Freie Arztwahl, längere Lohnfortzahlung bei Krankheit und Beteiligung an Vermarktungserlösen – um Gehalt nach Tarif geht's den Vertragsspielern nicht primär. Auch, wenn in manchen Ligen gar unter dem Mindestlohn gezahlt wird.
Ein Tarifvertrag für Profifußballer? Angesichts der teilweise astronomischen Gehälter, die dem ein oder anderen Erstligaspieler auch in der deutschen Bundesliga gezahlt werden, mag die Forderung auf den ersten Blick befremdlich wirken. Doch bei ihrem Verlangen nach einem Tarifvertrag geht es der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) weniger um Gehälter denn um arbeitsrechtliche Verbesserungen in zahlreichen anderen Bereichen.
Laut VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky könnte ein Tarifvertrag den Spielern freie Arztwahl, Schutz der Spielerdaten, längere Lohnfortzahlung bei Krankheit, Spielerbeteiligung an Vermarktungserlösen oder die Einrichtung eines Karrierefonds für die Zeit nach der Laufbahn garantieren.
"Geregelt werden sollte auch ein umfassender Beschäftigungsanspruch, also der Anspruch des Spielers auf Teilnahme am Training der Lizenzmannschaft mit allem, was damit verbunden ist: Platz in der Kabine, Platz auf dem Mannschaftsfoto, entsprechende Ausstattung, ärztliche und physiotherapeutische Behandlung", so Baranowsky gegenüber LTO.
Weiter sollten in einem solchen Tarifvertrag Regelungen geschaffen werden, "um die Belastung von Spitzenspielern auf ein vertretbares Maß zu reduzieren und somit das Verletzungs- und Erkrankungsrisiko zu verringern", sagt Baranowsky. Längere Urlaubszeiten und weniger Pflichtspiele müssten deshalb ebenfalls Bestandteile eines solchen Vertrages werden.
Vorbild England, Frankreich und Spanien
Die VDV verweist bei ihrer Forderung auch auf europäische Nachbarstaaten, an denen sich Deutschland orientieren solle: Tarifverträge im Fußball gibt es auch in den Niederlanden, England, Frankreich oder Spanien. "In England und Spanien erhalten auch verletzte Spieler bis zum Vertragsende Geld vom Klub." Der DFL-Musterarbeitsvertrag sehe hingegen vor, dass die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall nach sechs Wochen endet. Außerdem sei den Spielern die freie Arztwahl verwehrt. "Ersteres ist ein klarer Wettbewerbsnachteil für die Bundesliga, letzteres sogar rechtswidrig," so Baranowsky im Gespräch mit LTO.
Unterdessen sieht die für die Bundesliga und 2. Bundesliga zuständige Deutsche Fußball Liga (DFL) "derzeit" keine Notwendigkeit für den Abschluss eines Tarifvertrages: "Die DFL befindet sich mit der VDV zu vielfältigen Themen in einem regelmäßigen Austausch. Durch die gesetzlichen und die arbeitsvertraglichen Regelungen werden die Arbeitsbedingungen in der Bundesliga und 2. Bundesliga unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien und der Besonderheiten des professionellen Mannschaftssports angemessen und rechtssicher ausgestaltet", erklärte die DFL auf Anfrage von LTO.
Beim Thema befristete Arbeitsverträge im Profifußball verspricht sich der VDV durch einen Tarifvertrag eine Verbesserung der Rechtsstellung der Spieler: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einer jüngeren Entscheidung befristete Arbeitsverträge im Lizenzspielerbereich grundsätzlich für zulässig erklärt. Im kommerzialisierten und öffentlichkeitsgeprägten Spitzenfußballsport würden von einem Lizenzspieler im Zusammenspiel mit der Mannschaft sportliche Höchstleistungen erwartet und geschuldet, die dieser nur für eine begrenzte Zeit erbringen könne, so das Gericht (Urt. v. 16.01.2018, Az. 7 AZR 312/16). Diese Besonderheit begründe in aller Regel ein berechtigtes Interesse an der Befristung des Arbeitsverhältnisses.
"Im Teilzeit- und Befristungsgesetz steht, dass die zulässige Befristungsdauer über zwei Jahre hinaus auf der Grundlage eines Tarifvertrages verlängert werden kann. Aus unserer Sicht wären hier fünf Jahre unproblematisch; das ließe sich ebenfalls in einem Tarifvertrag regeln", so der VDV-Geschäftsführer.
Streikende Profifußballer?
Den Klubs und den Ligaverbänden will die Spielergewerkschaft einen Tarifvertrag vor allem mit dem Argument der Rechtssicherheit schmackhaft machen. VDV-Justiziar Frank Rybak nennt gegenüber LTO ein Beispiel: "Laut DFL-Musterarbeitsvertrag soll jeder Verein für sich einen Strafenkatalog mit Sanktionshöhe entwerfen, der dem Vertrag beigefügt wird. Damit wäre in jedem Einzelfall aufwendig zu prüfen, ob eine ausgesprochene Vertragsstrafe überhaupt rechtmäßig ist. In einem Tarifvertrag hingegen könnten Vertragstrafen bei klar definierten Hauptpflichtverstößen rechtssicher vereinbart werden; beispielsweise für den Fall, dass ein Spieler gar nicht zur Arbeit erscheint. Auf der anderen Seite wäre es dann aber auch möglich, dass Spieler Vertragsstrafen gegen ihre Klubs aussprechen; zum Beispiel dann, wenn das Gehalt nicht pünktlich gezahlt wird."
Auch unter einem weiteren Aspekt würde ein Tarifvertrag den Vereinen Vorteile bringen: Schließlich dürfe während der Laufzeit des Vertrages nicht gestreikt werden, so die VDV. Die Vereine hätten die Sicherheit, "dass der Spielbetrieb planmäßig durchgeführt werden kann und es diesbezüglich keinen Ärger mit TV-Rechtehaltern, Sponsoren und Fans geben wird", erklärt Geschäftsführer Baranowsky.
Theoretisch ein reizvolles Argument – aber sind Streiks von Fußballspielern in Deutschland überhaupt ein relevantes Vorkommnis? "Tatsächlich sind im deutschen Profi-Fußball die gesetzlichen Schutzbestimmungen recht hoch, sodass man nicht zwingend auf die Straße gehen muss", räumt der Gewerkschafter ein. Dies mindere natürlich den Leidensdruck und die Bereitschaft zum Arbeitskampf.
Darin sieht er aber gleichzeitig auch eine Bestätigung für die Arbeit der VDV, die in der Vergangenheit "zahlreiche Erfolge auf dem Klageweg erzielt" habe, die häufig zu Anpassungen der Musterarbeitsverträge der Verbände geführt hätten. Dies gelte beispielsweise für die Berücksichtigung von Leistungsprämien bei der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall oder auch für die Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt.
Verstöße gegen das Mindestlohngesetz
Andererseits: Von Lohndumping ist auch der deutsche Profifußball nicht frei: "In der 3. Liga und der Regionalliga wird vielfach nicht der gesetzliche Mindestlohn – aktuell 8,84 Euro pro Stunde - gezahlt", beklagt die Spielergewerkschaft. Klubs und Profis seien aufgerufen, sich an die zwingenden Vorschriften des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zu halten. Dieses gelte insbesondere für volljährige – und gering verdienende – Vertragsspieler, so Baranowsky. Denn zur Arbeitszeit zählten neben dem Training und dem Spiel auch alle anderen dienstlich veranlassten Zeiten, beispielsweise für das Umziehen sowie für Besprechungen oder auch für Busfahrten zu Auswärtsspielen.
Die VDV empfiehlt den betroffenen Vertragsspielern, ihre Arbeitszeit genau zu dokumentieren und von einem Vorgesetzten (Trainer oder Manager) abzeichnen zu lassen. Falls einem Spieler dann aufgrund des Mindestlohngesetzes eine höhere als die vertraglich vereinbarte Vergütung zusteht, sollte er diese unmittelbar schriftlich geltend machen. Druck schafft das MiLoG: Den Vereinen drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 500.000 Euro.
Die Gewerkschaft bedauert, dass sich der DFB bei diesem Thema merklich zurückhält: "Wir würden uns wünschen, dass der Verband die Klubs stärker zur Einhaltung des Mindestlohngesetzes anhält, um auch die Klubs selbst vor möglichen Sanktionen besser zu schützen", so Baranowsky. Schließlich seien die Klubs verpflichtet, den gesetzlichen Mindestlohn in voller Höhe und zeitnah zu zahlen. Der VDV-Geschäftsführer hält verstärkte Überwachungen der Vereine durch den Zoll, der der gemäß § 14 MiLoG für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zuständig ist, für angebracht.
Indes haben auch die alpinen Nachbarn nachgelegt: Die österreichische Bundesliga und die dortige Gewerkschaft haben sich kürzlich auf einen neuen Kollektivvertrag - das österreichische Pendant zum Tarifvertrag - geeinigt. Neu ist eine stufenweise Anhebung des Mindestlohns für Vollzeitprofis auf 1550 Euro bis 2020.
Hasso Suliak, Gewerkschaftsforderung: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28371 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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