Der Bundestag hat klargestellt, wie es sich auf die Miete auswirkt, wenn Laden-, Café- oder Hotelinhaber im Corona-Lockdown schließen müssen. Nun können sich Vermieter und Mieter leichter einigen, erklärt Marvin Rochner.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie beschäftigen die behördlich verordneten Schließungen in Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie sowie weiteren Branchen die Politik und die Juristen. Ein Streitpunkt sind die Auswirkungen der eingeschränkten Nutzbarkeit von Mietobjekten auf die Mietzahlungspflichten. Teilweise erzielen Mieter und Vermieter einvernehmliche Regelungen; teilweise entscheiden bereits die Gerichte – mit unterschiedlichen Ergebnissen: Das Landgericht München hielt eine Mietanpassung für notwendig und geboten, das Landgericht Heidelberg lehnte eine Anpassung ab, da der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache trage. Wieder andere sehen das Maßnahmengesetz zur Bekämpfung der Pandemie, insbesondere den zeitweisen Kündigungsausschluss, als abschließende Regelung an – mit der Folge einer Nichtanwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regelungen.
Dem ist der Gesetzgeber nun entgegengetreten. Der Bundestag hat am Donnerstag zwei wesentliche Regelungen im Rahmen des Gesetzes zur Anpassung der Restschuldbefreiung auf den Weg gebracht. Der neu in Art 240 des Einführungsgesetesz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eingefügte § 7 stellt fest: Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Diese Reglung ist auf Pachtverträge entsprechend anwendbar.
Begleitend wurde im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) durch § 44 ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot eingeführt: Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln. In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Auch noch rückwirkend auf den ersten Lockdown anwendbar
Die Anwendbarkeit erstreckt sich auf alle Gewerbe-, Raum- und Grundstücksmietverhältnisse mit Ausnahme von Wohnraum. Ausdrücklich erfasst sind auch Pachtverhältnisse. Die allgemeinen gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten, insbesondere in Folge einer Störung der Geschäftsgrundlage oder eine Mietminderung sind auch für den Zeitraum ab April 2020 grundsätzlich anwendbar, sofern und soweit in diesem Zeitraum öffentlich angeordnete Nutzungsbeschränkungen bestanden. Der im Maßnahmengesetz aus dem Frühjahr enthaltene Kündigungsausschluss stellt keine für diese Zeit abschließende Regelung dar.
Im Rahmen des § 313 BGB wird vermutet, dass sich mit den Auswirkungen der behördlichen Pandemiemaßnahmen ein Umstand wesentlich geändert hat, der zur Grundlage des Mietverhältnisses geworden ist. Die Vermutungsregelung umfasst damit das 1. Element des § 313 BGB (Änderung wesentlicher Umstände). Das 2. Element (Abweichende Regelung bei Kenntnis der Parteien) und das 3. Element (Unzumutbarkeit für eine der Parteien am vertrag festzuhalten) bleiben von der gesetzlichen Regelung unberührt und sind im Einzelfall vom Mieter darzulegen und zu beweisen.
Die Rechtsfolge einer gestörten Geschäftsgrundlage bleibt ebenfalls offen. Die Ausgestaltung der Anpassung, sei es über eine Minderung, eine Stundung oder sonstige Maßnahmen, ist weiterhin einzelfallabhängig und den Parteien überlassen.
Die Regelung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft und gilt auch für laufende und bereits abgeschlossene, aber noch nicht rechtskräftig entschiedene Sachverhalte. Das ausdrückliche Vorrang- und Beschleunigungsgebot soll langwierige Gerichtsverfahren verhindern und eine schnelle Rechtssicherheit ermöglichen.
Kein gesetzliches Minderungsrecht, aber Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt
Eine abschließende oder gar pauschale Reglung der Auswirkungen auf die Gewerbemietverhältnisse hat der Gesetzgeber mit den Änderungen nicht bewirkt. Ebenso wenig wurde das Risiko einseitig einer Partei zugeordnet. Aber er hat die teilweise bestehenden Unsicherheiten beseitigt und die Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt – ohne die Kernelemente der in § 313 BGB geregelten Störung der Geschäftsgrundlage und der allgemeinen mietrechtlichen Regelungen anzutasten. Diese sind weiterhin auf den konkreten Einzelfall anzuwenden und bürden dem Mieter im Rahmen der Interessenabwägung eine nicht unerhebliche Darlegungslast auf. Er muss insbesondere die Unzumutbarkeit einer unveränderten Beibehaltung des Mietvertrages durch (erhebliche) Umsatzeinbußen und eine fehlende Kompensation zum Beispiel durch staatliche Maßnahmen darlegen.
Im Falle einer erfolgreichen Kostensenkung durch den Mieter in anderen Bereichen werden die Chancen auf eine Anpassung des Mietvertrages folglich gemindert. Entsprechend dem Ansatz einen "Verhandlungsanstoß" geben zu wollen, wurden auch die Rechtsfolgen nicht festgelegt, sondern ausdrücklich offengelassen; hier bleiben den Parteien alle Möglichkeiten offen – von Mietminderung über Stundung bis hin zum Erlass.
Beim Abschluss von Neuverträgen ist den Parteien inzwischen das Risiko einer Pandemie bewusst und die Folgen sind daher entsprechend zu regeln. Andernfalls könnte es dem Mieter verwehrt sein, sich auf die nun gesetzlich normierte Vermutung einer Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen. Inwieweit das Justizsystem die gebotene Beschleunigung der Verfahren in der Praxis umsetzen kann, wird sich ebenfalls erst noch zeigen müssen.
Wichtig bei Neuverträgen: Eine Pandemieklausel wird Standard werden
Soweit die Parteien sich noch nicht über die Folgen des vergangenen oder des aktuellen Lockdowns geeinigt haben, kann nun mit Nachdruck und gesetzlichem Rückenwind auf eine solche hingewirkt werden. Ohne eine Einigung der Parteien oder eine entsprechende gerichtliche Entscheidung bleibt das Mietverhältnis unverändert bestehen. Hoffnungen auf eine pauschale gesetzliche Minderung wurden enttäuscht. Die gesetzliche Minderung bleibt unangetastet und der Mieter muss von sich aus aktiv werden.
Für zukünftige Mietzahlungen kann daher lediglich eine Zahlung unter einfachem Vorbehalt der Rückforderung empfohlen werden - um weder eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit zu provozieren, noch die Möglichkeiten einer Rückforderung auszuschließen. Da keine pauschale gesetzliches Minderung festgelegt wurde, geht der Mieter ein Risiko ein, wenn er die vollständig oder in unangemessener Höhe einbehält. Weiterhin ist im Vorfeld der Verhandlungen umfangreich zu bewerten, inwieweit Umsatzeinbußen durch andere Kosteneinsparungen kompensiert werden könnten oder konnten.
Vermietern wiederum ist der Einstieg in mieterseitig gewünschte Verhandlungen anzuraten, um ressourcenintensiven Gerichtsverfahren entgegenzutreten. Wichtig für Neuverträge: Eine Corona- bzw. Pandemieklausel, gleich in welcher Form, sollte spätestens ab jetzt Standard in jedem Gewerbemietvertrag sein, um die notwendige Flexibilität auch für künftige Szenarien zu erhalten.
Marvin Rochner ist auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Junior-Partner bei Oppenhoff.
Bundestag beschließt Regelung zu Gewerbemieten: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43775 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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