärbar und habe, so Arp weiter, wohl eher ideologische Gründe.
Eine Position, die die anderen 15 deutschen Bundesländer vielleicht noch einmal überdenken sollten – zumal man nun doch zu der Erkenntnis gekommen scheint, dass der bisherige Weg nicht zielführend war. So ließ der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) unmittelbar nach der Stellungnahme der Kommission verlauten: "Der Vertrag ist in der jetzigen Form gescheitert".
Wie geht es nun weiter? Ein Beitritt zum schleswig-holsteinischen Regulierungsmodell ist jederzeit möglich. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP im Kieler Landtag haben immer deutlich gemacht, dass für die anderen Bundesländer die Tür weiterhin offensteht, um sich dem Modell Schleswig-Holstein anzuschließen. Der Rechtssicherheit in Deutschland im Bereich des Glücksspiels wäre es dienlich.
Dr. Wulf Hambach ist Founding-Partner, Maximilian Riege ist Senior-Associate in der Rechtsanwaltskanzlei Hambach & Hambach in München. Die Autoren sind unter anderem auf das Glücksspielrecht spezialisiert.
Wulf Hambach und Maximilian Riege, Sportwetten, Online-Poker & Co.: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5834 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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